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Als Mahnmal noch immer sichtbar - Vor 25 Jahren strandete die "Pallas"

Es ist eines der schwersten Schiffsunglücke der jüngeren Geschichte an der deutschen Küste. Vor 25 Jahren strandete die "Pallas" vor Amrum - nachdem sie tagelang brennend und führerlos über das Meer trieb. Die Havarie ist ein Einschnitt für das Unfallmanagement auf See.

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Das Wrack des Frachters "Pallas" liegt vor der Insel Amrum. Das Schiff war vor 25 Jahren vor der dänischen Küste in Brand geraten und wenige Tage später vor der schleswig-holsteinischen Nordseeinsel  gestrandet.
Das Wrack des Frachters "Pallas" liegt vor der Insel Amrum. Das Schiff war vor 25 Jahren vor der dänischen Küste in Brand geraten und wenige Tage später vor der schleswig-holsteinischen Nordseeinsel gestrandet. © Christoph Schieder/dpa

Amrum. Bei klarer Sicht ist das Wrack immer noch zu sehen: Wie ein Mahnmal liegt das Gerippe des italienischen Holzfrachters "Pallas" nur wenige Kilometer vor der Südspitze Amrums im sechs Meter tiefen Wasser. Vor 25 Jahren strandete das Schiff hier bei stürmischer See auf einer Sandbank. Dabei verursachte es eine der bis dahin größten Ölverschmutzungen im Nationalpark Wattenmeer. Der Schiffskoch starb an einem Herzinfarkt, fünf Crewmitglieder wurden verletzt.

Die "Pallas" war auf dem Weg von Schweden nach Marokko, als die Holzladung am 25. Oktober 1998 vor der dänischen Nordseeküste in Brand geriet. Im rund 600 Seiten starken Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, den der schleswig-holsteinische Landtag zu dem Unglück eingesetzt hat, wird der Havarieverlauf dokumentiert: Um 14.30 Uhr, etwa 60 Seemeilen von Esbjerg, steigt aus zwei Luken Rauch auf. Die Laderäume werden verschlossen und mit CO2 geflutet. Die Maßnahmen waren nicht erfolgreich. Um 23.54 Uhr kann die Besatzung den Brand nicht mehr mit Bordmitteln unter Kontrolle bringen und sendet "Mayday". Sechs Minuten später bricht auf der "Pallas" offenes Feuer aus den Luken und ergreift die Decksladung.

Der Besatzung gelang es nicht, das Feuer zu löschen. Sie wurde in den frühen Morgenstunden des 26. Oktober von deutschen und dänischen Rettungshubschraubern gerettet. Am 26. Oktober trieb die "Pallas" führerlos in deutsche Gewässer.

Verzweifelter Kampf gegen das Feuer

Mehrere Versuche, die brennende "Pallas" von Amrum wegzuschleppen, scheitern. Unter Deck tobt ein bis zu 1.000 Grad heißes Feuer, das Schiff stampft und schlingert durch bis zu acht Meter hohe Wellen. Dennoch versuchen immer wieder Seeleute, Schleppleinen zu befestigen. Sie reißen alle. Auch der mühsam von Hand gelöste Notanker hält nicht. "Es war ein dramatischer Vorgang", sagt Hans von Wecheln vom Nautischen Verein Nordfriesland der Deutschen Presse-Agentur dpa.

"Wir haben die "Odyssee" der MS "Pallas" in dänischen Gewässern aus Schleswig-Holstein verfolgt", sagt der damalige Einsatzleiter für die Ölschadensbekämpfung und jetzige Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, Meeres- und Küstenschutz im schleswig-holsteinischen Umweltministerium, Johannes Oelerich, der dpa. Nachdem der Havarist bei schwerer See, Sturm aus Nord-West und mehreren vergeblichen Versuchen von Hochseeschleppern, eine sichere Leinenverbindung herzustellen, in deutsche Hoheitsgewässer kam, "haben wir geahnt, was da auf uns zukommt. Als der letzte Hochseeschlepper die Leinen zum Havaristen kappen musste, wurde schlagartig klar: Jetzt sind wir in Schleswig-Holstein gefordert!". Es sei ein Gefühl zwischen "das kann nicht wahr sein" und nüchterner Vorbereitung auf die Bekämpfung von Schadstoffen gewesen.

