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Von Dresden nach Chemnitz: Der Start von Sachsens Autobahnbau

Dresden ist bis heute ein wichtiges Autobahnkreuz. Hier treffen die Nord-Süd- und West-Ost-Strecken aufeinander. Vor 90 Jahren wurde mit dem Bau begonnen.

Von Ralf Hübner
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Leere „Schnüre“ durch die Landschaft: Reichsautobahn zwischen Dresden und Chemnitz im Jahr 1936/37. Klein: Bericht in den Dresdner Nachrichten 1934:
„Die Baustelle der Reichsautobahn bei Dresden-Kemnitz“.
Leere „Schnüre“ durch die Landschaft: Reichsautobahn zwischen Dresden und Chemnitz im Jahr 1936/37. Klein: Bericht in den Dresdner Nachrichten 1934: „Die Baustelle der Reichsautobahn bei Dresden-Kemnitz“. © Möbius, Walter/Deutsche Fotothek

Dresden. Baustellen, Dauerstau, Unfälle – die Autobahn A4 gehört bei Dresden mittlerweile zu den dicht befahrenen Autobahnen in Deutschland. Oft geht es nur Stoßstange an Stoßstange vorwärts. Die Staatsregierung sieht in ihr die Hauptverbindung für den Verkehr nach Polen und in die Ukraine und pocht auf einen Ausbau der Trasse. Deren Wurzeln reichen schon ein gutes Stück in die Vergangenheit: Vor 90 Jahren wurde am 21. März 1934 an der späteren Anschlussstelle Dresden-Altstadt mit dem Bau in Richtung Chemnitz begonnen.

Fahnen, Marschmusik, SA-Kolonnen, Hitlerjugend und BdM waren an jenem Morgen auf einer Wiese am Bahnhof Dresden-Kemnitz aufmarschiert, wie die Dresdner Nachrichten berichteten. Der Autobahnbau war vor allem während der Nazi-Zeit ein gewaltiges Arbeitsbeschaffungsprogramm, zudem ein propagandistisches Ereignis ersten Ranges. Die Feierlichkeiten gingen offenbar ausgesprochen zackig vonstatten. "Mit dem Spaten über der Schulter, in ihrer Arbeitsbekleidung rücken die Männer ein", berichtete die Zeitung. Kommandos hallten über die Fläche. Die gesamte sächsische Naziprominenz hatte sich eingefunden. Reden wurden gehalten ehe "Reichsstatthalter" Martin Mutschmann den Spaten in die Erde rammte.

Autobahnen wurden damals als die "Straßen des Führers" mystifiziert. Das allerdings war allenfalls die halbe Wahrheit. Denn schon seit den frühen 1920er-Jahren gab es angesichts des zunehmenden Kraftfahrzeugverkehrs in mehreren europäischen Staaten Pläne für leistungsfähige "Nur-Autostraßen".

In Deutschland trieb der 1926 gegründete "Verein zur Vorbereitung einer Autostraße Hamburg–Frankfurt a. M.– Basel (HaFraBa)" erste Planungen für ein Netz solcher Straßen voran. Der Vorsitzende des Vereins war Robert Otzen, der ab 1929 den Begriff "Autobahn" prägte.

Doch es dauerte noch bis 1932, ehe der erste, 20 Kilometer lange Abschnitt zwischen Köln und Bonn eröffnet wurde. Nach der Machtergreifung der Nazis wurden die schon weit gediehenen Planungen der "HaFraBa" für ein Autobahnnetz kurzerhand übernommen, nicht ohne sie nach Kräften für Propagandazwecke auszuschlachten. 1938 waren schon 3.000 Autobahnkilometer in Betrieb. Während des Zweiten Weltkriegs kam der Autobahnbau von wenigen Ausnahmen abgesehen weitgehend zum Erliegen. Bei Kriegsende gab es 3.860 Kilometer Reichsautobahn. Weite Strecken davon waren stark beschädigt und konnten nicht befahren werden.

Dresden war für den Autobahnbau eine wichtige Schnittstelle, weil sich dort die nach Norden und Berlin führende Strecke mit der nach Westen, nach Chemnitz sowie mit der in Richtung Osten nach Breslau kreuzten. Auch die jetzige Autobahn A4 geht auf frühe Überlegungen des "HaFraBa"-Vereins zurück, der schon Ende der 1920er-Jahre die Idee einer Nur-Autostraße von Kassel über Erfurt und Leipzig nach Dresden und Breslau hatte.

Tausende beim Autobahnbau beschäftigt

Der Abschnitt von Eisenach nach Dresden erhielt schließlich höchste Priorität. Mit dem ersten Spatenstich wurden die Pläne für die "Strecke 83 Dresden–Chemnitz–Meerane" in die Tat umgesetzt und der Autobahnbau Stück für Stück in Richtung Westen vorangetrieben. Etwa zeitgleich wurde auch in Chemnitz und in Hohenstein-Ernstthal mit dem Bau begonnen. Über die Elbe musste eine fast 500 Meter lange Brücke gebaut werden. Im Herbst 1935 startete auch der Abschnitt Dresden–Bautzen, schon weil in Ostsachsen die Arbeitslosigkeit damals besonders hoch war und beim Autobahnbau Tausende Arbeiter beschäftigt werden konnten.

Der Hellerauer Autobahnabzweig mit Anschlüssen nach Berlin und Bautzen war im April 1939 fertig. Aus der Verlängerung der A4 bis nach Görlitz wurde wegen des Krieges nichts. Aus dem gleichen Grund blieben die Pläne für eine Autobahn ins Böhmische, also für die jetzige A17, in der Schublade. Sie wurde 1998 begonnen und erreichte 2006 die tschechische Grenze.

Bei den Menschen in den 30er-Jahren, vor allem wenn sie ein Auto besaßen, hinterließen die neuen Straßen einen tiefen Eindruck.

Der Literaturwissenschaftler und Romanist Victor Klemperer war 1936 unmittelbar nach den Feierlichkeiten der Freigabe auf der neuen Trasse unterwegs. "Prachtvoll dieser gerade Weg, der aus vier abgesetzten Breiten besteht, aus je zwei überbreiten Einbahnstraßen nebeneinander, ein Rasenstreifen zwischen beiden Richtungen", notierte er in sein Tagebuch. "Und ein herrlicher Anblick, wie man gerade auf die Elbe und die Lößnitzhügel in der Abendsonne zufuhr. Wir fuhren die ganze Strecke hin und zurück, ich wagte zwei Mal 80 Kilometer Geschwindigkeit. Ein großer Genuss, aber auch welcher Luxus und wie viel Sand in die Augen des Volkes", schrieb Klemperer weiter. Denn Tausende Verkehrswege seien in schlimmem Zustand. Diese blieben "ungebessert".

In Richtung Osten endete die Autobahn in Bautzen. Wegen der im Krieg gesprengten Spreebrücke war der Abschnitt von Bautzen-Ost nach Weißenberg nicht nutzbar. Deshalb ließ die DDR-Regierung dort 1965 auf der Autobahnfläche 66 Hallen für die Einlagerung der DDR-Getreidestaatsreserve errichten. Das blieb auch so, nachdem in den 1970er-Jahren die Spreebrücke neu gebaut wurde.