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"Auf Dauer macht das einsam"

Bis zu 44 Rollen parallel hat Christian Kühn schon in einem Stück gespielt. In "Dinner for One" in der Dresdner Comödie nimmt er es jetzt mit fünf Persönlichkeiten auf.

Von Nadja Laske
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Christian Kühn altert mit jedem Pinselstrich. Bärte und Perücken geben ihm die verschiedensten Identitäten - manchmal im Minutentakt.
Christian Kühn altert mit jedem Pinselstrich. Bärte und Perücken geben ihm die verschiedensten Identitäten - manchmal im Minutentakt. © Amac Garbe

Vorhang. Applaus. Ein Mann verbeugt sich. Irritierte Blicke im Publikum. Wo bleiben die anderen? Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom? Klar, sie sind tot. Das weiß jeder, der das Silvester-Muss "Dinner for One" kennt. 

Auf der Bühne auf und ab gelaufen sind sie ja trotzdem. Schließlich geht es in der Comödie Dresden um die Fragen: Wer waren die werten Herren? Und warum haben sie bereits das Zeitliche gesegnet? "Es gibt immer wieder Zuschauer, die erst ganz spät oder gar nicht dahinterkommen, dass ich alle Rollen allein spiele", sagt Christian Kühn. Er habe schon einiges versucht. Sich einen Schnauzbart schief angeklebt, zum Beispiel. Ganz absichtlich. Dabei könnte so etwas im Stress auch aus Versehen passieren. Denn was während der Vorstellung hinter den Kulissen abgeht, ist Turbo-Verwandlungskunst.

Mit den genannten vier Verflossenen plus Butler James spielt Kühn fünf Personen. "Das funktioniert nur, indem ich mich noch während des Sprechens umziehen lasse", sagt er. So begrüßt James Sir Toby außerhalb des Blickfeldes der Zuschauer und schlüpft dabei von einer in die andere Rolle. Kommunikation mit Ankleiderinnen und Maskenbildnern ist dabei nicht drin. Alle müssen wortlos aufeinander eingespielt sein. 

Dass manchem Gast der Groschen nicht fällt, erklärt Christian Kühn so: "Ich glaube, das Publikum ist zu sehr mit der Geschichte beschäftigt." Die hat er sozusagen zurück in die Vergangenheit geschrieben, um ein abendfüllendes Programm aus dem nur 20-minütigen Sketch zu machen, der in jeder Silvesternacht im Fernsehen läuft.

Mit solchen Ideen ist es Christian Kühn gelungen, das private Theater so gut auszulasten, dass es manch subventionierte darum beneidet. Vor acht Jahren wurde er Intendant  - ein Job, der ihm "die Dreifaltigkeit inszenieren, Stücke schreiben und selbst spielen" erlaubt, der aber zugegebenermaßen arg stressig ist.

Während der Abizeit im damaligen Karl-Marx-Stadt erkannte Christian Kühn sein Faible fürs Theater. Mit einem Freund gründete er das Comedy-Duo "Die Ruhmkugeln" und war erstaunt über die große Nachfrage. "Erst spielten wir auf Geburtstagen, dann auf Feuerwehrfesten und dachten: Wir haben das doch gar nicht richtig gelernt!"

Dabei sollte es nicht bleiben, die beiden bewarben sich an Schauspielschulen und landeten beide an der Theaterakademie Vorpommern in Zinnowitz. Andere studierten in Berlin oder in Leipzig, Christian Kühn ist noch heute dankbar, dass es ihn an eine eher kleine, unbekanntere Schule verschlagen hat. "Sie war eng verbunden mit den Theatern in der Region, so dass wir schon als Studenten viele Möglichkeiten hatten, uns in allen möglichen Bereichen auszuprobieren." Blutjung spielte Kühn Brechts Arturo Ui und im Diener zweier Herren. 

"Es ist spannend, wie man als Schauspieler die Haltung eines alten Menschen annimmt, sobald man entsprechend geschminkt ist", sagt Christian Kühn: "Es fühlt sich aber auch gut an, das Alter wieder abwaschen zu können."
"Es ist spannend, wie man als Schauspieler die Haltung eines alten Menschen annimmt, sobald man entsprechend geschminkt ist", sagt Christian Kühn: "Es fühlt sich aber auch gut an, das Alter wieder abwaschen zu können." © Amac Garbe

Nach dem Studium ging er nach Berlin und von da nach Dresden, zunächst für ein Engagement an der Comödie, dann fest ans Theater Junge Generation. Nicht für lange allerdings: "Kinderstücke laufen schon ab vormittags. Aber ich bin nicht Schauspieler geworden, um so früh aufzustehen." Inzwischen kann Christian Kühn trotzdem eher selten lange schlafen. Sein Tagespensum fordert Zeit, spätestens, seit er 2009 mit "Restlos ausverkauft" sein erstes Solostück mit legendären 44 Rollen parallel an der Dresdner Comödie hatte. Mit "Matchos auf Eis" legte er den Grundstein für das moderne boulevardeske Theater in Dresden, übernahm zwei Jahre später die Intendanz aus Jürgen Mais Händen und entwarf ein neues Konzept. 

Nun spielt das Haus fast rund ums Jahr und hat sich von den traditionellen Theaterferien verabschiedet. Die Stücke laufen länger als nur blockweise sechs Wochen lang, neue Spielstätten hat Kühn erschlossen, lockt das Publikum mit besonderen Rabattaktionen und viel Werbung. Er engagiert prominente Künstler, solche, deren Fans sie schon zu DDR-Zeiten liebten, oder die Jüngere aus Soaps und Serien kennen. Und er schickt Produktionen auf Gastspiel durch ganz Deutschland. "Das macht alles sehr viel Mühe, aber wir haben damit Erfolg", sagt Christian Kühn.

Jetzt freut er sich auf neue Produktionen und auf ein Stück, das auf Silvester abonniert ist, ohne mit Silvester zu tun zu haben. Ein neues Solostück plant er vorerst nicht. "Man probt allein, spielt allein, verbeugt sich allein", sagt er. "Auf Dauer macht das ganz schön einsam." 

Dinner for One ist vom 28. Januar bis zum 1. Februar in der Comödie Dresden zu sehen und dann erst wieder rund um den nächsten Jahreswechsel.

www.comoedie-dresden.de

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