Vogelsterben durch Ölverschmutzungen

Am Morgen des 29. Oktober 1998 ist die Irrfahrt vorbei - der Frachter strandet vor Amrum. Bis das Feuer endgültig gelöscht ist, vergehen noch mehrere Wochen. Rund 220 Tonnen Öl laufen aus. Am 8. November werden erste Ölverschmutzungen auf den Inseln Amrum und Föhr gemeldet. Etwa 16.000 Vögel verendeten.

Die "Pallas" wurde zu einer Art Symbol für die Forderung nach einem besseren und koordinierteren Schutz der Küste bei Schiffskatastrophen. Die "Pallas"-Havarie sei das größte Schiffsunglück in der jüngeren deutschen Geschichte gewesen, "eine Zäsur für das Unfallmanagement in unseren Meeren", sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt der dpa. "Sie hat schonungslos offengelegt, wie verwundbar wir Menschen, unsere Meere und unsere Natur bei Schiffsunglücken sein können." Der Grünen-Politiker findet, "25 Jahre später können wir sagen: Bund und Länder haben die richtigen Lehren gezogen." Unter anderem wurde 2003 das Havariekommando in Cuxhaven gegründet, das bei großen Schiffsunglücken die Bergungseinsätze koordiniert.

Seit seiner Gründung vor 20 Jahren bewältigte das Havariekommando nach eigenen Angaben 91 sogenannte "komplexe Schadenslagen", manche sind innerhalb von ein paar Stunden gelöst, andere dauern Wochen. Erst diesen Sommer war das Havariekommando wieder alarmiert: Der Autofrachter "Fremantle Highway" brannte zwar vor der niederländischen Küste. Wenn dort Betriebsstoffe oder Öl ausgetreten wären, wären aber auch die deutschen Gewässer betroffen gewesen.

Blick auf das Wrack der "Pallas" vor Amrum.
Blick auf das Wrack der "Pallas" vor Amrum. © Carsten Rehder/dpa

Nach Ansicht der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN), die rund 200 Kommunen, Landkreise, Naturschutzverbände, Institute, Vereine und Einzelmitglieder vertritt, scheint die Zusammenarbeit bei Havarien im und am Wattenmeer sehr gut mit den vorhandenen Mitteln zu funktionieren. Dies habe die Havarie der "Fremantle Highway" vor der niederländischen Küste im Sommer gezeigt. Der deutsche Notschlepper "Nordic" sei zur Brandbekämpfung auf dem Autotransporter sehr kurzfristig und schnell vor Ort gewesen, teilte SDN-Sprecher Peter Andryszak mit.

Der Brand der "Fremantle Highway" habe das Bewusstsein für den Einsatz auf See gestärkt, teilte das Havariekommando mit. "Die Aufgabe ist es jetzt, dranzubleiben", betonte Robby Renner, Leiter des Havariekommandos, vor wenigen Wochen anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Einrichtung. Denn die Herausforderungen im Bereich der maritimen Sicherheit entwickelten sich sehr schnell. "Wir müssen Schritt halten und uns zukunftssicher aufstellen." LNG-Terminals, Offshore-Windparks, immer mehr und immer größere Schiffe - die Bedingungen für den Ernstfall haben sich seit der Gründung geändert.

Gefahr von Unfällen auf See steigt

Die SDN kritisiert, dass der technische Gigantismus geprägt sei von einer Art Natur- und Kostenignoranz. "Denn alles, außer reine Betriebskosten für die Schiffe, wird von anderen "Kassen" beglichen, wie Steuerzahlern, Küstenbewohnern, Hafenbetreibern, Versicherungen und letztlich der Natur."

Die Situation habe sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert, sagt auch von Wecheln. "Die Nordsee ist derart industrialisiert, das konnten wir uns vor 25 Jahren noch gar nicht vorstellen." Damit steige auch die Gefahr von Unfällen auf See.

Unter anderem die SDN erneuerte daher 25 Jahre nach dem "Pallas"-Unglück die Forderung nach einer Nationalen Küstenwache, in der seegehende Kräfte von Bundespolizei, Zoll, Fischereiaufsicht und die Wasserschutzpolizeien der Länder zusammengefasst werden. Denn das Havariekommando sei zwar ein sehr hilfreiches Instrument in größeren Havarie-Lagen. Hinderlich sei aber, dass die Einrichtung sich, trotz nun 20 Jahren praktischer Erfahrung, eigentlich nicht präventiv einsetzen darf, sagt Andryszak. (dpa)