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Grünes Gewölbe: 21 Schmuckstücke wurden gestohlen – 31 werden zurückgegeben

So groß die Freude über die bevorstehende Rückkehr der Juwelen aus Dresdens ist – noch bleiben viele Fragen ungeklärt.

Von Oliver Reinhard & Karin Schlottmann
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Das Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner soll bald wieder vollständig sen.
Das Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner soll bald wieder vollständig sen. ©  Archiv: dpa/Sebastian Kahnert

Über drei Jahre waren sie von der Bildfläche verschwunden, seit Sonnabend gibt es wieder ein „Lebenszeichen“ von ihnen: Die Soko Epaulette und das LKA Sachsen konnten zahlreiche Schmuckstücke des im Dezember 2019 aus dem Grünen Gewölbe in Dresden geraubten „Staatsschatz“ Sachsens sicherstellen.

Die Nachricht ging um die Welt, der Jubel ist groß, vor allem natürlich in Sachsen. Der Prozess um den Juwelendiebstahl läuft noch. Da eine Richterin krank geworden ist, findet der nächste Termin erst am 10. Januar statt. An dem Tag werden Erklärungen der Angeklagten erwartet. Die beteiligten Behörden halten sich mit Informationen vorerst zurück – noch gibt es mehr Fragen als Antworten.

Sind Absprachen zwischen den Beteiligten in Strafprozessen üblich?

Ja, es gibt sogar eine Vorschrift in der Strafprozessordnung dazu. Absprachen kommen vor allen in Wirtschaftsstrafprozessen sehr häufig vor. Das liegt daran, dass die Beweisführung hier oftmals sehr langwierig und manchmal auch wenig erfolgversprechend. Damit solche Verfahren in einem zeitlich vertretbaren Rahmen abgeschlossen werden können, einigen sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger häufig auf eine Absprache, die, verkürzt formuliert, auf Geständnis gegen Strafrabatt hinausläuft. Auch die Wiedergutmachung des häufig beträchtlichen Schadens ist für Angeklagte vor allem in Fällen des Wirtschafts- und des Steuerstrafrechts ein üblicher Schritt, um mit einer möglichst niedrigen Strafe davon zu kommen.

Und wie verhält es sich bei Einbrüchen wie im Fall des Grünen Gewölbes?

Im Fall des Einbruchs in das Grüne Gewölbe in Dresden dürfte das Interesse des Staates an Wiedererlangung der Diebesbeute mindestens genauso groß sein wie das Interesse an möglichst harter und abschreckender Bestrafung der Täter. Ein Verzicht auf die Rückgabe wäre kaum begründbar. Das Urteil dürfte trotzdem eine abschreckende Wirkung entfalten, weil die hohen Strafandrohungen möglichen Nachahmern das Risiko der Entdeckung vor Augen geführt haben. Deshalb wäre eine solche Verfahrensabsprache auch nicht unmoralisch. An einer Freiheitsstrafe wird für die Hauptangeklagten natürlich trotz Rückgabe der Juwelen und einem Geständnis kein Weg vorbei führen.

Warum haben sich die Remmos auf den Deal eingelassen?

Angeklagt sind sechs mutmaßliche Mitglieder eines arabisch-stämmigen Clans, der durch unzählige Straftaten bekannt geworden ist. Der Einbruch in das Berliner Bode-Museum sowie der dreiste Diebstahl der Dresdner Juwelen aus dem Grünen Gewölbe sind die beiden bisher prominentesten Straftaten des Clans. Zwei der Angeklagten, die sich seit Anfang des Jahres vor dem Landgericht Dresden verantworten müssen, sind wegen Diebstahls der Riesen-Goldmünze in Berlin vorbestraft. Sie müssen mit besonders langen Haftstrafen rechnen. Hinzu kommt die beträchtliche Strafandrohung durch die schwere Brandstiftung in der Tiefgarage.

