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"Zweite Corona-Welle" in Tschechien

Ein Prager Corona-Experte warnt davor, dass Krankenhäuser Ende Oktober an die Grenze ihrer Kapazität kommen könnten. Nur 30 von 78 Bezirken sind "risikofrei".

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Menschen mit Mundschutz stehen an der Sammelstelle am Prager Wenzelsplatz Schlange, um sich auf Covid-19 testen zu lassen.
Menschen mit Mundschutz stehen an der Sammelstelle am Prager Wenzelsplatz Schlange, um sich auf Covid-19 testen zu lassen. © Vít Šimánek/CTK/dpa

Von SZ-Korrespondent Hans-Jörg Schmidt 

Prag. Angesichts der seit einer Woche deutlich wachsenden Zahl von positiv auf Covid-19 Getesteten ist Tschechien in einer "zweiten Welle" von Corona angekommen. Dies sagte der Regierungsbevollmächtigte für Wissenschaft und Forschung im tschechischen Gesundheitswesen, Roman Prymula, am Sonntag in einer Fernsehdebatte. 

Binnen 14 Tagen oder drei Wochen müsse das Land mit ebenso vielen Krankenhausaufenthalten rechnen wie im Frühjahr. "Sollte sich die Infektion weiter so explosionsartig ausbreiten und keine Maßnahmen ergriffen werden, könnten die Krankenhäuser Ende Oktober an die Kapazitätsgrenze der reservierten Betten für Corona-Patienten gelangen", sagte Prymula. Gegenwärtig sei es notwendig, die Infektionskurve zu "glätten". Die Menschen sollten Feiern mindestens einen Monat lang vermeiden, um die wachsende Kurve der Infizierten zu verringern.

Aktuell sind in Tschechien über 13.700 Menschen infiziert, so viele wie noch nie. Am Samstag kam die Rekordzahl von 1.541 bestätigten Fällen hinzu. Das geht aus Daten des Gesundheitsministeriums vom Sonntag hervor. 250 Erkrankte müssen in Kliniken behandelt werden, 64 von ihnen sind in kritischem Zustand. Obwohl Prag nach wie vor Schwerpunkt der Neuansteckungen ist, steigt das Risiko auch in anderen Regionen des Landes. Die vierstufige Corona-Ampel weist nur noch 30 von 76 Bezirken in Tschechien als risikofrei aus. 40 sind nun grün gekennzeichnet, also mit geringem Risiko. 

Schulen als "Covid-Tauschbörsen"

Besonders betroffen ist Prag, das von Deutschland zum Risikogebiet erklärt wurde. Dort ist jeder von diesem Montag an verpflichtet, sich beim Betreten von Geschäften und Gaststätten zusätzlich zur Maskenpflicht die Hände zu desinfizieren.

Prags Oberbürgermeister Zdenek Hrib warf der Regierung im Fernsehen CT vor, verkannt zu haben, dass nach den Sommerferien eine Infektionswelle kommen werde. Die Schulen seien zu "Covid-Tauschbörsen" geworden. Anders als in fast allen Innenräumen gilt in den Klassenzimmern keine Maskenpflicht.

Neben Prag sind mittlerweile weitere fünf Bezirke in die zweithöchste Kategorie gelb eingestuft worden. Europaweit haben derzeit nur Spanien und Frankreich höhere Ansteckungswerte.

Gesundheitsminister Adam Vojtech erklärte, niemand habe erwartet, dass der Anstieg der Infektionen so schnell und so massiv ausfallen werde wie in den zurücklegenden 14 Tagen. Die ergriffenen Maßnahmen würden erst mit einer gewissen Verzögerung Wirkung zeigen.

Seit Beginn der Pandemie starben 453 Menschen in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung. Im benachbarten Polen, das fast viermal so viel Einwohner hat, meldeten die Behörden am Sonntag nur 502 bestätigte Neuinfektionen mit dem Coronavirus.

Die wachsende Zahl der positiv Registrierten hängt auch damit zusammen, dass in Tschechien die Tests massiv hochgefahren worden sind. In den meisten Fällen soll der Verlauf vergleichsweise harmlos sein. (mit dpa)