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Bautzens CDU geht gefährliche Wette ein

Die Ankündigung, die Berufsimpfpflicht nicht umzusetzen, ist Populismus. Die CDU droht damit mehr zu beschädigen als nur sich selbst.

Von Ulli Schönbach
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Corona-Protesten am Montag in Bautzen.
Corona-Protesten am Montag in Bautzen. © sächsische.de

Bautzen. Der Fall liegt klar. Die Diagnose ist einfach: Die CDU im Landkreis Bautzen leidet an drohendem Machtverlust. Viermal in Folge unterlag die Partei in den vergangenen vier Jahren auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gegen die AfD. Das Bundestagsmandat und drei von fünf Sitzen im Landtag gingen bereits verloren, der Landratsposten könnte im Sommer flöten gehen.

Und so schwankt die Partei nun zwischen der Verantwortung für die Bekämpfung der Corona-Pandemie und Schüben fiebriger Erregung. Ausgerechnet bei einer Demonstration ungeimpfter Pflegekräfte, Impfskeptiker und Corona-Leugner verkündete Vize-Landrat Udo Witschas am Montagabend, dass der Landkreis Bautzen die Impfpflicht für die Gesundheitsberufe de facto nicht umsetzen will. Die rechtsextremen Freien Sachsen filmten live und feierten den Auftritt des CDU-Landratskandidaten als Erfolg.

Schon diese Verknüpfung zeigt: Über Sinn und Wirkung der Impfpflicht im Gesundheitswesen lässt sich mit guten Argumenten diskutieren – über den Auftritt des Vizelandrats nicht. Das Landratsamt kann über Ausnahmen von der Impfpflicht nach Prüfung und im Einzelfall entscheiden. Pauschal außer Kraft setzen, kann sie diese nicht. Die Botschaft und der Ort, den Witschas dafür wählte, können daher nur auf eine Weise verstanden werden: als Versuch, im Wahlkampf auf der Welle der Corona-Proteste mitzureiten. Und sei es mit purem Populismus.

Vertrauen in die Impfungen nicht weiter unterminieren

Damit geht die CDU sechs Monate vor der Wahl eine gefährliche Wette ein, die Hinwendung zu den Corona-Protesten mag wahltaktisch verlockend sein. Doch die Partei dreht damit zugleich vielen Menschen den Rücken zu. All jenen, die sich seit Monaten durch die Fährnisse dieser Pandemie kämpfen, die viele Einschränkungen in Kauf nehmen oder in Schule, Betrieb und Behörde unpopuläre Entscheidungen durchsetzen müssen. Viele von ihnen fühlen sich schon länger allein gelassen. In einem Landkreis, der mehr Todesfälle zählt als fast alle anderen Regionen in Deutschland und so wenige Impfungen wie fast nirgends sonst.

Selbstverständlich muss das Landratsamt auch in dieser Situation gut wägen, welche Folgen die Berufsimpfpflicht auf einzelne Bereiche des Gesundheitswesens hat. Gefragt sind nüchterne Analyse und transparente Entscheidungen - nicht Wahlkampfbotschaften, die das Vertrauen in die Impfungen und das staatliche Handeln unterminieren. Dieses Feld bestellt seit Monaten die AfD.

Viermal schon ist der Versuch der CDU im Landkreis Bautzen gescheitert, die Rechts-Außen-Partei mit den eigenen Waffen zuschlagen. So, wie es aussieht, legt es die Parteispitze um Landrat Harig und seinen Vize gerade auf den fünften Anlauf an. Diesmal jedoch droht die Partei mehr zu beschädigen als nur sich selbst.