Kurz vor Ende der Beweisaufnahme könnte der Druck auf die Angeklagten so groß geworden sein, dass sie sich entschlossen haben, die Beute zurückzugeben. Möglicherweise hat sich der Weiterverkauf als weniger lukrativ oder gar als erfolglos herausgestellt. Damit einher geht auch das Eingeständnis aller oder einzelner Angeklagter, dass sie etwas mit dem Diebstahl zu tun gehabt haben müssen.

Wann werden Sachsens Kronjuwelen wieder vollständig zu sehen sein?

Bis auf weiteres sind die gestohlenen und wiedererlangten Stücke Beweismittel und prozessrelevant. Das heißt, sie werden zunächst kriminaltechnisch untersucht und begutachtet, dann durch Expertinnen und Experten der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Das dürfte dauern, denn nach dieser weltberühmt und -berüchtigt gewordenen Vorgeschichte werden sich sowohl die polizeilichen Ermittler als auch die Kunstsachverständigen alle erdenkliche Mühe geben und sich dafür alle Zeit nehmen, die nötig ist, um Ungenauigkeiten oder gar vorschnelle Schlüsse so weit wie möglich auszuschließen.

Laut SKD werden „die originalen Stücke ... in angemessener Frist eine öffentliche Präsentation erfahren“. Heißt: Sie werden in noch nicht absehbarer Zeit zunächst einmal gesondert präsentiert und erst danach wieder im Grünen Gewölbe ausgestellt werden. Dort ist eines wohl sicher: In die alten Vitrinen, die zwar so schön „augusteisch“ aussahen, aber eben nicht sicher genug waren, kommen sie nicht zurück.

Warum sind 21 Objekte gestohlen, aber 31 zurückgegeben worden?

Auch hier kann leider nur vorsichtig spekuliert werden, weil die Kunstsammlungen mit Informationen derzeit noch extrem zurückhaltend sind und das Diebesgut noch prozessrelevant ist. Gestohlen worden waren 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4.300 Diamanten und Brillanten. Da laut einer ersten Sichtung der Beute in Berlin nun 31 Einzelteile zurückgegeben wurden, ist es wahrscheinlich, dass einige der Schmuckstücke zerteilt worden sind.

Mehrere Juwelen sind allerdings vollständig geblieben, darunter der Hutschmuck (Reiherstutz) und der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens aus der Brillantgarnitur. Es fehlen unter anderem die bei dem Diebstahl beschädigte Epaulette mit dem „Sächsischen Weißen“ und die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste.

Wie wird das Grüne Gewölbe in Zukunft sicherer gemacht?

Fassaden-Scanner, Lichtschranken, Bewegungsmelder und über 300 Kameras haben das Sicherheitskonzept des 2006 wiedereröffneten Grüne Gewölbes im Dresdner Residenzschloss umfasst, wo Tag und Nacht zwei Mitarbeiter den Staatsschatz über Monitore bewacht haben. Doch im Laufe des Prozesses kam heraus, dass mindestens eine Alarmanlage eine Neigung zu Fehlmeldungen und einige Außenscanner auch bei Schneefall oder Regen mit Alarm reagiert hatten. Zudem ist das Sicherheitsteam mit der Anlage offenbar nicht professionell genug umgegangen.

Als Konsequenz haben die Staatlichen Kunstsammlungen Sicherheitstechnik erneuert, die Schlossfassade baulich verändert und die Sicherheitsorganisation verbessert, alles mit Unterstützung des Landeskriminalamtes.

Mit dem Doppelhaushalt 2023/24 hat die Sächsische Staatsregierung mehr Personalmittel eingeplant, damit sollen unter anderem 20 fest angestellte und besonders ausgebildete Wachleute statt einer externen Security finanziert werden. Aber, und darin sind sich alle Beteiligten einig: Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht, in keinem Museum der Welt.

Die gesicherten Gegenstände wurden mit Spezialkräften der Polizei nach Dresden gebracht und hier zunächst kriminaltechnisch untersucht.