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Döbelner Unternehmer kann nicht zusehen, dass ein Geschäft in Insolvenz geht

Bauunternehmer Sven Weißflog hat das Gourmandise im Ritterstraßen-Kiez gerettet. Was ihn antreibt und welche Pläne der Döbelner hat.

Von Cathrin Reichelt
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Sven Weißflog ist der neue Inhaber des Gourmandise in der Döbelner Ritterstraße. Dort werden die Kunden von Noa Stojanovic und Andreas Sadler bedient (von rechts).
Sven Weißflog ist der neue Inhaber des Gourmandise in der Döbelner Ritterstraße. Dort werden die Kunden von Noa Stojanovic und Andreas Sadler bedient (von rechts). © SZ/DIetmar Thomas

Döbeln. Sie wollte nur im stressigen Weihnachtsgeschäft aushelfen und danach vielleicht ab und zu als Mini-Jobberin einspringen. Aber jetzt bedient Noa Stojanoviæ täglich die Kunden im Gourmandise an der Ritterstraße.

Ansonsten gebe es den kleinen Laden mit französischem Angebot und gemütlicher Essecke nicht mehr. Er war nicht mehr wirtschaftlich.

Eine Schließung musste unbedingt verhindert werden. Mit Sven Weißflog gibt es bereits seit reichlich drei Jahren einen neuen Inhaber. Die Geschäftsführung blieb in bewährten Händen.

Weißflog unterstützte organisatorisch und finanziell. Doch die nötigen Veränderungen, um das Geschäft wieder auf tragbare Füße zu stellen, seien nicht erfolgt. Deshalb sei letztendlich ein größerer Schnitt nötig gewesen.

Mit dem Engagement für das Gourmandise rettet der Döbelner Bau- und Immobilienunternehmer innerhalb weniger Monate bereits das zweite Geschäft im Ritterstraßen-Kiez.

Im Februar 2023 hatten die Inhaber von „Nähweißchen und Fadenrot“ Insolvenz angemeldet. Auch dort sprang Weißflog ein und das Geschäft ist seit Juni vergangenen Jahres wieder geöffnet.

Viele Läden schon platt gemacht

Zur Begründung, weshalb der Mann, der auch noch das KL 17 und ein Hostel betreibt, plötzlich zum Einzelhändler wird, blickt er weit zurück: „Helmut Kohl hat einmal gesagt: Traut Euch doch was.“

Unter diesem Aspekt gesehen, sei klar gewesen, dass die niederliegende Volkswirtschaft und der Immobilienbereich nach der Wende auf ein anderes Niveau gehoben werden musste. Und wer sich etwas traut, könnte belohnt werden.

„Aber das Leben ist komplex und nicht schwarz-weiß“, so Weißflog. „Wer hätte gedacht, dass hier so viele Supermärkte entstehen? Es sind doppelt so viele, wie Kaufkraft da ist“, meint der Unternehmer.

Selbst die großen Märkte hätten begonnen, ihr Sortiment anzupassen. Hinzu komme, dass die blühenden Landschaften nicht so entstanden sind, wie sie vorausgesagt wurden. Viele Läden mit schönen Räumen, Konzepten und Produkten seien platt gemacht worden.

Eine Perle im Ritterstraßen-Kiez

„Das Gourmandise ist eine Perle“, sagt Sven Weißflog. Zu diesen Perlen zählt er in der Ritterstraße auch den Bio-, Buch-, Spielwaren- und Antiquitätenladen sowie „Nähweißchen und Fadenrot“.

„Nähweißchen und Fadenrot“ war der erste Laden an der Ritterstraße, den Sven Weißflog übernommen und damit vor der Insolvenz gerettet hat.
„Nähweißchen und Fadenrot“ war der erste Laden an der Ritterstraße, den Sven Weißflog übernommen und damit vor der Insolvenz gerettet hat. © Foto: Lutz Weidler

Alle hätten etwas Besonderes, das bei den Menschen nicht die große Rolle spielt. „Die Geschäfte fallen erst auf, wenn sie nicht mehr da sind“, meint Weißflog.

