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Totschlag-Prozess geht in die Verlängerung

Erst gibt es in Dresden-Lockwitz "Corona"-Vodka – dann eskaliert ein Streit unter Eltern auf brutale Weise. Trotz Geständnis dauert die Beweisaufnahme an.

Von Alexander Schneider
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Der Angeklagte Robert W. (l. hier mit seinem Verteidiger Hand Theisen) hat eingeräumt, auf seine Lebensgefährtin im Verlauf einer Auseinandersetzung eingestochen zu haben.
Der Angeklagte Robert W. (l. hier mit seinem Verteidiger Hand Theisen) hat eingeräumt, auf seine Lebensgefährtin im Verlauf einer Auseinandersetzung eingestochen zu haben. © SZ/Alexander Schneider

Dresden. Eigentlich sollte das Urteil im Totschlag-Prozess gegen Robert W. bereits vergangenen Freitag verkündet werden. Doch am Tag zuvor, die Beweisaufnahme war aus Sicht des Schwurgerichts beendet, hatte Verteidiger Hans Theisen noch eine Reihe offener Fragen aufgeworfen und mehrere Beweisanträge gestellt. Das Gericht hat daher vier weitere Sitzungstage bis Mitte Dezember vereinbart.

Am Dienstag etwa wurde ein Notarzt zum Zustand befragt, in dem sich der Angeklagte nach seiner Festnahme befunden habe. Für die Verteidigung sind solche Details wichtig, Hans Theisen sagt, sein Mandant habe seine Lebensgefährtin nicht töten wollen.

In dem Prozess am Landgericht Dresden geht es um einen blutigen Streit unter langjährigen Partnern und ihren gemeinsamen damals elfjährigen Sohn. Die Beziehung muss schon seit Jahren zerrüttet gewesen sein. 

Bett und Kühlschrank waren getrennt, über die Erziehung des Jungen wurde gestritten. Am Abend des 21. März, es war der Samstag vor den coronabedingten Ausgangssperren in Dresden, die Schulen hatten schon eine Woche zuvor die Schüler nach Hause geschickt.

Tödliche Verletzungen

Der 49-jährige Robert W. soll im Laufe einer lautstarken Auseinandersetzung zum Küchenmesser gegriffen und Irina R. in den Unterleib gestochen haben. Die 45-Jährige starb am 2. April aufgrund ihrer erheblichen inneren Verletzungen. 

W. habe den Tod seiner Partnerin in Kauf genommen, heißt es in der Anklage. Robert W. sitzt seit jenem verhängnisvollen Tag in Untersuchungshaft.

Nach Außen schien es sich um eine glückliche Familie zu handeln. Sie lebte in einem Reihenhäuschen in der Heinz-Bongartz-Straße in Lockwitz. 

W. war seit vielen Jahren Conroller in einer Bank, wirtschaftlich ging es ihnen gut. Doch es gab allerhand Probleme. Seit etwa fünf Jahren habe er im Arbeitszimmer geschlafen, sagte W. zum Prozessauftakt, als er einräumte, auf seine Frau eingestochen zu haben. Die Deutsch-Russin habe angeblich extrem viel getrunken und den gemeinsamen Sohn oft geschlagen.

Sie sei sehr streng zu dem Jungen gewesen, W. selbst mehr der liberale. Am Tattag habe er seinem Sohn erlaubt, länger an der Konsole zu spielen. 

Der Junge sei in der ersten Woche im Heimunterricht sehr fleißig gewesen. Doch als die 45-Jährige abends zu Hause war, habe es wieder Streit gegeben, weil sie den Jungen eher ins Bett schicken wollte. 

Handyfotos sollen Zeitprofil belegen

So ging es wieder los mit dem Streit unter den Partnern, obwohl sie bis dahin einiges getrunken hatten. Gemeinsam. Ausgerechnet „Corona“-Vodka. Robert W. hatte seiner Partnerin nachmittags beim Einkaufen noch ein Foto von der Flasche mit dem markanten Namen geschickt.

Diese Fotos sind nun auch Gegenstand von Theisens Beweisanträgen. Dank der Fotos sei eine bessere Zeitbestimmung möglich, zu welchem Zeitpunkt an jenem Abend was passiert sein muss. Ein Handyfoto des Angeklagten zeigt die offenbar schon geöffnete Vodkaflasche auf dem Küchentisch. Es wurde um 20.17 Uhr aufgenommen.

Eine Freundin der Getöteten hatte dagegen ausgesagt, Irina R. sei an jenem Sonnabend bei ihr in Bannewitz gewesen und W. habe sie gegen 21 Uhr abgeholt. Das sei mit dieser Aufnahme widerlegt, argumentierte Theisen.  

Auch W. trank zuletzt erhebliche Mengen, ausschließlich Vodka, wie er sagte. Zur Tatzeit hatte er laut Theisen 2,65 Promille Alkohol intus. Er vermisse, dass die Staatsanwaltschaft offenbar nicht geprüft habe, ob diese Tat nicht eher als gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge zu werten sei, sagte der Anwalt gegenüber der SZ. 

Der 29-jährige Notarzt, er war am Dienstag der einzige Zeuge, sagte, er habe bei seiner Alkoholuntersuchung die meisten Tests mit W. nicht machen können. 

W. sei gereizt gewesen, habe nicht mitgemacht. "Da waren keine großartigen Tests möglich", sagte der Mediziner. Aufgrund zweier Wunden an W.s Arm habe er sogar den Oberarzt hinzugerufen. Die Ärzte waren nach ihrem ersten Informationsstand von Stichverletzungen ausgegangen.

Tatsächlich stammten die Wunden von Glassplittern. Nachdem W. bewusst geworden war, dass er seine Partnerin niedergestochen hatte, randalierte er in der Küche. Er war auch auf Polizisten losgegangen, hatte gebeten, sie mögen ihn erschießen, und soll auch versucht haben, ihnen die Waffe zu entreißen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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