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DDR-Renten: Kabinett bringt Härtefallfonds auf den Weg

Mehr als 20.000 Rentner in Sachsen können 2.500 Euro aus einem neuen Härtefallfonds erwarten. Würde sich der Freistaat beteiligen, könnten sie 5.000 Euro erhalten. Doch um die Beteiligung gibt es Streit.

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Die Linke schlägt die Auszahlung einer fünfstelligen Summe an Ostrentner vor.
Die Linke schlägt die Auszahlung einer fünfstelligen Summe an Ostrentner vor. © Sebastian Kahnert/dpa (Symbolfoto)

Etwa 180.000 bis 190.000 bedürftige Rentner können nach Angaben der Bundesregierung Hilfen von mindestens 2.500 Euro aus einem neuen Härtefallfonds erwarten. Dazu zählen Ostdeutsche mit Ansprüchen aus DDR-Zeiten sowie jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätaussiedler an der Armutsgrenze. Das Bundeskabinett brachte die für den Fonds vorgesehene Stiftung am Freitag auf den Weg.

Vorige Woche hatte der Haushaltsausschuss im Bundestag dafür 500 Millionen Euro bereitgestellt. Die Bundesländer sollen bis 31. März 2023 die Möglichkeit haben, sich finanziell am Fonds zu beteiligen. Geschieht dies, können Antragsteller in den beteiligten Ländern auf 5.000 statt auf 2.500 Euro hoffen.

In Sachsen mehren sich die Stimmen für eine Beteiligung des Freistaates am Härtefallfonds des Bundes für bedürftige Rentner. Die bisher geplante Einmalzahlung von 2.500 Euro könnte durch eine Landesbeteiligung verdoppelt werden. Bislang hat nur Mecklenburg-Vorpommern das angekündigt. Am Donnerstag forderten SPD und Linke in Sachsen, dem Beispiel aus dem Norden zu folgen. Die Grünen äußerten Sympathie für diesen Schritt. Die CDU hielt sich mit einer Stellungnahme zunächst zurück.

Die sächsische SPD-Chefin Kathrin Michel räumte ein, dass es bisher kein positives Signal vom Koalitionspartner CDU gebe. "Man soll die Hoffnung nicht aufgeben, natürlich sind wir da weiter dran", sagte Michel, die für die SPD im Bundestag sitzt. Ein Signal für die "Ärmsten der Armen" sei wichtig. "Es ist nicht viel Geld, was sie bekommen, es ist aber ein Zeichen der Wertschätzung." Die Verdoppelung der Summe wäre ein "sehr menschliches Zeichen".

Mehr als 20.000 Rentner in Sachsen betroffen

Hintergrund ist vor allem ein jahrzehntelanger Streit über bestimmte Rentenansprüche aus DDR-Zeiten, die 1991 nicht ins bundesdeutsche System übernommen wurden. Betroffen sind zum Beispiel Zusatzrenten für ehemalige Beschäftigte von Reichsbahn oder Post sowie Ansprüche von zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen.

Zum Empfängerkreis der Zahlungen aus dem Fonds erklärte das Bundessozialministerium: "Die Stiftung richtet sich an Personen, die einen erheblichen Teil ihrer Erwerbsbiografie in der ehemaligen DDR beziehungsweise im ausländischen Herkunftsgebiet zurückgelegt haben und deren Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Nähe der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen." Sie könnten "zur Abmilderung ihrer empfundenen Härten und zur selbstbestimmten Verwendung" die Einmalzahlung bekommen.

Für Kritik hatte gesorgt, dass nur jene Rentner die Zahlung erhalten sollen, die eine Grundsicherung beziehen. "Gerade in Ostdeutschland gibt es viele Betroffene - Menschen wie ehemalige Bergarbeiter, Reichsbahner oder auch in der DDR geschiedene Frauen", hatte Michel schon in der Vorwoche klargestellt.

Schätzungen zufolge sind in ganz Deutschland etwa 200.000 Rentner betroffen, in Sachsen mehr als 20.000. Demnach würden dem Freistaat bei einer Beteiligung an dem Fonds einmalig Kosten von 50 bis 60 Millionen Euro entstehen. Nach den Worten von SPD-Fraktionschef Dirk Panter will die Koalition aus CDU, Grünen und SPD noch einmal über das Thema sprechen.

Linke: "Der geplante Härtefallfonds reicht keinesfalls"

"Es ist bedauerlich, dass in den zurückliegenden 32 Jahren keine Einigung erzielt werden konnte. Jetzt gibt es zumindest einen Ansatz. Wir werden das in der Koalition besprechen", sagte Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert. Die Leipziger Grünenabgeordnete Paula Piechotta, die an den Haushaltsverhandlungen im Bundestag beteiligt war, sagte Sächsische.de: "Sachsen sollte wie alle anderen Bundesländer auch beitreten, das gebietet der Respekt vor den Betroffenen." Nötig sei ein zweistelliger Millionenbetrag.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sprach von einem politischen Kompromiss "auf kleinstem gemeinsamen Nenner" und unterschiedlichen Interessen in Bund und Ländern. Sie plädierte ebenfalls für eine Aufstockung der Mittel: "Dem Freistaat Sachsen würde dies auch gut zu Gesicht stehen." Der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Fischer, teilte mit, man werde sich mit den Vorschlägen von Minister Heil befassen, sehe das Vorhaben allerdings skeptisch.

Kritik kam von den Linken: "Der geplante Härtefallfonds reicht keinesfalls, um die vielen Menschen zu entschädigen, die das Nachwende-Unrecht um einen erklecklichen Teil ihrer legitimen Rentenansprüche gebracht hat", betonte Parteichefin Susanne Schaper. Viele Betroffene seien bereits gestorben.

"Der Fonds soll das jahrzehntelange Versagen der Regierenden verschleiern, die nichts gegen die Ungerechtigkeiten unternommen haben." Man werde beantragen, dass Sachsen der Stiftung beitrete und noch in diesem Jahr genug Geld im Landeshaushalt einplane, um die kärglichen Einmalzahlungen aufzustocken.

Schaper zufolge bleibt es problematisch, dass nur ein sehr kleiner Teil der Betroffenen überhaupt diese Zahlung erhalten soll. "Wer eine Rente oberhalb der Grundsicherung bezieht, ist um viel Geld gebracht worden, weil nicht alle Versorgungssysteme und begünstigenden Rentenregelungen aus der DDR übergeleitet worden sind. In der DDR geschiedene Frauen leben bis heute teils in extremer Altersarmut."

Die Gründung der Stiftung soll Anfang 2023 abgeschlossen sein. Dann könne das Antragsverfahren beginnen, teilte das Ministerium weiter mit. Die Anträge seien bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu stellen. Wann das Geld ausgezahlt werde, müsse "aktuell noch abgewartet werden". (dpa/SZ/ale)