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Letzte Option Zwangsräumung

Über 50 Zwangsräumungen gab es im vergangenen Jahr in der Region Döbeln. Dabei muss es auch in Notlagen gar nicht erst soweit kommen, sagen Großvermieter.

Von Lea Heilmann
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Nach Zwangsräumungen bleibt der Hausrat oftmals zurück. Wie in Leisnig, wo er wochenlang an einer Straße stand.
Nach Zwangsräumungen bleibt der Hausrat oftmals zurück. Wie in Leisnig, wo er wochenlang an einer Straße stand. © Heike Heisig

Region Döbeln. Über Jahre hat ein Mieter seine Miete nicht bezahlt. Der Vertrag ist längst gekündigt. Doch der Mieter weigert sich, aus der Wohnung auszuziehen. "Nur mit den Füßen zuerst", soll er gesagt haben. Da ist das letzte Mittel, das der Vermieter anwenden kann, die Zwangsräumung.

Diesen Fall hat Ina Pugell, Geschäftsführerin der Waldheimer Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft (WBV), erst vor ein paar Wochen erlebt. Dabei kommen Zwangsräumungen bei der Wohnungsgesellschaft so gut wie nie vor. "Der Fall war der erste seit 20 Jahren", sagte Ina Pugell. Es seien die einzigen Mieter gewesen, die trotz hoher Schulden nicht ausgezogen seien.

Zahl der Räumungen in Döbeln relativ gleichgeblieben

Im vergangenen Jahr wurden durch das Amtsgericht Döbeln 59 Zwangsräumungen angeordnet. Das ergab eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke). Damit landet das Amtsgericht Döbeln sachsenweit auf Platz zehn der meisten Zwangsräumungen.

Im Jahr zuvor gab es 57 Zwangsräumungen rund um Döbeln. "Grundsätzlich haben sich die Zahlen in den letzten Jahren nicht signifikant verändert", sagte Wolfgang Dammer vom Amtsgericht Döbeln. Lediglich in dem Zuständigkeitsbereich einer Gerichtsvollzieherin seien diese während der Corona-Pandemie zurückgegangen, was nun wiederum dazu führe, dass die Zahlen etwas ansteigen.

Sachsenweit mussten 2021 2.525 Wohnungen geräumt werden, die meisten im Bereich des Amtsgerichts Leipzig. Die Räumungsaufträge sind in Sachsen um etwa 2,1 Prozent gestiegen. Im Amtsgericht Döbeln gingen 65 Räumungsaufträge ein.

Linke kritisiert Zwangsräumungen

Es gibt meist mehr Aufträge als durchgeführte Räumungen. "Es kommt vor, dass ein Auftrag zurückgenommen wird, weil der Schuldner in der Zwischenzeit ausgezogen ist und der Vermieter den Schlüssel zurückerhalten hat", nannte Dammer ein Beispiel. Gelegentlich käme es vor, dass das Sozialamt die Mietschulden übernimmt.

Die Landtagsfraktion der Linken kritisiert die Praxis von Zwangsräumungen und fordert ein Verbot. Der Hauptgrund für Zwangsräumungen sind Mietschulden. Durch die Steigerung der Energiepreise sehe die Fraktion eine wachsende Kündigungsgefahr.

Die WBV Waldheim versucht, Zwangsräumungen zu vermeiden. "Bei solchen Fällen gab es in den letzten Jahren eigentlich immer eine Einigung mit den Schuldnern, dass sie die Wohnung nicht blockieren", sagte Ina Pugell.

Bei dem aktuellen Fall hat der Gerichtsvollzieher das Schloss im Nachgang ausgebaut. Die Familie war vor Ort und hatte auch die Tür geöffnet. Ihr Hab und Gut können die Mieter in den nächsten vier Wochen abholen.

