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Fernwärmeanschluss ist für Eigenheimbesitzer nicht die beste Lösung

Anfang des Jahres ist das Heizungsgesetz in Kraft getreten. Kay Münster, Immobilienverwalter aus Dresden, warnt vor übereilten Entscheidungen.

Von Nora Miethke
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Der Anteil der mit Fernwärme beheizten Wohnungen in Deutschland nimmt von Jahr zu Jahr zu. Doch es muss nicht immer die beste Lösung sein, um die Wärmewende zu meistern.  Foto: dpa
Der Anteil der mit Fernwärme beheizten Wohnungen in Deutschland nimmt von Jahr zu Jahr zu. Doch es muss nicht immer die beste Lösung sein, um die Wärmewende zu meistern. Foto: dpa © Marijan Murat/dpa (Symbolfoto)

Monatelang wurde erbittert um das sogenannte Heizungsgesetz gestritten: Zum Jahresanfang ist das Gebäudeenergiegesetz, wie es richtig heißt, in Kraft getreten. Es sieht vor, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.

Es ist erstaunlich ruhig geworden, was vermutlich daran liegt, dass sich für die allermeisten Hauseigentümer und –eigentümerinnen erst einmal nichts ändert. Doch der Eindruck täuscht. Kay Münster, Geschäftsführer der Reppe Verwaltung + Vermittlung von Immobilien GmbH in Dresden, hat täglich mit Haus- und Wohnungseigentümern, Immobilienkäufern und Objekt-Verwaltern zu tun. Er weiß, was sie bewegt, welche Sorgen sie haben, und da steht das Thema Heizung ganz oben auf der Liste.

Auch die Immobilienkäufer treibt das Thema immer noch um. Erst kürzlich hatte er eine Hausbesichtigung mit 50 Interessenten. „Da hat das Heizungsgesetz den ganzen Tag bestimmt“, sagt Münster. Die erste Frage sei immer, welche Heizung ist in der Wohnung, welche Alternative habe ich, und gibt es einen Fernwärmeanschluss. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland noch mal schnell 1,1 Millionen Gasheizungen eingebaut – ein Rekord. Und eine Fehlinvestition, angesichts dessen, dass eine Gasheizung 30 Jahre halten soll? Münster würde das nicht pauschalisieren. „Es gibt Eigentümer, die meinen, sie müssen jetzt ihre acht oder neun Jahre alte Gasheizung ersetzen, damit sie nach hinten heraus Luft haben. Das ist eine Fehlinvestition“, sagt er. Wenn man dagegen eine Heizung hat, die schon über 30 Jahre alt ist, dann kann es durchaus sinnvoll sein, eine neue Gasheizung mit Hybridfunktionen zu installieren und später noch mal nachzurüsten.

Der Immobilienexperte, dessen Firma in der Region Dresden rund 2.500 Immobilien-Einheiten verwaltet, hat jetzt den direkten Vergleich. Unter seinen Kunden ist ein Eigentümer, der hat letztes Jahr zehn Gasheizungen einbauen lassen, in einem Testobjekt aber auch zwei Luftwärmepumpen. Die erste Bilanz ist positiv. Bei gleicher Leistung seien die Kosten für die Mieter gesunken. Für das Haus mit sechs Wohneinheiten, in dem früher pro Jahr für 7.000 Euro Gas verbrannt worden war, rechnet Münster jetzt mit einer Ersparnis von 1.000 bis 1.500 Euro bei den Energiekosten. „Das ist schon ein Fakt, wo ich sage, das entwickelt sich positiv“, meint er. Denn Ziel der Modernisierung sei es ja, die Betriebskosten im Verhältnis zu den Kaltmieten wieder zu reduzieren.

