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Ermittler suchen nach Ursache für Frachter-Unfall vor Helgoland

Viele Fragen sind nach dem Zusammenstoß der zwei Frachter auf der Nordsee offen: Wie konnte es überhaupt zu dem Unfall kommen und wer trägt die Verantwortung? Gleich zwei Behörden untersuchen den Fall.

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Das Frachtschiff "Polesie" liegt im Hafen von Cuxhaven. Nach dem Unglück in der Deutschen Bucht laufen die Ermittlungen weiter.
Das Frachtschiff "Polesie" liegt im Hafen von Cuxhaven. Nach dem Unglück in der Deutschen Bucht laufen die Ermittlungen weiter. © Sina Schuldt/dpa

Helgoland/Langeoog. Nach der Frachter-Kollision auf der Nordsee rücken nun die Ermittlungen zur Unfallursache in den Fokus. Sowohl die deutsche Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg als auch die Staatsanwaltschaft Hamburg nahmen Untersuchungen auf. "Unser Fokus liegt darauf, die Unfallursache zu klären unter Einbeziehung sämtlicher Faktoren", sagte BSU-Direktor Ulf Kaspera. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einem weiteren Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Schiffsverkehrs. Rettungskräfte gehen davon aus, dass fünf Menschen starben.

Noch immer ist nicht klar, warum es Dienstagmorgen zu dem Zusammenstoß in der Deutschen Bucht kam. Bekannt ist, dass das kleinere Küstenmotorschiff "Verity" beladen mit Stahlblechen auf dem Weg von Bremen nach Immingham in Großbritannien war. Der mit 190 Metern Länge größere Frachter "Polesie" wollte von Hamburg nach La Coruña in Spanien - bis die beiden rund 22 Kilometer südwestlich von Helgoland zusammenstießen. Die "Verity" sank daraufhin schnell.

Die deutschen Experten der BSU arbeiten mit Ermittlungsbehörden der Flaggenstaaten der beiden Schiffe, Bahamas und Großbritannien, zusammen. Sie wollen nun etwa Verkehrs- und Kommunikationsdaten sichern und auswerten sowie die Schiffsbesatzungen befragen.

© dpa Grafik

An der Unglücksstelle läuft unterdessen der Einsatz weiter. Das Havariekommando übertrug die Einsatzleitung dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee. Offen ist noch, wie es mit dem Wrack weitergeht. Am Mittwoch wurde eine kleinere Menge ausgetretener Dieseltreibstoff an der Wasseroberfläche registriert.

Zuvor hatten die Rettungskräfte die Suche nach vier vermissten Seeleuten eingestellt. Für die Vermissten gebe es keine Hoffnung mehr, hatte das Havariekommando mitgeteilt. Die Einsatzkräfte gehen daher davon aus, dass insgesamt fünf Seeleute bei dem Unglück ums Leben kamen. Zwei Besatzungsmitglieder konnten kurz nach der Kollision aus dem Wasser gerettet werden. Ein Seemann war kurz nach dem Zusammenstoß tot geborgen worden.

Unfallstelle liegt in Seegebiet, das stark befahren ist

Analysieren wollen die Ermittler auch die Verkehrssituation. Denn der Unfall ereignete sich an einer Stelle, an der sich Schifffahrtsrouten kreuzen. "Wir gucken natürlich nach, welche Vorfahrtsregeln gelten da, haben sich die Schiffe gegebenenfalls anders abgesprochen", sagte Kaspera. Noch könnten dazu keine Angaben gemacht werden. Vor der deutschen Küste verlaufen zwei international wichtige Schifffahrtsrouten - also Autobahnen für den Schiffsverkehr. Das Seegebiet gilt daher als eines der meistbefahrenen Reviere weltweit.

Die Frachtschiffe "Polesie" (unten) und "Verity" sind am frühen Dienstagmorgen in der Nordsee kollidiert. Das Havariekommando ging davon aus, dass die deutlich kleinere "Verity" anschließend sank.
Die Frachtschiffe "Polesie" (unten) und "Verity" sind am frühen Dienstagmorgen in der Nordsee kollidiert. Das Havariekommando ging davon aus, dass die deutlich kleinere "Verity" anschließend sank. © Dietmar Hasenpusch/Dietmar Hasenpusch Photo-Productions/dpa (2)

Konkret handelt es sich um das sogenannte Verkehrstrennungsgebiet Terschelling-German Bight (Deutsche Bucht) vor den Ostfriesischen Inseln sowie das weiter nördlich liegende Verkehrstrennungsgebiet German Bight Western Approach (Deutsche Bucht West-Ansteuerung). Querend zu diesen beiden Verkehrstrennungsgebieten verläuft der Schiffsverkehr zu den deutschen Flussrevieren Ems, Jade/Weser und Elbe sowie zu den Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee.

Schiffstechnik soll solche Unglücke verhindern

International verbindliche Technikstandards an Bord von Schiffen sollen tragische Schiffsunglücke eigentlich verhindern. "Insbesondere Geräte wie der Automatic Radar Plotting Aid (ARPA) und das Automatic Identification System (AIS) unterstützen die Brückenbesatzung und haben die Kollisionsrisiken seit Einführung als Standard deutlich gemindert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, Martin Kröger, der Deutschen Presse-Agentur. Generell sind Totalverluste von Schiffen nach einer Kollision selten, wie der Industrieversicherer der Allianz berichtet.

Offen ist noch, wie es mit dem Wrack auf der Nordsee weitergeht. "Es ist nicht auseinandergebrochen", sagte Renner vom Havariekommando. Aber es gebe eine Schadstelle. Bislang seien rund 90 Liter Dieseltreibstoff an die Wasseroberfläche gekommen, trieben aber weder in Richtung Helgoland noch in Richtung Küste. Die "Verity" hat den Angaben zufolge rund 127 Kubikmeter Diesel geladen.

Das Havariekommando arbeitet an einer sogenannten Bergungsverfügung für das Wrack der "Verity". "Das heißt, die Behörden weisen den Eigner, den Besitzer, an, für Abhilfe zu sorgen", sagte Renner. Die Verfügung habe das Ziel, den Austritt von Treibstoff zu stoppen oder das Schiff zu bergen. (dpa)