Corona: Hausarzt bekommt Impfstoff nicht los

Dr. Michael Klug ist verzweifelt. Der Kesselsdorfer Allgemeinarzt hat jede Menge Corona-Impfdosen, doch so gut wie keinen, der sich damit impfen lassen möchte. Der Grund: Im Kühlschrank liegt Astrazeneca. Und genau diesen Impfstoff lehnen viele seiner Patienten ab. Ähnliche Erfahrungen haben auch andere Hausärzte gemacht, so auch Angelika Fröse, die in Bannewitz praktiziert.
"Der Impfstoff hat eine schlechte Publicity", sagt der 37-jährige Arzt, der seit 2020 in Kesselsdorf praktiziert. In den vergangenen Wochen gab es von den Behörden verschiedenste Vorgaben. Das Hin und Her hat viele Patienten verunsichert. Nun ist es so, dass die Ständige Impfkommission in Deutschland den Impfstoff für Patienten ab 60 empfiehlt, während die Europäische Arzneimittelbehörde keine Einschränkungen macht. Für Michael Klug ist das ein Unding. "Damit schießen wir uns ein Eigentor."
Impfdosen von der Europäischen Union
Astrazeneca ist für Hausarztpraxen geeignet, sagt Klug. Deshalb möchte er den Impfstoff unters Volk bringen. Bei ihm kann sich jeder melden, der berechtigt ist, diesen Impfstoff zu bekommen. "Mir ist egal, ob die Leute im Landkreis wohnen oder in Dresden oder Bautzen. Das Vakzin von Astrazeneca ist sehr gut, nur die Verunsicherung ist extrem hoch". Aber auch bei ihm gilt die Impfverordnung. Nur wenn Impfdosen überbleiben, versucht er, sie zu verimpfen, um sie nicht wegwerfen zu müssen. Wenn jemand Interesse hat, der jünger als 60 ist, kann er auch geimpft werden. Der Patient muss dann aber unterschreiben, dass er die geltenden Empfehlungen kennt.
Dass Michael Klug eine große Menge Astrazeneca-Impfdosen besitzt und sich über die SZ an die Öffentlichkeit wendet, hat einen Grund. Klug wollte schnellstmöglich all seinen Patienten ein Angebot machen. Deshalb hat er nicht nur über die Apotheken Impfstoff bestellt, sondern vor Wochen auch über ein Programm der Europäischen Union, mit dem besonders von Corona betroffenen Regionen geholfen werden soll. Dazu gehören auch Grenzregionen wie der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Impfen in Zusatzsprechstunden
Über die Apotheken bekam Klug in den ersten Aprilwochen Biontech, vergangene Woche waren es 144 Impfdosen. Da sich für das EU-Programm offenbar wenig Praxen interessierten, erhielt er dort die maximal bestellbare Menge - 400 Dosen von Astrazeneca. Sie wurden am 7. April geliefert.
Um den Impfstoff unters Volk zu bringen, gab es Zusatzsprechstunden. "Biontech-Impfdosen müssen innerhalb von drei Tagen verimpft werden", sagt Klug. Das ist auch gelungen. Denn für diesen Impfstoff gibt es Wartelisten.
Anders ist es bei Astrazeneca. Gerademal neun Patienten wollten sich letzte Woche damit impfen lassen. Auch in dieser Woche ist das Interesse nicht sehr groß. In der Praxis stehen immer noch 370 Impfdosen zur Erstimpfung bereit. Klug möchte diese Impfdosen nicht entsorgen. Als Arzt könne er so etwas nicht verantworten.
Deshalb hofft er, dass Interessierte aus anderen Region zu ihm zum Impfen kommen. Bis zum Juni kann er die Dosen noch lagern. Das bestätigt Dr. Tobias Schuhbauer, der in Reinhardtsgrimma praktiziert und sich ebenfalls am EU-Programm beteiligt hat. Er hat 100 Impfdosen bestellt und auch bekommen. Allerdings sind alle schon verplant. Für seinen Kollegen in Kesselsdorf hat er Verständnis. Als das EU-Programm aufgelegt wurde, sei unklar gewesen, ob es auch realisiert wird und die bestellte Menge auch kommt. Denn lange hatte man davon nichts gehört. "Letzte Woche Mittwoch wurde dann der Impfstoff geliefert", so Schuhbauer.
Wer Biontech möchte, muss warten
Klugs Patienten, die mit Biontech geimpft werden wollen, müssen warten. Gegenwärtig möchte er den Impfstoff nicht bestellen. Denn wenn er das tut, bekommt er nicht nur Biontech, sondern auch Astrazeneca. So hat es das Bundesgesundheitsministerium bestimmt, um auch in der kommenden Woche rund eine Million Covid-19-Impfstoff an die Arztpraxen geben zu können, erklärt André Reiche von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Geliefert werde, was verfügbar sei.
Klug kennt aber schon Details: Bestellt werden muss im ungefähren Verhältnis zwei zu drei. Das heißt, Klug bestellt sechs Impfdosen von Biotech und bekommt zehn Impfdosen von Astrazeneca dazu. "Das ist für mich logistisches Problem". Denn von Letzteren hat er noch massenhaft im Kühlschrank.
Sollte es ihm gelingen, seine Astrazeneca-Bestände in zwei, drei Wochen zu verimpfen, würde er neuen Impfstoff bestellen. Er hofft, dass das Bundesgesundheitsministerium das Prozedere ändert und jede Praxis wieder den Impfstoff bestellen kann, der nachgefragt wird.
Bestell-Kopplung wird offenbar wieder aufgehoben
Das ist offenbar geplant. "Die Kassenärztlichen Bundesvereinigung geht davon aus, dass diese 'Kopplung' nur für die Kalenderwoche 19. bis 25. April aus besagten Gründen vorgenommen wurde", so KVS-Sprecher Reiche. Voraussichtlich ab dem 20. April soll eine Impfstoff-konkrete Bestellung durch die Ärzte möglich sein.
"Zu dem Problem der Zurückhaltung gegenüber dem Astrazeneca-Impfstoff werden derzeit Gespräche auf Bundes- wie auch Landesebene geführt, um zeitnah zu Lösungen zu kommen", so Reiche.
Impftermine in der Kesselsdorfer Praxis von Michael Klug: [email protected]
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