Schon so mancher andere Laden in Döbeln habe sein Alleinstellungsmerkmal eingebüßt, weil am Rande der Stadt ein Markt ein ähnliches Sortiment anbietet. Als Beispiel nennt er die sogenannte weiße Ware, wie Waschmaschinen und Kühlschränke.

Neben speziellen Produkten seien eine gute Beratung und ein hohes Maß an Vertrauen und Regionalität Voraussetzung für ein funktionierendes Geschäft.

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„Das sollte im Bewusstsein der Menschen eine Rolle spielen“, sagt der Unternehmer. „Wir sollten auch wieder Liefergemeinschaften bilden.“

Das Gourmandise ergänze das Angebot im Ritterstraßen-Kiez. „Mit dem wollen wir ein Gefühl von Heimat vermitteln“, so Weißflog. Es gebe viele Kunden, die das französische Angebot zu schätzen wüssten. Trotzdem seien Veränderungen notwendig. Und die Ersten sind bereits erfolgt.

Die Kasse ist von der einen auf die andere Seite „gewandert“, wodurch eine geschlossene Theke auf der einen Seite entstanden ist. Auf der anderen Seite des Geschäfts wird ein Teil des Sortiments präsentiert. Auch das wird verändert.

Mehr Feinkost im Angebot

An den Deko-Artikeln hängen Reduziert-Schildchen. Dekoration soll künftig weniger angeboten werden, dafür mehr Feinkost. „Neu im Sortiment sind zum Beispiel hochwertige Trüffel“, sagt Noa Stojanoviæ.

Im Gourmandise können Kunden nicht nur verschiedene Produkte kaufen, sondern auch frühstücken und Mittag essen. Frühstück gibt’s überwiegend auf Bestellung, von mild bis deftig und in verschiedenen Größen. Oft werde dazu auch die Sofaecke gebucht.

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Das Mittagsangebot umfasst täglich etwa sechs Gerichte und ist vor einem Monat hinzugekommen. Teilweise werde es im Gourmandise zubereitet, teilweise im KL 17.

„Als Dressing für die Salate nutzen wir unsere eigenen Produkte. So können die Kunden auch kosten“, erklärt Noa Stojanoviæ. Derzeit kann im Gourmandise gegessen oder die Speisen mitgenommen werden. Eine spätere Lieferung sei nicht ausgeschlossen.

Die Öffnungszeiten wurden ebenfalls etwas erweitert. Freitags sind die Kunden jetzt bis 18 Uhr willkommen. Angedacht sei, die Zeit weiter auszuweiten, damit Gäste auch abends bei einem Glas Wein zusammensitzen können. „Hier sind wir aber noch in der Planung“, so die junge Frau.

Regionales und Veranstaltungen

„Wir werden auch noch einmal umbauen. Das ist mir zu steif. Das muss ein bisschen kieziger werden“, sagt Sven Weißflog. Dazu gehört eine große Küche, für die er einen weiteren Koch einstellen würde. Vorausgesetzt, er bevorzugt das Handwerkliche und Besondere wie die Köche im KL 17.

„Bei uns wird noch viel selbst gemacht“, so Weißflog. In den Regalen sollen zunehmend mehr regionale Produkte liegen, wie Wildknacker, Räucherwaren oder Honig nach einer speziellen Verarbeitung.

Künftig soll es auch Veranstaltungen geben, zum Beispiel Lese- und Musikabende oder Ausstellungen von Künstlern. Bilder der Malerin Olga Scheck hängen bereits im hinteren Raum des Gourmandise.

„Ich kann nicht zusehen, dass ein Geschäft in Insolvenz geht. Ich stemme mich mit aller Kraft dagegen, solange wir es noch gestalten können“, meint Weißflog. Für ihn sei das Glas immer halb voll und nicht halb leer. Im Gourmandise steht ihm seine Frau Alexandra als Beraterin zur Seite. „Wir sind aber auch offen für Ideen von Kunden“, sagt er.

Der Beitrag wurde am 7. März um 13.53 Uhr ergänzt.