Neonazis feiern in Döbeln - die Polizei ermittelt jetzt auch gegen die Zeugin

Döbeln. Eine Spaziergängerin hat am Freitag im Döbelner Ortsteil Gärtitz an der Straße Zum Steinbruch mehrere Neonazis bei einer Gartenparty angetroffen. Auf einem bei Twitter geteilten Video der Zeugin ist in einem Pavillon deutlich eine Hakenkreuz-Flagge und eine Fahne mit Reichsadler zu sehen.
Die Frau meldete den Vorfall der Polizei. Nach dem ersten Hinweis auf die Zusammenkunft in dem Kleingarten und die Fahnen gegen 18 Uhr hätten sich Einsatzkräfte unmittelbar zum Ort des Geschehens begeben, so Andrzej Rydzik, stellvertretender Pressesprecher der Polizeidirektion Chemnitz.
"Die zur Rede stehenden Fahnen konnten jedoch nicht festgestellt werden. Nach einem neuerlichen Zeugenhinweis gegen 23 Uhr haben Polizisten nochmals unmittelbar vor Ort die Sachlage geprüft. Auch diesmal waren keine Fahnen festzustellen."
Laut Informationen der Bild-Zeitung trafen die Beamten etwa 15 Männer vor Ort an, deren Personalien aufgenommen wurden. Nach wie vor würden die Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen laufen, so Rydzik.
Allerdings ermittelt die Polizei jetzt auch gegen die junge Frau selbst. Am Sonnabend sei der Grundstückseigentümer des Gartens im Polizeirevier Döbeln erschienen und habe den Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und Verleumdung angezeigt, so Andrzej Rydzik.
"Alle genannten Tatbestände sind Antragsdelikte, die dementsprechend auch verpflichtende Ermittlungen nach sich ziehen. In der Hauptsache geht es dem Anzeigeerstatter um das Betreten und Filmen auf dem Grundstück sowie die Weiterverbreitung des Videos über Social Media." Die Frau hatte die Personen auf den Bildern nicht unkenntlich gemacht.
"Danke für mutiges Einschreiten"
"Ich bedanke mich bei der mutigen Bürgerin für ihre Zivilcourage und bei der Polizei für den besonnenen Einsatz", reagierte Henning Homann, SPD-Landtagsabgeordneter für die Region Döbeln, kurz nach Bekanntwerden dieses Einsatzes.
"Wir dürfen niemals akzeptieren, dass die Symbole von Massenmördern und Nazis wieder Normalität in unserer Gesellschaft werden. Wie schon beim Zwischenfall an der Oberschule in Leisnig ist es wichtig, dass rechte Tendenzen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Wir müssen offen darüber sprechen, wenn Neonazis versuchen, Räume zu besetzen oder Kinder und Jugendliche für ihre Ideologie zu missbrauchen", so Homann weiter.
"Rechte Ideologien und Strukturen sind Realität und sind kein speziell sächsisches oder ostdeutsches Problem. Wenn wir sie ignorieren, wird es schlimmer. Indem wir aktiv aufklären und rechte Straftaten konsequent verfolgen, werden wir sie zurückdrängen. Die Region Döbeln hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie wehrhaft gegenüber rechten Strukturen ist. Wir werden dabei nicht nachlassen", so der SPD-Politiker.
"Wegschweigen der Probleme bringt nichts"
Auch Landrat Dirk Neubauer (parteilos) reagiert am Samstag auf die Umstände, wie die Polizei auf die vermeintliche Straftat aufmerksam geworden ist. Dazu schreibt er in einem Facebook-Post: "Danke für das mutige Einschreiten. Zivilcourage ist eine mächtige Antwort. Denn einmal mehr sehen wir, dass das Wegschweigen der Probleme nichts bringt."
Dies sei eine Frage gesellschaftlicher Gegenwehr. Das dürfe nicht als Bagatelle durchgehen, nicht belächelt werden. "Das ist Zeichen ernsthafter Fehlentwicklungen, die langsam Breite erreichen. Wehret den Anfängen! Wir alle sind gefordert", so Mittelsachsens Landrat.
Angriff auf die Demokratie
Döbelns Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) sieht in dem Vorfall auch einen Angriff auf die Demokratie. "Ich bin entsetzt über das Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen! So etwas dulden wir in keiner Weise in Döbeln. Danke an die Frau für das couragierte Handeln. Wer sich Symbole des NS-Regimes zu eigen macht, verharmlost die Grauen des Holocaust. Dies muss verfolgt und konsequent dagegen vorgegangen werden."