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Nach über 30 Jahren: Adé DWVG

Die städtische Wohnungsgesellschaft ist bald Geschichte. Sie war einmal Döbelns größter Vermieter. Bis zur kompletten Überschuldung.

Von Jens Hoyer
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Am 27. Mai 2008 forderten etwa 50 Handwerker und Mieter vor dem Döbelner Rathaus den Verkauf der Wohnungen der DWVG, um eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Der Stadtrat stimmte an diesem Tag dem Verkauf der Wohnungen zu.
Am 27. Mai 2008 forderten etwa 50 Handwerker und Mieter vor dem Döbelner Rathaus den Verkauf der Wohnungen der DWVG, um eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Der Stadtrat stimmte an diesem Tag dem Verkauf der Wohnungen zu. © Dietmar Thomas

Döbeln. Mit zuletzt rund 2.300 Wohnungen war die städtische Wohnungsgesellschaft DWVG einmal der größte Vermieter in Döbeln. Davon ist nach dem Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes in Jahr 2008 nicht viel übrig geblieben.

Ein Schild im Bürohaus der Stadtwerke weist auf den Firmensitz in der dritten Etage hin. Dort arbeitet tageweise die einzig verbliebene Teilzeit-Mitarbeiterin der Gesellschaft. Gisa Nestler ist Rechnungsprüferin bei der Stadtverwaltung und DWVG-Geschäftsführerin. Sie hat die Gesellschaft abgewickelt.

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Bald werden auch diese letzten Reste verschwunden sein. Seit 2014 befindet sich die Gesellschaft in Liquidation. Die meisten der Grundstücke, die noch in ihrem Besitz geblieben waren, sind mittlerweile verkauft. Jetzt hat der Stadtrat die Übertragung des Restvermögens und der verbliebenen Grundstücke auf die Stadt beschlossen. Die Gesellschaft kann dann endgültig aus dem Handelsregister gelöscht werden.

Stadt kann noch Schulden eintreiben

Die Stadt wird Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft und kann unter anderem noch ausstehende Schulden über ein Inkasso-Büro eintreiben. Von den Grundstücken der DWVG sind nicht viele übrig geblieben. Der wesentliche Teil sei verkauft worden, sagte Gisa Nestler.

Ein paar Wiesen in Döbeln Nord sind noch da und ein größeres Grundstück mit einem Bolzplatz an der Straße der Jugend. Auch die Fläche eines Wohnblocks an der Vyskover Straße, in dem sich mal ein Schlecker-Markt befand, gehört dazu. „Eine Bebauung der Fläche ist nicht erwünscht“, sagte Gisa Nestler.

An einem Grundstück an der Industriestraße habe ein Betrieb Interesse. Ein Grundstück an der Teichstraße ist unverkäuflich, weil es im Überschwemmungsgebiet liegt und die Untere Wasserbehörde keine Genehmigung zum Bauen erteilt.

Andere Flächen hatte die DWVG verkauft und damit auch einen Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet. Auf einem Teil der Abrissflächen ehemaliger Wohnblöcke in Döbeln Nord war in den vergangenen Jahren das Wohngebiet Sonnenterrassen entstanden. Erst in diesem Jahr hatten zwei weitere Abrissflächen in Döbeln Nord verkauft werden können. Auf einer wird ein Pflegeheim errichtet, auf der anderen Wohnhäuser.

Fast ein Drittel der Wohnungen standen leer

Nach reichlich drei Jahrzehnten geht die Geschichte der DWVG damit zu Ende. Die Gesellschaft war nach der Wende zur Verwaltung der städtischen Wohnungen und zur Fremdverwaltung anderer Immobilien gegründet worden. Die Aufgaben waren zu Beginn gewaltig. Noch 1994 gab es Wohnungsmangel in Döbeln. Im selben Jahr investierte die Gesellschaft sechs Millionen Mark, heute drei Millionen Euro, in die Sanierung der ersten Neubaublöcke in Döbeln Nord.

Allerdings verschärfte sich die Finanzsituation der Gesellschaft vor der Jahrtausendwende drastisch. Die steigenden Schulden standen sinkenden Vermietungszahlen gegenüber. In Spitzenzeiten standen fast ein Drittel der Wohnungen leer.

Teure Bauvorhaben belasteten die Gesellschaft

Schon Anfang 1999 hatten an der Geschäftsführung vorbei drei führende Mitarbeiter der DWVG den Aufsichtsratsvorsitzenden und Bürgermeister Matthias Girbig auf die sich anbahnende Schieflage der Gesellschaft und falsche Entwicklungen hingewiesen. Das hatte für die Geschäftsführer keine Konsequenzen. Für zwei Prokuristen schon. Sie wurden entlassen.

Belastet wurde die Gesellschaft auch durch teure Bauvorhaben, die letztendlich der Stadtentwicklung und der Umsetzung des politischen Willens dienten. So wurden das Kino CiD und die Gaststätte im Bürgergarten gebaut. Für viel Geld war das Volkshaus saniert worden. Die Stadt übernahm das Haus samt Schulden später, um ihre Gesellschaft zu entlasten.

Als Axel Buschmann 1991 sein Amt als Bürgermeister antrat, eskalierte die Situation. Das Bundesvermögensamt forderte eine Millionensumme von der Gesellschaft, weil sie Grundstücke vom Bund zwar erworben, aber vereinbarte Investitionen für Wohnzwecke nicht getätigt hatte. Buschmann entließ daraufhin einen der Geschäftsführer.

Mehr als 50 Millionen Euro Schulden

In den nächsten Jahren war es nicht gelungen, die DWVG grundlegend zu sanieren. 2007 drückte die Gesellschaft eine Schuldenlast von über 50 Millionen Euro. Gläubigerbanken machten Druck. Eine drohte, Kredite fällig zu stellen. Das hätte die Insolvenz der Gesellschaft bedeutet. Handwerker wären auf Rechnungen sitzengeblieben. Durch die Zwangsversteigerung von so vielen Wohnungen wäre der Wohnungsmarkt in Döbeln zusammengebrochen.

Die Stadt musste handeln. Bei einem Bieterwettbewerb bot die DKB Wohnungsgesellschaft mehr als 43 Millionen Euro für die 2.300 Wohnungen. Nach einem unglaublichen Hin und Her mit endlosen Diskussionen, geplatzten Sitzungen und neuen Maximalforderungen stimmte der Stadtrat im Mai 2008 dem Verkauf der Wohnungen zu. Die Mitarbeiter der DWVG wurden vom neuen Eigentümer übernommen.

Die Verkaufssumme reichte, um die Gläubigerbanken zu befriedigen, die dafür auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten mussten. Für die Stadt fiel eine Sofortzahlung von 500.000 Euro plus 300.000 Euro für soziale Zwecke ab.