Genossenschaften bieten Beratungen an

Nehmen sie das nicht in Anspruch, kann der Vermieter die Sachen verwerten. Es würde auch die Möglichkeit bestehen, dass durch das Gericht die komplette Wohnung geräumt werden kann. Dann muss der Vermieter aber in Vorkasse gehen. "Wir haben so schon immer Mühe, die Schulden einzutreiben", erklärte Pugell den Verzicht darauf.

Damit es aber gar nicht erst so weit kommt, versuche die WBV mit ihren Mietern zu reden, wenn es zu Verzögerungen bei den Zahlungen kommt. Wer zwei Monatsmieten nicht bezahlt, kann fristlos gekündigt werden. "Aber wir haben manchmal Mieter, die Geld vom Jobcenter bekommen und das kann Monate dauern, bis das ankommt", sagte sie. Wenn die WBV jedoch Belege dafür hat, dass beispielsweise ein Antrag gestellt wurde, kündigen sie den Mietern nicht, sondern warten, bis das Amt das Geld überweist.

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Tino Hütter, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft "Fortschritt" in Döbeln, berichtete auch davon, dass sie in den letzten Jahren keine Zwangsräumungen hatten, momentan gäbe es aber einen Fall. "Das ist die Ausnahme, dass es so weit kommt", sagte er und ergänzte: "Wir haben immer Interesse, Wohnraum anzubieten".

Wenn sich Mieter melden und mitteilen, dass sie die Miete nicht zahlen können, bietet die Genossenschaft Beratungen an oder vermittelt an die Schuldnerberatung der Diakonie. "So versuchen wir Lösungen herbeizuführen und das klappt auch meistens", sagte er weiter. Für 2021 lag die Mietschuldenquote bei der Genossenschaft bei 0,2 Prozent. Hütter schätzte, dass sich auch für 2022 die Zahl dort einpendeln wird.

Mietschulden sind nicht mehr geworden

Jörg Keim, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt, sagte, dass in Hartha weniger als eine Wohnung im Jahr zwangsgeräumt werden muss. Generell würden ihm nur zwei Fälle einfallen. Auch die Kontakt versucht, wie die anderen Vermieter, Schuldner zu unterstützen. In Hartha gibt es zwei Sozialarbeiter, die als Ansprechpersonen dienen.

Oftmals werde zuerst geklärt, warum die Person überhaupt verschuldet ist. "Hat er es vergessen, die Bankverbindung verlegt oder sind die finanziellen Verpflichtungen zu hoch?", zählte Keim auf. Auch Ratenzahlungen sind bei der Genossenschaft möglich. Die wenigen Zwangsräumungen seien ein Zeichen dafür, dass die Unterstützung funktioniere.

Auch die TAG Immobilien AG suche zuerst das Gespräch mit den Mietern. "Wir bieten auch Hilfe und Ratenzahlungen an", sagte Grit Zobel, Teamleiterin Marketing und PR. Die TAG pflege auch regelmäßige Kontakte zu Sozialträgern und den Ämtern vor Ort.

Dass Mietschulden in den letzten Jahren gehäuft auftreten, kann keiner bestätigen. Ina Pugell fällt jedoch auf, dass die Leute viel mehr Unterstützung brauchen, wenn es um das Antragstellen geht. "Wir haben mit der Stadtverwaltung Waldheim einen guten Partner, da gibt es Sozialarbeiter, die helfen. Damit kriegt man relativ viel eingefangen", sagte sie.

Gerade bei jungen Leuten hätte sie vermehrt das Gefühl, dass diese "nicht mit ihrem Leben zurechtkommen". Damit meinte sie, dass sie vergessen, die Miete zu zahlen oder es zwar auf dem Schirm haben, aber das dafür vorgesehene Geld dann doch anders ausgeben. "Manche knabbern auch am letzten Strohhalm, aber beantragen die Leistungen nicht, die ihnen zustehen, weil die den Papierkram nicht in den Griff kriegen", sagte sie weiter.