Wie Corona ein Schwimmtalent ausbremst

Dresden. Eine Bronzemedaille sprang am Ende für sie heraus. Die Ausbeute war schon mal üppiger, doch Zeiten und Ergebnisse spielten bei diesen Meisterschaften nicht die gewohnte Hauptrolle. Celine Wolter freute sich, dass es überhaupt mal wieder einen Wettkampf gab, bei dem man nicht nur gegen die sächsische Konkurrenz oder die aus der eigenen Trainingsgruppe am Dresdner Stützpunkt antrat.
Doch selbst die deutschen Nachwuchsmeisterschaften in Berlin waren ein Corona-Opfer, weil sie von Juni auf Ende Oktober verschoben worden – auf einen Zeitpunkt, in der kurz nach dem Start in die neue Saison das Grundlagen-Ausdauer-Training ansteht. Ganz schlechte Voraussetzungen also für schnelle Zeiten und Normerfüllungen. Bei der 17-jährigen Wolter kam hinzu, dass sie sich kurz vor dem wichtigsten Wettkampf des Jahres erkältet hatte und nicht trainieren konnte. „Unter diesen Umständen waren die Ergebnisse ganz okay“, findet sie.
Es fehlt ein Ziel vor den Augen
Die Titelkämpfe waren zumindest eine willkommene Abwechslung. In den vergangenen anderthalb Jahren, in denen das Virus auch den Nachwuchsspitzensport ausgebremst hat, wurde zwar durchgängig trainiert, Wettkämpfe aber gab es wegen der Auflagen kaum: mal ein Stützpunktvergleich, mal sächsische und mitteldeutsche Meisterschaften, vor allem aber interne Wettbewerbe in der Dresdner Gruppe. „Ich quäle mich gerne, wenn ich ein Ziel vor Augen habe“, sagt Wolter. „Aber wenn man das Gefühl hat, für nichts zu trainieren, wird es schwer. Es fehlt der Fokus.“
Nicht nur im Nachwuchs wird mit ganz konkreten Zielvorgaben, etwa die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb, gearbeitet. Das soll die Sportler antreiben, sich im Training noch mehr anzustrengen. „Bei mir war die Motivation in letzter Zeit nicht mehr ganz so da“, gesteht die Sportgymnasiastin.
Während des Lockdowns saß sie wie die anderen aus ihrer Gruppe zu Hause auf der Rennradrolle. Anderthalb Stunden in die Pedale treten, nachmittags folgte ein Kraftkreis. „Kommuniziert haben wir über Skype“, erinnert sich Wolter, die durchblicken lässt, dass sich der Spaß dabei in Grenzen hielt. Als die Hallen für die Leistungssportler wieder geöffnet wurden, stand zunächst nur das kleine Becken der Wasserspringer zur Verfügung. Die Einschränkungen machten sich auch an den geschwommenen Zeiten bemerkbar. „Es ist ja so: Wenn es bei den Einheiten richtig gut läuft, dann macht das Training Spaß“, sagt sie. Und im anderen Fall eben nicht. Ein Teufelskreis.
Einige Sportwissenschaftler fürchten, dass die Ausfälle durch die Corona-Einschränkungen nicht komplett aufzuholen sind. Manches Talent hat in den vergangenen Monaten aufgehört. Ein herber Verlust für den deutschen Spitzensport. Das wäre er auch im Fall Wolter. Bei den 13-Jährigen hatte sie einen deutschen Rekord über ihre Spezialstrecke, die 50 Meter Rücken, aufgestellt, stand in dieser Liste neben Franziska van Almsick. 2018 wurde sie als Sachsens Schwimmerin des Jahres in der Kategorie Jugend geehrt. 2019 startete sie bei den Europäischen Olympischen Jugendspielen (EYOF). Dann kam Corona.
Im Frühjahr 2020 sollte es für 14 Tage ins Trainingslager nach Fuerteventura gehen, anschließend für zwei Wettkämpfe nach Stockholm und Eindhoven. Die Tickets waren alle gebucht, die Taschen gepackt. Zwei Tage vor dem Abflug wurde alles gestrichen. Einreiseverbot.
Training in Fuerteventura fällt aus - zum zweiten Mal
„Diese Absage war ein richtiger Dämpfer für die Mädchen und Jungs“, sagt Ben Günther, Trainer am Landesstützpunkt Dresden – und auch der von Wolter. „Es ist für die Sportler etwas Besonderes, wenn sie in der Osterzeit bei 25 Grad und strahlender Sonne unter freiem Himmel schwimmen können.“ Auch in diesem Jahr wurde der geplante Trip wegen Corona gestrichen.
„Gerade bei Teenagern merkt man, wenn sie mehr Zeit haben, weil weniger trainiert wird und an den Wochenenden keine Wettkämpfe stattfinden“, erklärt Günther. „Haben sie frei, spüren sie, dass es neben dem Sport noch andere Sachen gibt. Und sie denken mehr als ohnehin schon darüber nach, wozu sie das überhaupt machen.“ Große Wettkämpfe und Trainingslager in warmen Ländern wären ein gewichtiges Argument. Das fällt derzeit jedoch fast komplett weg.

Je länger das so geht, desto schwieriger wird es, die Talente bei der Stange zu halten. Und die Aussichten sind angesichts der aktuellen Corona-Zahlen nicht die besten. Das Christstollen-Schwimmfest, der wichtigste Wettkampf in Dresden, ist vom 17. bis 19. Dezember geplant, ob er stattfinden kann, jedoch fraglich. Für Wolter wäre es die letzte Chance, eine geforderte Zeit zu schwimmen. Nur dann würde sie auch im kommenden Jahr einem Kader des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) angehören. Und nur dann dürfte sie die Schuljahre bis zum Abitur strecken, was angesichts der Trainingsumfänge und damit verbundenen Ausfallzeiten sinnvoll wäre.
Sich da durchzubeißen, wird eine Herausforderung für die Athletin des Dresdner SC. Zumal sie nicht mehr bei den Juniorinnen starten darf. „Der Übergang zu den Erwachsenen ist im Schwimmen extrem hart. Abgesehen von Ausnahmetalenten muss man eine Durststrecke von drei, vier Jahren durchmachen“, erklärt Günther. Die Motivation hochzuhalten, ist auch da eine Herausforderung. „In dieser Phase springen viele ab“, weiß der Trainer.
Wolter möchte vorerst weitermachen, sie träumt von Europa- und Weltmeisterschaften, von Olympia. Ein Fernziel hat sie also, nun braucht sie noch welche für diese Saison.