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Dresdner Wirte kämpfen mit Kündigungen

Weil die Lokale seit vier Monaten geschlossen sind, suchen sich viele Köche und Kellner Jobs in der Altenpflege oder beim Lieferdienst.

Von Nora Domschke & Julia Vollmer
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Olaf Kranz betreibt das Schmidts in Hellerau und die Palastecke am Kulturpalast. Auch er musste Kündigungen entgegennehmen.
Olaf Kranz betreibt das Schmidts in Hellerau und die Palastecke am Kulturpalast. Auch er musste Kündigungen entgegennehmen. © René Meinig

Dresden. Seit November arbeiten sie nur wenige Stunden oder gar nicht. Die Köche und Kellner in Dresdens Restaurants und Kneipen haben derzeit nicht all zu viel zu tun - im Lockdown ist die Gastronomie nahezu geschlossen, nur To-Go-Geschäfte und Lieferdienste sind erlaubt.

Nach vier Monaten schauen sich nun viele Mitarbeiter nach neuen Jobs um - was demnächst durchaus zum Problem für die Branche werden könnte.

"Ich musste in den letzten Wochen ein paar Kündigungen meiner Leute entgegennehmen", sagt Olaf Kranz, Chef vom Schmidts in Hellerau und der Palastecke am Kulturpalast.

Den Köchen und Kellnern fehle die Perspektive, ein genauer Zeitpunkt, wann die Gastronomie wieder komplett öffnen kann, wird nicht genannt. Ab 22. März sollen immerhin die Außenbereiche von Gaststätten sowie die Biergärten wieder für Gäste zur Verfügung stehen.

"Seit Monaten bekommen viele in Dresden ja nur Kurzarbeitergeld und das Trinkgeld fehlt, das merken viele empfindlich", so Kranz. Er beobachtet, dass Mitarbeiter aus der Branche vor allem in Richtung Lieferdienste abwandern und inzwischen Pakete für den Onlinehändler Amazon oder Lebensmittel für Rewe ausfahren.

Dort ist der Personalbedarf angesichts geschlossener Geschäfte und strenger Hygieneregeln beim Einkauf derzeit besonders hoch.

Massives Problem: fehlendes Trinkgeld

Ähnliche Beobachtungen hat auch Stefan Flügge, Chef des Traditionshauses Trompeter, gemacht und blickt mit Sorge auf den möglichen Start der Gastronomie. "Auch wir hatten schon Kündigungen und die Leute wandern zur Getränkespedition ab", sagt er.

Und Flügge bestätigt: Ein gravierenden Problem ist das Trinkgeld, was in Zeiten von Kurzarbeit nun besonders fehlt. Im ersten Lockdown habe er als Chef auch mal kurzfristig aushelfen können, wenn seine Mitarbeiter finanzielle Probleme hatten, doch nun seien auch seine Polster aufgebraucht.

Allerdings beklagt nicht jeder in der Dresdner Gastro-Szene, dass ihm die Mitarbeiter weglaufen. Was durchaus damit zusammenhängt, wie das aktuelle Geschäft läuft.

"Bei uns ist das Personal nicht abgewandert, sondern zugewandert. Viele haben mitbekommen, dass unser Sushi-Abhol- und Lieferservice gut läuft und haben sich für Minijobs beworben", sagt Sushi-König Wolle Förster.

Ein befreundeter Gastronom habe sogar bewusst zwei seiner besten Kräfte vermittelt, damit sie ihr Kurzarbeitergeld aufstocken können. Nach dem Lockdown gehen sie zurück.

Er habe aber auch eine Mitarbeiterin fest eingestellt, die in ihrem bisherigen Hotel-Job keine Zukunft mehr sah. Anders sieht es allerdings in den anderen Geschäftszweigen von Wolle Förster aus. Etwa bei den Angestellten im Bereich der Spielautomaten und bei den Tänzerinnen im Klax.

"Einige haben sich Minijobs in anderen Branchen gesucht, zum Beispiel in der Altenpflege. Wir sind aber im Kontakt und sie wollen alle wiederkommen, sobald ich öffnen darf", so Förster.

Kommen Pauschalkräfte nach dem Lockdown wieder?

Bisher einen Verlust, nämlich den umzugsbedingten Weggang einer Kollegin, musste der Luisenhof hinnehmen. "Wir stocken aber auch das Kurzarbeitergeld aus Eigenmitteln auf 90 Prozent vom Nettolohn auf", so Inhaber Carsten Rühle.

Um Geld zu verdienen, setzt er weiter seinen Lieferservice fort und will in den nächsten Tagen eine Osterbox anbieten.

Auch im Schießhaus in der Dresdner Altstadt ist das Problem bekannt. Chefin Ute Stöhr, die sich über die Initiative Leere Stühle für die Öffnung der Gastronomie einsetzt, bestätigt, dass sie durch die Schließungen im Lockdown Mitarbeiter verloren hat. Erst zuletzt habe eine Kellnerin gekündigt, die nun im Lebensmittelhandel jobbt.

Insgesamt sind von den ursprünglich 21 Mitarbeitern nur noch 14 im Team, einige sind weggezogen, eine andere Kollegin hat sich ebenfalls umorientiert, weil sie ohnehin schon länger aus der Gastronomie aussteigen wollte.

Im Lockdown und bei Kurzarbeit ist ihr die Entscheidung nun leicht gemacht worden, sagt Ute Stöhr. Obwohl auch die Schießhaus-Chefin das Kurzarbeitergeld aufstockt. Mit wenig Lohn und ohne Trinkgeld sei ein Auskommen nur schlecht möglich.

Doch Ute Stöhr hat noch eine ganz andere Sorge. Mit Blick auf die Saisonkräfte, darunter viele Studenten, ist sie sich nicht sicher, wie viele von ihnen nach dem Lockdown noch zur Verfügung stehen. Insgesamt sechs Mitarbeiter beschäftigt Stöhr normalerweise auf 450-Euro-Basis.

"Ich weiß nicht, ob sie wiederkommen oder inzwischen Drogerie-Regale einräumen." Was Stöhr verstehen würde, denn Studenten seien mit ihren Nebenjobs vom Lockdown besonders hart betroffen.

IHK: Suche nach Alternativen nachvollziehbar

Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden, sind derartige Personalprobleme längst zu Ohren gekommen. "Aus Gesprächen mit Vertretern der Branche hören wir teils gleichlautende Sorgen, ohne, dass man diese schon genau nach Anzahl von Personen beziffern kann".

Angesichts der lang andauernden Schließung der Hotellerie und Gastronomie und der Tatsache, dass das zur Verfügung stehende Kurzarbeitergeld unter dem früheren Netto liegt, seien die Bedenken der Wirte nachvollziehbar, dass sich die Kellner und Köche mangels einer zeitlichen Perspektive zur Wiederöffnung am Arbeitsmarkt umschauen.

Und zum Thema Saisonkräfte bestätigt auch Fiehler: "In der Branche gibt es auch eine erhebliche Zahl von Saison- bzw. Pauschalkräften. Hier gibt es eine unbekannte Grauzone, wie viele davon bei einer Wiederöffnung noch zur Verfügung stehen würden."

Diesen Personenkreis im Fall der Fälle dann wieder zurück zu gewinnen, sei sicher nicht leicht und vor allem abhängig davon, wie zufrieden diese Mitarbeiter mit den Jobs sind, in denen sie untergekommen sind.

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