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DDR-Botschafter auf den Weltmeeren: Die MS „Dresden“ ohne Bier vor Sri Lanka

Vor 65 Jahren ging ein DDR-Frachtschiff dieses Namens das erste Mal auf große Fahrt. Von "bestialischer Hitze" und zu wenig Radeberger Bier.

Von Ralf Hübner
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Begehrte Fracht: Reis, roter Pfeffer, Zimt, Anis, chinesische Zigaretten, Ananas, Erdnüsse, vietnamesisches Silberbesteck, Oberhemden, Kautschuk, Quecksilber, Manganerz, Litefone, Entenfedern und Zierfische. Das Motorschíff „Dresden“ befuhr in den 60er-Ja
Begehrte Fracht: Reis, roter Pfeffer, Zimt, Anis, chinesische Zigaretten, Ananas, Erdnüsse, vietnamesisches Silberbesteck, Oberhemden, Kautschuk, Quecksilber, Manganerz, Litefone, Entenfedern und Zierfische. Das Motorschíff „Dresden“ befuhr in den 60er-Ja © Foto: SLUB/Deutsche Fotothek/Hö

Dresden. Wer reist, hat was zu erzählen – auch von seiner Heimat. Dementsprechend haben Schiffe, Autos und Bahnen auch den Namen von Dresden in alle Welt getragen. Einer dieser Botschafter war das Motorschiff "Dresden". Vor 65 Jahren lief es von Wismar zur Jungfernfahrt nach Ostasien aus. Nach der Rückkehr kamen am 5. Dezember 1958 drei Mitglieder der Besatzung an die Elbe. Sie sollten einen Patenschaftsvertrag mit der Stadt vorbereiten, der im folgenden Januar unterzeichnet werden sollte. Heute liegt das Schiff in Rostock als Museumsschiff vor Anker und hat laut Schifffahrtsmuseum jährlich 40.000 bis 45.000 Besucher.

"Mit vielen begehrten Dingen an Bord lief es vor wenigen Tagen – aus China und Vietnam kommend – in seinem Heimathafen ein", berichtete die Sächsische Zeitung damals von der Jungfernfahrt. Rund 6.000 Tonnen habe das Schiff geladen gehabt, darunter laut Bericht Reis, roter Pfeffer, Zimt, Anis, chinesische Zigaretten, Ananas, Erdnüsse, vietnamesisches Silberbesteck, Oberhemden, Kautschuk, Quecksilber, Manganerz, Litefone, Entenfedern und Zierfische.

Hitze im Golf von Aden

ten Reise mit der "Dresden" zu erzählen, die nach den chinesischen und den vietnamesischen Häfen Wampoa, Tsamkong und Haiphong führte“, berichtete die Zeitung ihren Lesern weiter. Diese allerdings kannten ferne Länder damals nur aus Büchern. Und sie erfuhren nun schier Unglaubliches: So sei im Roten Meer etwa 120 Seemeilen vor Aden die Hitze so groß gewesen, dass der Steuerbordanker schmolz und die weitere Fahrt mit dem Reserveanker gemacht werden musste.

Im Kapitänsbericht ist davon freilich nichts zu lesen. Dass die Temperaturen im Suez-Kanal "bestialisch" gewesen sein sollen, bestätigte allerdings Kapitän Herbert Schickedanz. Im Indischen Ozean habe das angehalten, hieß es weiter. "Hinzu kam die See, die Bewegung in das Schiff brachte und einigen Genossen den Appetit nahm und die Lust zum Leben."

In Haiphong seien dann in wenigen Tagen 14.300 Besucher an Bord geströmt, so die Zeitung weiter. Und für die Zeit des Kalten Krieges bemerkenswert: "In Tsamkong hatte unsere Besatzung die Matrosen des westdeutschen Schiffes 'Helga Schröder' an Bord, die nicht schlecht über die ausgezeichneten Einrichtungen staunten. Unser Bordarzt nahm sich der westdeutschen Seeleute an und behandelte einige von ihnen."

Kistenweise Radeberger Pils an Bord gehievt

Auf der Heimfahrt ging der Besatzung schließlich das Bier aus. Es seien auf der Höhe von Ceylon – dem jetzigen Sri Lanka – von der MS "Frieden", das gerade dort vorbeikam, 15 Kisten Radeberger Pilsner an Bord der "Dresden" gehievt worden. Kapitän Herbert Schickedanz zufolge musst das Schiff noch unplanmäßig Lissabon anlaufen, weil der Schiffsfunker krank geworden war, der in Portugal ins Krankenhaus kam und sofort operiert wurde.

Nach Ankunft in Wismar blieb der Kapitän kritisch: "Das Holzdeck ist nicht dicht." Dies sei auch wahrscheinlich der Grund, weshalb die Stewardkammer, eine Passagierkammer und eine Matrosenkammer Wassereinbruch zeigten. Schickedanz führte das auf nachlässige Arbeit zurück und forderte von der Werft eine Überprüfung sämtlicher Decks.

Heute ist das Motorschiff Dresden das einzige erhaltene Schiff der Bauserie Typ IV des VEB Deutsche Seereederei Rostock. Es war 1956/57 auf der Warnowwerft gebaut worden und Teil einer Serie von 10.000-Tonnen-Stückgut-Frachtern, die auf DDR-Werften entstanden. Das erste Schiff dieser Serie wurde auf den Namen "Frieden" getauft, sodass die 15 Neubauten der Serie auch als "Typ Frieden" bekannt wurden. Bisweilen wurde aber auch abweichend vom "Typ Dresden" gesprochen. Am 27. Juli 1958 wurde die MS "Dresden" an die Deutsche Seereederei übergeben. Das Schiff fuhr bis 1969 im Liniendienst nach Ostasien, Indonesien, Afrika, Indien und Lateinamerika.

Allerdings war das DDR-Motorschiff nicht das erste Schiff dieses Namens, das Weltmeere befuhr. Bekanntgeworden war zuvor vor allem der in Hamburg gebaute und 1908 in Dienst gestellte Kleine Kreuzer "Dresden", eines der schnellsten Schiffe der damaligen Kaiserlichen Marine. Nach ihm wurde die "Dresden-Klasse" benannt.Als das deutsche Ostasiengeschwader 1914 bei den Falklandinseln vernichtet wurde, gelang es nur ihm, der Royal Navy zu entkommen. Das Schiff wurde schließlich in aussichtsloser Lage von der eigenen Besatzung versenkt.

Ab 1937 war dann ein Passagier- und Frachtschiff "Dresden" für den Norddeutschen Lloyd nach Südamerika unterwegs. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es auch für militärische Zwecke genutzt und 1944 an der Gironde-Mündung von deutschen Truppen versenkt, anschließend von Franzosen wieder gehoben und instand gesetzt. Fortan fuhr es unter französischer Flagge als "Doba", bis es 1950 bei Ras Hafonn im Golf von Aden strandete.Den Namen "Dresden" trugen unter anderem spezielle Ausführungen des Audis Typ T von 1931 sowie eine Güterwagengattung der Deutschen Reichsbahn.