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Ist Karl Lauterbach eine Spaßbremse?

Weil der Politiker in der Corona-Krise oft eine strenge Linie forderte, gilt er als "Spaßbremse" und "Alarmsirene". Stimmt das? Ein Promi-Freund erzählt.

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Karl Lauterbach spielt gern Tischtennis - am liebsten gegen einen prominenten Gegner.
Karl Lauterbach spielt gern Tischtennis - am liebsten gegen einen prominenten Gegner. © dpa/Oliver Berg

Von Christoph Driessen

Köln. Günter Wallraff erwartet Besuch und hat deshalb ganz brav seinen Mundschutz aufgesetzt. "Es hat einen großen Vorteil, mit Karl Lauterbach befreundet zu sein", sagt der Enthüllungsjournalist. "Man kommt erst gar nicht in Versuchung, hier Orgien feiern zu wollen." Der SPD-Gesundheitsexperte, der sich neben dem Virologen Christian Drosten zum wohl strengsten Mahner und Warner der Corona-Krise entwickelt hat, hat sogar einen eigenen Schlüssel zu Wallraffs Haus in Köln-Ehrenfeld.

Kurz darauf rauscht der 57-Jährige in den Garten. Gekleidet in Trainingshose und Joggingjacke, in der Hand eine Sporttasche, am Ohr sein Handy. Aus aktuellem Anlass - Stichwort Impfstoff - soll er so schnell wie möglich nach Berlin. Wallraff schlägt jedoch vor: "Erst das Spiel, dann die Arbeit."

Karl Lauterbach ist im Corona-Jahr 2020 allgegenwärtig. Für Kritiker ist er die "Alarmsirene", die "Spaßbremse". Mehrfach ist er mit dem Virologen Hendrik Streeck aneinandergeraten, der für eine nicht ganz so strenge Linie plädiert. Einen Shitstorm provozierte Lauterbach, als er neulich sagte, die Ordnungsämter müssten bei Privatpartys notfalls bis an die Wohnungstür kommen, um Exzesse zu unterbinden.

So kennen ihn viele: Lauterbach spricht im Bundestag.
So kennen ihn viele: Lauterbach spricht im Bundestag. © dpa/Bernd Von Jutrczenka

Auch Nachbarn von Günter Wallraff haben am Vorabend in großer Runde lautstark gefeiert. "Aber ich wollte kein Denunziant sein und habe nichts unternommen." Über Lauterbach sagt er: "Dieses Image des Spaßverderbers ist völlig zu Unrecht. Er hat einen hintergründigen trockenen Humor. Und ich kenne keinen Politiker, der sich so selbstlos engagiert." Lauterbach habe so gut wie kein Privatleben mehr, sei Tag und Nacht unterwegs. Oft mehrfach in der Woche pendelt er zwischen Berlin und seinem Wohnort Köln hin- und her. Bundestag, Expertenrunden, Talkshows und in der Nacht dann noch Austausch mit seinen Wissenschaftskollegen in Harvard, wo er eine Professur hat.

Vor allem als Lauterbach noch Fliege trug, sah er aus wie der personifizierte Studienrat. Mittlerweile ist die Fliege weg - sowohl auf Anraten seiner Kinder als auch von Günter Wallraff. "Ich hatte mich auch selbst ein bisschen daran satt gesehen." Lauterbach betrachtet sich keineswegs als freudlosen Asketen. "Im Gegenteil, ich weiß ganz genau, wie schwer die Einschränkungen sind, und mir selbst tut das genauso weh", versichert er. "In der Öffentlichkeit denken viele, dass ich darauf keinen Wert lege, aber ich bin zum Beispiel ein extrem regelmäßiger Restaurantbesucher. Zu üblichen Zeiten gehe ich vier oder fünf Mal in der Woche ins Restaurant. Und ich gehe auch sehr gern in gute Weinkneipen, zum Beispiel im Prenzlauer Berg in Berlin oder im Belgischen Viertel in Köln."

Genauso vermisse er Kinobesuche, Mannschaftssport, Treffen mit Freunden. "Ich bin ein sehr sozialer Mensch mit einem riesigen Freundeskreis." Sein Ziel sei immer nur gewesen: Bis ein Impfstoff gegen Corona da ist, muss alles dafür getan werden, damit so wenige Menschen erkranken wie möglich.

Jetzt aber genug geredet. Durch Günter Wallraffs verwunschenen Garten geht es in ein windschiefes Häuschen, das von einem Nussbaum überragt wird. Hier steht seine legendäre Tischtennisplatte, an der er schon mit Salman Rushdie gespielt hat. Der Schriftsteller tauchte 1993 nach einer als Fatwa bezeichneten Todesdrohung aus dem Iran bei ihm unter.

Lauterbach spiele offensiver als er, verrät Wallraff, während er die wenigen Stufen hinaufgeht. "Aber das bedeutet nichts." Leider wolle er nie um Punkte spielen. "Ich dagegen bin viel motivierter, wenn gezählt wird", bedauert Wallraff. Das ist bei ihnen schon lange ein Thema. Kann Lauterbach nicht verlieren? "Ach wo", dementiert der. "Ich spiele grundsätzlich nicht gegen Freunde um Punkte. Ich will mich entspannen."

Lauterbach und sein Kumpel Günter Wallraff
Lauterbach und sein Kumpel Günter Wallraff © dpa/Oliver Berg

Jetzt geht es los: Lauterbach gegen Wallraff. Beide tragen Mundschutz, dazu stehen die Türen offen, so dass für Belüftung gesorgt ist. Wallraff benutzt wie immer seinen jahrzehntealten, völlig abgewetzten Schläger, auf den er aber schwört. "Ich kann nur mit dem." Beide sind mit großer Ernsthaftigkeit bei der Sache und schenken sich nichts. Das ist schon mehr als Pingpong.

Als das letzte Nachmittagslicht in den Garten fällt, packt Lauterbach seine Sachen - der Flieger nach Berlin wartet. Wallraff kommt noch einmal auf die Sache mit den Punkten zu sprechen. "Ich schlage vor, ich verpflichte mich beim Notar, eine hohe Vertragsstrafe an dich zu zahlen, sollte jemand von mir erfahren, dass du verloren hast." Lauterbach frotzelt im Weggehen: "Günter ist ein Talent - aus dem kann noch mal was werden!"  (dpa)