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Der Beutekunst auf der Spur

Die Görlitzer Sammlungen wollen wissen, ob sich einst jüdischer Besitz in ihren Museen befindet.

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© Pawel Sosnowski

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Katarzyna Zinnow betritt Neuland. Die promovierte Kunsthistorikerin hatte es bislang mit der Via Regia, mit Führungen durch die Altstadt und Mariendarstellungen zu tun, auch hielt sie gelegentlich die Rede für eine moderne Kunstausstellung oder arbeitete beispielsweise bei der Textilkunst-Schau zwischen Essen und Görlitz vor ein paar Jahren mit. Doch jetzt soll sie sich in eine Zeit vertiefen, die genau dazwischen liegt: Mit den Jahren 1933 bis 1945. Im Auftrag der Görlitzer Sammlungen sollen alle Neuerwerbungen aus diesen Jahren auf ihre Herkunft und Rechtmäßigkeit geprüft werden. Frau Zinnow wird Inventarbücher und Akten des Museums durchforsten und möglicherweise auch in polnischen Archiven nach Spuren suchen, wo sich Akten aus deutscher Zeit bis heute erhalten haben.

Das Görlitzer Stadtmuseum geht damit einen weiteren Schritt bei der Erforschung seiner Bestände. Bereits seit den 1990er Jahren wissen die Görlitzer Sammlungen, dass Objekte in ihren Beständen während der Zeit des Nationalsozialismus zum Teil unter unrechtmäßigen Umständen erworben wurden. Sie stammten aus jüdischen Privatsammlungen, deren Eigentümer von den Nationalsozialisten enteignet, aus dem Land getrieben oder umgebracht worden waren. Einzelne Kunstwerke, wie zwei Gemälde von Lovis Corinth und Max Slevogt, wurden vor einigen Jahren bereits unter der Museumsleiterin Annerose Klammt an die Nachfahren jener Sammler, denen sie einst gehörten, zurückgegeben.

Bekannt ist, dass der seinerzeitige Görlitzer Museumsdirektor Siegfried Asche über das Schlesische Museum in Breslau Kunstwerke aus ehemals jüdischem Besitz für das Görlitzer Museum erbeten und auch erhalten hatte. In kunstgeschichtlichen Zeitschriften jener Jahre stellte Asche diese „Neuerwerbungen“ auch der deutschen Öffentlichkeit vor. Darunter waren die Arbeiten von Corinth und Slevogt, aber auch Plastiken von Georg Kolbe. Asche leitete das Görlitzer Museum bis 1951, war aber in den letzten Kriegsjahren als Direktor des Prager Kunstgewerbemuseums eingesetzt. Seine Rolle dort ist genauso unklar wie schillernd. Nach Erkenntnissen des Görlitzer Kunsthistorikers Kai Wenzel ist es Asche andererseits zu verdanken, dass er bei der Beschlagnahmung von „entarteter Kunst“ durch die Nazis Werke von Johannes Wüsten oder Fritz Neumann-Hegenberg verschwieg, die so vor dem Verlust bewahrt werden konnten.

Nun haben die Görlitzer Sammlungen ein Forschungsprojekt begonnen, um systematisch sämtliche Neuerwerbungen aus den Jahren 1933 bis 1945 auf ihre Herkunft und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. „Damit folgt die Stadt Görlitz der Washingtoner Erklärung“, erklärt Museumssprecherin Kerstin Gosewisch, „mit der sich 44 Staaten verpflichtet haben, nach Kulturgut zu suchen, das während der Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig erworben wurde.“ In Deutschland haben sich die Bundesregierung, die Landesregierungen sowie die kommunalen Spitzenverbände daraufhin verständigt, entsprechende Forschungen in Museen, Bibliotheken und Archiven durchzuführen.

In den Görlitzer Sammlungen werden diese Forschungen nunmehr möglich dank der finanziellen Unterstützung der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste und der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen. Die Ergebnisse werden zukünftig in der Datenbank www.lostart.de veröffentlicht, in der Kriegsverluste und NS-Raubgut dokumentiert sind.