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Dresdner Elektroindustrie in der DDR: "Gemeinsames Ziel - Weltspitzenleistung"

Die Elektroindustrie in Dresden war für die DDR ein wichtiger Standort. Zu den wichtigen Betrieben gehörte auch der VEB RFT Messelektronik.

Von Ralf Hübner
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Fähigkeiten bis in den Weltraum: Montage im August 1980 im VEB Robotron (RFT) Messelektronik „Otto Schön“ in Dresden.
Fähigkeiten bis in den Weltraum: Montage im August 1980 im VEB Robotron (RFT) Messelektronik „Otto Schön“ in Dresden. © Archivfoto: SZ/Waltraut Kossack

Dresden. Dresden hat als Standort der Halbleiterindustrie einen guten Namen. Es ist ein Erbe der DDR, deren Regierung Dresden einst zu einem Zentrum der Halbleiter- und Elektroindustrie des Landes gemacht hatte. Neben Robotron, dem Zentrum Mikroelektronik und dem VEB Elektromat gehörte mit rund 4.000 Beschäftigten auch der VEB Robotron-Messelektronik "Otto Schön" zum Kern dieser Branche. Vor 55 Jahren wurde er am 2. Januar 1969 durch die Vereinigung dreier Betriebe gegründet. Unter anderem wurden dort auch Home-Computer entwickelt und produziert.

"Gemeinsames Ziel: Weltspitzenleistung", titelte die Sächsische Zeitung. Mit der Vereinigung der bisher selbstständigen Betriebe VEB Vakutronik, VEB Funkwerk. WTZ Elektronische Messtechnik und VEB Schwingungstechnik und Akustik habe eine neue Etappe in der Entwicklung der elektronischen Messtechnik in der DDR begonnen, hieß es vollmundig. Monatelange Vorbereitungen der volkseigenen strukturbestimmenden Betriebe der Elektrotechnik und Elektronik fänden ihre Krönung.

Etwa vier Jahre war der Zusammenschluss vorbereitet worden. Ursprünglich hatte man sogar daran gedacht, ein neues Kombinat zu gründen. Sogar in der Einladung des Generaldirektors zur Gründungsveranstaltung im Speisesaal des Funkwerkes in der Meschwitzstraße im Industriegelände war noch von einem Kombinat die Rede. Schließlich aber blieb es beim Großbetrieb. "Mit dem VEB RFT Messelektronik Dresden entsteht eine große, leistungsfähige Wirtschaftseinheit, die mit ihren technisch-ökonomischen Potenzen in der Lage sein wird, die weit höheren Ziele zu erfüllen", hieß es im Zeitungsbericht.

Ein Vorgänger des neuen Betriebes war unter anderem die von dem Unternehmer Otto Hermann Mende zusammen mit dem Kaufmann Karl Rudolf Müller gegründete Radio H. Mende & Co. Das Unternehmen war einer der größten Radio-Produzenten in Deutschland. Die Stückzahlen stiegen von etwa 2.000 Rundfunkgeräten 1925 auf etwa 200.000 Geräte 1937 und ein Jahr später sogar auf 250.000. Damit kam Angaben zufolge etwa jeder dritte deutsche Rundfunkempfänger von Mende in Dresden. Auch der sogenannte Volksempfänger wurde hier hergestellt.

Zudem produzierte das Unternehmen Transmitter, Fernschreiber, Verstärker und während des Krieges auch Funkgeräte und Bombenzünder. Etwa 3.000 Mitarbeiter sollen bei Mende beschäftigt gewesen sein.

Während des Krieges wurden die Mende-Werke teilweise zerstört oder als Kriegsentschädigung demontiert. 1948 ging aus den Resten der VEB Funkwerk Dresden hervor. Mende war schon 1940 in Dresden gestorben. Sein Neffe, der 1898 in Dresden geborene Martin Mende, der auch schon das Dresdner Werk geleitet hatte, ging nach dem Krieg nach Bremen und gründete dort den Rundfunkproduzenten Nordmende, die spätere Norddeutsche Mende Rundfunk KG.

Ein bedeutender Player im RGW

Auch im Funkwerk Dresden wurden noch bis in die 1960er-Jahre Rundfunkgeräte produziert. 1953 hatte der Betrieb auch die Produktionsgebäude von Radio Mende in der Meschwitzstraße wieder bezogen und war durch die Übernahme weiterer Betriebe wie etwa dem Glühlampenwerk weiter gewachsen. Zur Produktionspalette gehörten Rundfunkgeräte wie die Empfänger "Lößnitz", "Zwinger", "Pillnitz", "Orienta" und die "Dominante"-Serie. Zudem wurden unter anderem Oszillografen, Röhrenvoltmeter, Prüfgeneratoren, Störsuchgeräte, Verstärker und auch Funkgeräte und UKW-Verkehrsfunktechnik hergestellt.

Die Zahl der Beschäftigten stieg von 1949 bis 1955 von 450 auf 1.350. Ein Glanzlicht jener Jahre: In Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule wurde zwischen 1950 und 1956 mit dem D1 der erste DDR-Computer entwickelt und gebaut, ein Röhrencomputer mit etwa 760 Elektronenröhren, der 100 bis 200 Rechenoperationen pro Sekunde ausführen konnte.In den 1960er-Jahren liefen die letzten Rundfunkgeräte vom Band. Das Werk konzentrierte sich zunehmend auf elektrische Messtechnik. 1972 wurde dem Unternehmen der Name "Otto Schön" verliehen, nach einem ehemaligen kommunistischen Widerstandskämpfer und DDR-Politiker.

Das neue Unternehmen wurde zunehmend ein Player auf osteuropäischer Ebene im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe und mit Partnern in der Sowjetunion, Ungarn und der Tschechoslowakei. Jetzt stellte Messelektronik unter anderem Geräte zur Schall- und Schwingungsmessung, Fehlerortungsgeräte, Leiterkartenprüf- oder auch Kräftemesstechnik sowie Messtechnik für die Kernphysik her. Für das alltägliche Leben fiel als Konsumgut der Stereoverstärker HSV 920 ab.

Beim historischen Weltraumflug des DDR-Kosmonauten Sigmund Jähn zur sowjetischen Raumstation Salut 6 flog schließlich 1978 auch Messtechnik der Dresdner Messelektroniker mit. In der Raumstation wurden Schallpegelmessungen durchgeführt, weil die vielen Aggregate an Bord störende Geräusche verursachten. Für die Messungen sei ein Präzisionsimpulsschall-Pegelmesser von Messelektronik verwendet worden, der sich in der Industrie bestens bewährt habe, berichtete die Sächsische Zeitung.

1979 wurde der Betrieb Teil des Robotron-Kombinates und firmierte fortan als VEB Robotron-Messelektronik "Otto Schön". Der Verwaltungssitz befand sich jetzt im Robotron-Gebäude am Pirnaischen Platz. Produziert wurden unter anderem die Kleincomputer Z 9001, der Mitte der 1980er-Jahre als KC 85/1 auf den Markt kam, sowie der Bildungscomputer A 51. Mit dem Ende der DDR gingen dann auch bei Messelektronik nach und nach die Lichter aus.