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Weg frei für umstrittene Semperoper-Erweiterung im Dresdner Zwingerpark

Um nicht schließen zu müssen, braucht die Semperoper in Dresden sehr kurzfristig eine Erweiterung. Lange gab es Streit darüber. Nun ist ein Kompromiss gefunden worden.

Von Kay Haufe & Dirk Hein
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Für den Erweiterungsbau müsste in den Zwingerpark neben dem ehemaligen Restaurant eingegriffen werden.
Für den Erweiterungsbau müsste in den Zwingerpark neben dem ehemaligen Restaurant eingegriffen werden. © Sven Ellger

Dresden. Nach monatelanger Kritik an den Erweiterungsplänen für die Semperoper ist am Mittwoch eine Entscheidung gefallen: Der Anbau im denkmalgeschützten Zwingerpark kann kommen. Allerdings ist vorab ein Kompromiss vereinbart worden.

Die Semperoper braucht den neuen Erweiterungsbau dringend. Der bestehende ist inzwischen baulich so marode und von den technischen Anlagen so verschlissen, dass er dringend saniert werden muss. In ihm befinden sich die Künstlergarderoben, die Probensäle, die Masken-Räume und Büros. Doch 40 Jahre lang ist in diesen Räumen kaum etwas passiert. Garderoben und Sanitäreinrichtungen entsprechen nicht mehr rechtlich geltenden Anforderungen - und schon gar nicht weltweitem Standard.

Semperoper-Erweiterung fällt kleiner aus als geplant

"Wir haben jetzt schon einen künstlerischen Qualitätsverlust, weil Künstler und Dirigenten aufgrund der Bedingungen nicht mehr kommen", sagt Jan Seeger, der Technische Direktor der Semperoper, am Mittwoch im Dresdner Bauausschuss. Regenwassereinbrüche in die Garderoben kämen ständig vor.

Damit der Bestandsbau saniert werden kann, müsste die Semperoper entweder vier Jahre pausieren - oder es gibt einen Ausweichbau, der wie der von Wolfgang Hänsch stammende Altbau einen vor Wind und Wetter geschützten Zugang zum Operngebäude hat. Nur so könnten Künstler geschminkt und aufgewärmt auf die Bühne. Die laut Freistaat einzige Möglichkeit ist ein Neubau unmittelbar neben dem Hänsch-Bau. Dafür müssten aber Grünflächen und Bäume im für die Stadt so wichtigen Zwingerpark verschwinden. Das hatte bisher keine Mehrheit im Stadtrat gefunden.

Nun hat sich der Bauausschuss auf einen Kompromiss geeinigt, den das Sächsische Immobilien- und Baumanagement (SIB) schon vor einigen Wochen vorgelegt hatte. Statt des bisher geplanten Neubaus von 42 mal 42 Metern in Breite und Höhe soll eine deutlich abgespeckte Variante von 26 mal 26 Metern in Breite und Tiefe kommen, der 18,60 Meter hoch sein soll.

So soll der der Erweiterungsbau der Semperoper (rechts) aussehen.
So soll der der Erweiterungsbau der Semperoper (rechts) aussehen. © Visualisierung: SIB Dresden

Dafür soll es aber einen Architekturwettbewerb geben, den SIB-Niederlassungsleiter Jörg Scholich ohnehin zugesagt hatte. Zudem soll das neue Gebäude Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen, einen hohen Anspruch an Klimaneutralität haben und eine überschlägige Ökobilanz aufweisen.

Der Ergänzungsantrag, der von den Grünen kam, beinhaltete mehrere Punkte: Zustimmung fand, dass geprüft werden soll, ob das Gebäude schlanker werden könnte. Zudem soll der Freistaat Sachsen eine Gesamtkonzeption zur weiteren baulichen Entwicklung der Semperoper am Marstall vorlegen. Gebeten wird auch darum darzulegen, wie die jetzt vorhandene Hinterhofsituation zum Bernhard-von-Lindenau-Platz städtebaulich aufgewertet werden kann.

"Der Neubau in der Nähe ist alternativlos"

Die Abstimmung verlief in emotional aufgeladener Atmosphäre. "Ich finde es unter keinen Umständen vertretbar, den Zwingerpark zuzubauen" sagte Johannes Lichdi von den Dissidenten. Es hätte auch im Marsstall Möglichkeiten gegeben, die schlichtweg von den Verantwortlichen weggewischt worden seien. "Sie haben von Anfang an nur den Zwingerpark ins Auge gefasst", sagte er mit Blick auf Jörg Scholich.

Ganz anders bewertete Mario Schmidt von der CDU-Fraktion die Situation. "Die Semperoper hat einen außergewöhnlich großen Wert für diese Stadt und wir haben dafür zu sorgen, dass dieser Wert erhalten bleibt." Jetzt sei eine Kompromissvariante gefunden worden, die vertretbar sei.

"Die Institution Semperoper ist gefährdet, wenn ihre Funktion gefährdet ist ", stimme Tilo Witz von den Linken zu. Der Neubau in der Nähe sei alternativlos.

Zeitplan: Drei Jahre Neubau, zwei Jahre Sanierung

Wie dringend der Freistaat die Entscheidung im Bauausschuss erwartete, wird am Zeitplan klar, den Jörg Scholich im Ausschuss erklärte. Ein Jahr wird allein schon für das Wettbewerbsverfahren vergehen, weitere zwei Jahre für die Planung des Baus. Drei Jahre Bauzeit schließen sich an. In Summer vergehen also sechs Jahre, ehe der neue Erweiterungsbau überhaupt genutzt werden kann. Mit mindestens zwei Jahren, eher drei rechnet das SIB für die Sanierung des Bestandsbaus.

Seit nunmehr 17 Jahren planen die Verantwortlichen im Freistaat an einem Erweiterungsbau für die Semperoper. In zentralster Innenstadtlage, umgeben von denkmalgeschützten Gebäuden, reichlich Leitungen im Untergrund und wichtigem Stadtgrün wurde jedoch lange keine genehmigungsfähige Variante gefunden.

"Wir waren im Jahr 2019 schon mal so weit, die Pläne vorzustellen, aber dann kam Corona und hat alles verzögert", sagt Jan Seeger. Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) sagte im Bauausschuss, dass die Verwaltung dieses Projekt sehr schnell vorantreiben wollte. Das hatte jedoch zur Folge, dass sich die Ausschussmitglieder schlecht informiert fühlten. Nach der ersten Vorstellung der Pläne im Juni erlitten die SIB-Vertreter Schiffbruch. Der erste Plan wurde als "aus der Zeit gefallen" bewertet und als "Treppenwitz" bezeichnet. Der drastische Eingriff in die denkmalgeschützte Parkanlage am Zwingerteich wurde abgelehnt. "Es war ein Fehler, dass wir den Punkt so schnell beschließen lassen wollten", sagte Kühn.

Die Kosten für den Neubau liegen bei "mindestens" fünf Millionen Euro. Vor Baubeginn soll ein Architekturwettbewerb stattfinden.