Die Hammermühle im Altenberger Ortsteil Bärenklau sieht von der Straße genauso verloren aus wie von hinten, wo die Müglitztalbahn vorbeifährt. Dort blicken die Bahnfahrer auf die abgebrochene Hausecke, die noch genauso aussieht, wie im August 2002, als die Flut die Mauern weggerissen hat. Es ist wahrscheinlich das letzte Gebäude weit und breit, in dem so ein Flutschaden noch unverändert erhalten ist. Und von der Straße aus sieht man seit fast drei Jahren die verkohlten Überreste eines Schuppens, ein ausgebranntes Autowrack, verkohlte Balken. Im Juli 2020 ist hier ein Teil des Gebäudes abgebrannt.
Innen machen die Gebäude keinen schlechten Eindruck
So stellt man sich einen klassischen „Lost Place“, einen verlorenen Ort vor. Doch es gibt jemanden, der die Mühle wiedergefunden hat. Der Steinbruchunternehmer Hendrik Schwarz ist der neue Eigentümer. Seit Mai vergangenes Jahr steht er mit seiner Firma im Grundbuch, nachdem das Gebäude vorher herrenlos und dann an den Freistaat Sachsen gefallen war. Er schloss für Sächsische.de das Tor auf und ging durch das Anwesen. Offen sagt er: „Die Geschichte der Mühle interessiert mich eigentlich wenig. Ich will hier Gleise bauen für eine Bahnverladung, um Erz und Steine abzutransportieren.“
Innen stehen noch Getreidesilos, so als ob sie vor wenigen Wochen erst aufgegeben worden wären. Unter einem liegen noch Spelzen, daneben stehen runde Kartonverpackungen mit einer fettigen Masse. Auf der Rapido-Waage daneben bewegt sich sogar noch der Zeiger, wenn man draufsteigt. Insgesamt machen die Gebäude innen einen wesentlich besseren Eindruck als außen. Das Dach ist noch dicht, bis auf ein, zwei Stellen. In einer Halle steht noch ein altes Faschingsgefährt, das wohl hier gebastelt worden ist.
Pappenproduktion in der ersten Fabrik in Bärenstein
Der Bärensteiner Ortschronist Helmut Richter kennt die Geschichte der Hammermühle genau und nicht nur aus Büchern, sondern aus eigenem Erleben. „Ich bin dort aufgewachsen“, sagt der 88-Jährige. Seine Eltern und Großeltern haben dort gearbeitet, als das Gebäude noch eine Pappenfabrik war. Hier hat 1867 die Firma Trump & Co. an Stelle der alten Mühle eine Pappenfabrik gebaut, die mit Dampf- und Wasserkraft arbeitete. Das war die erste Fabrik in Bärenstein.
Die Turbine, die neben dem Mühlgraben liegt, zeugt wahrscheinlich noch von dieser Zeit. Eine zweite Turbine soll sogar noch in der Tiefe des Grabens zu finden sein, hat Schwarz erfahren. Gesehen hat er sie noch nicht.
Rundfunk-Werkstatt stellte Detektor-Radios her
Die Pappenfabrik hat dann bis 1927 gearbeitet, als das große Müglitzhochwasser kam, das im Ort mehrere Tote gefordert hat. Damals ist der Fluss auch durch die Gebäude geströmt und hat die gesamte Technik zerstört. Nach diesem Wasserschaden ist das Pappenwerk nicht wieder in Betrieb gegangen.
1942 kaufte Hans Schieren die stillgelegte Fabrik und richtete dort seine Produktion von Antennen und Radiogeräten ein. Kennern der Rundfunkgeschichte ist sein Name heute noch ein Begriff. In Onlinemuseen finden sich beispielsweise ein Detektorradio der Firma Schieren Bärenstein oder eine Antenne dieser Firma.
Kriegsgefangene mussten Flutschäden beseitigen
In der Hammermühle waren während des Zweiten Weltkriegs auch britische Kriegsgefangene untergebracht. „Die mussten erst das Gebäude ausräumen. Da war ja noch die zerstörte Technik zur Pappenherstellung drin. Ich erinnere mich noch an die große Walze, auf der die Pappe aufgewickelt wurde“, erzählt Richter.
Dann haben drei Firmen in den Gebäuden gearbeitet, erinnert sich Richter. Neben der Rundfunkproduktion von Schieren war dort noch eine Zweigstelle von Daimler, die für die Wehrmacht Fahrzeuge repariert hat, und ein Betrieb, der auf großen Webstühlen synthetische Stoffe hergestellt hat. Mit Kriegsende hörte auch diese Produktion auf und Hans Schieren ist 1947 über Berlin in die westlichen Besatzungszonen gegangen. Er hatte dann noch Betriebe in Hamburg, Düsseldorf und Berlin.
Der Freistaat Sachsen hat die herrenlose Fabrik geerbt
Zu DDR-Zeiten hat die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe in der Fabrik ein Getreidelager eingerichtet. Wann dieses seinen Betrieb eingestellt hat, weiß Richter auch nicht mehr. Er erinnerte sich aber noch, dass in den 1960er-Jahren der Fabrikschornstein gesprengt wurde.
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Nach der Wende ging das Grundstück zurück an seinen Alteigentümer. Doch nach dessen Tod wollten seine Nachkommen, von denen welche in Australien leben, das Erbe nicht haben. Die Ruine im Müglitztal hätte ihnen ja erstmal nur Kosten gebracht. Schon der Unterhalt hätte Geld gefordert, ein Abriss erst recht. So wurde die Immobilie herrenlos und fiel 2005 an den Freistaat Sachsen.
Ein guter Platz, um eine Bahnstation für Erz zu bauen
Von ihm hat nun Hendrik Schwarz die Hammermühle erworben. Rund zwei Kilometer entfernt im Bielatal liegt sein Steinbruch. Dort stellt er sich eine Erzaufbereitung für die geplante Lithiumförderung in Zinnwald vor, deren Produkte dann auf dem Gelände der Hammermühle auf die Bahn verladen werden. Deswegen hat er das Grundstück gekauft, das nach einer bewegten Industriegeschichte eigentlich keine Zukunft mehr zu haben schien.
Der Zustand des Gebäudes stört Schwarz wenig. Seine Pläne zielen auf einen Abriss. Er will dort Platz schaffen für seine Ladegleise. „Die würden hier mitten durchgehen nach meiner aktuellen Planung“, sagt er. So hat dieses verlorene Anwesen wieder einen neuen Eigentümer und bekommt vielleicht auch eine neue Zweckbestimmung als Verladestation.