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Das Märchen vom Mercedes im Mund

Bei Zahnimplantaten zeigt sich, dass in Deutschland durchaus eine Zwei-Klassen-Medizin gibt, findet SZ-Redakteurin Katrin Saft. 

Von Katrin Saft
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© SZ-Thomas Lehmann / Marco Weiß

Was hat eine Brustvergrößerung mit einer Zahnimplantation gemein? Beide werden als medizinisch nicht notwendig eingestuft und müssen deshalb privat bezahlt werden. Doch im Gegensatz zur Körbchengröße ist der Vorteil eines Implantats unstrittig: Es bewahrt Patienten davor, gesunde Nachbarzähne abzuschleifen, damit eine Brücke hält. Es kann ihnen eine Zahnlücke oder die Dritten auf dem Nachttisch ersparen.

Wer sich für ein Implantat entscheidet, macht das nicht, weil er neben dem Mercedes auf der Straße auch einen im Mund besitzen will, wie die Krankenkassen gern argumentieren. Denn anders als ein Auto fällt ein Implantat nicht auf. Die Entscheidung wird vielmehr im Bewusstsein getroffen, das Beste für den langfristigen Erhalt der Zähne zu tun. Und das wird angesichts der steigenden Lebenserwartung immer wichtiger.

Die sogenannte Regelversorgung, die die Kassen für alle bezahlen, soll den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Macht sie aber nicht. Denn die Zahnimplantologie ist in Deutschland schon seit 1982 wissenschaftlich anerkannt. Die Methoden haben sich vor allem mit der Digitalisierung erheblich verbessert. Ebenso die Ergebnisse – trotz aller Risiken. Schließlich kann sich auch das Zahnfleisch natürlicher Zähne entzünden.

Viele können die neuen Möglichkeiten aber gerade im Alter, wo Zähne zum Problem werden, nicht nutzen. Denn für ein Implantat fehlt ihnen das Geld. Private Zusatzversicherungen sind teuer und oft tückisch im Kleingedruckten.

Dass gesetzliche Kassen für ein Implantat nicht zahlen, hat allein Spargründe. Laut Ergo liegt die Durchschnittsrechnung bei 3 000 Euro. Da wird schnell klar, dass es hier um Milliardenbeträge geht. Gesundheitspolitiker beteuern gern, dass in Deutschland keine Zwei-Klassen-Medizin existiert. Insofern sollte es künftig nicht mehr nur für den Zahnaufbau, sondern auch für die künstliche Zahnwurzel einen Zuschuss geben. Und wenn Patienten schon einen hohen Eigenanteil bezahlen, sollten sie hinterher nicht noch bestraft werden – indem die Kassen alle Nachfolgebehandlungen am Implantat für persönliches Pech erklären.