Kay Münster, Geschäftsführer von Reppe Verwaltung + Vermittlung von Immobilien GmbH in Dresden, fordert mehr Unterstützung der lokalen Politik.
Kay Münster, Geschäftsführer von Reppe Verwaltung + Vermittlung von Immobilien GmbH in Dresden, fordert mehr Unterstützung der lokalen Politik. © PR

Eine herkömmliche Heizung hätte nur ein Viertel gekostet, denn man hätte nur den Brenner und die Gastherme austauschen müssen. Die Luftwärmepumpe zu installieren ist dagegen viel aufwendiger, bis dahin, dass das Fundament im Heizraum aufgemacht werden muss. Fördermittel machen die Investition erträglicher. Dennoch kann eine Luftwärmepumpe rein vom Anschaffungspreis nicht mit der Gasheizung mithalten. In die Kalkulation gehört aber auch der steigende CO2-Preis – er liegt jetzt bei 45 Euro pro Tonne –, der fossile Energie künftig teurer macht. „Mit jeder neuen Gesetzesänderung pro Umweltschutz wird sich eine solche Anlage früher rechnen“, sagt Münster.

Er berichtet, dass in den Eigentümergemeinschaften derzeit aktiv nach der Fernwärmeversorgung gefragt wird, da viele es „als Mittel der Wahl“ sehen. Im vergangenen Jahr habe man sich angesichts der Debatte um das Heizungsgesetz erregt, dass man sich nicht vom Staat enteignen lassen wolle. „Jetzt reden wir über Fernwärmeanlagen, die von Energieversorgern wie zum Beispiel Sachsenenergie eingebaut werden sollen, aber im Eigentum der Energieversorger bleiben“, sagt Münster und gibt zu bedenken, dass die Fernwärme im Verhältnis zu anderen Medien die am teuersten ist.

Aus Unternehmersicht sei es nicht wirtschaftlich, für Milliarden Euro Fernwärmenetze auszubauen, neben dem Gasnetz, und dann soll noch ein Wasserstoffnetz kommen. Münster befürchtet, dass es darauf hinauslaufen wird, dass der örtliche Versorger für ganze Stadtgebiete entscheiden wird, dass es nur ein Wärmemedium wie etwa Fernwärme gibt und nichts sonst. „Das ist dann Enteignung.“ Viele Eigentümer seien sehr auf die Fernwärme als vermeintlich einfachste Variante fixiert, auch weil die Umstellung wenig koste. Der Versorger übernimmt die Kosten für den Fernwärmeausbau. Die hohen Kosten würden die Mieter später durch den hohen Fernwärmepreis tragen. Den Menschen sei nicht bewusst, wo sie in der Abhängigkeit hinrennen, auch sei es natürlich bequem, die Verantwortung auf die Versorger abzuwälzen. „Warum soll ich mir Gedanken machen über meinen CO2-Fußabdruck, wenn der Versorger schuld ist, weil er die Fernwärme mit 90 Prozent Gas erzeugt. Dafür kann ich doch nichts“, spielt er mögliche Gedankengänge durch. Bei Münster hat das Umdenken zugunsten von erneuerbaren Energien und Wärmepumpen auch erst im letzten halben Jahr begonnen. „Auch wir waren der scheinbar einfacheren Variante verfallen, gebe ich offen zu“, sagt er und fordert von der lokalen Politik mehr Unterstützung bei der Kommunikation und Informationsbeschaffung. Da seien Bürgermeister und Stadtplaner gefragt.

Wohnungsmangel hält Preise hoch

Und worüber sollten sich Eigenheimbesitzer Gedanken machen, bevor sie die einfachste Lösung wählen? Da seien zuerst die städtebaulichen Bedingungen wichtig, aber auch die grundsätzliche Entscheidung, wohin man mit seiner Kapitalanlage in den nächsten 20 Jahren will. „Am Ende ist eine Immobilie auch ein kleines Unternehmen. Um sie weiterentwickeln zu können, brauch ich einen Plan“, so Münster. Es gebe Immobilien in Dresden, wo die Betriebskosten genauso hoch sind wie die Kaltmieten, aufgrund der Folgen von Umwelteinflüssen. Wohnen und Werterhaltung einer Immobilie seien sehr teuer geworden. Das Klischee vom „bösen Vermieter“ stimme nicht immer. Beim Großteil der Eigentümer sei es Familienerbe, das für zukünftige Generationen erhalten werden soll. Problem ist jedoch, das in den letzten Jahren sehr eng finanziert worden sei, sodass jede Reparatur und Instandhaltungsmaßnahme zum finanziellen Kollaps führen könne.

Dass der Wert der Kapitalanlage sinken werde, weil Eigentümer nicht ausreichend in die energetische Sanierung ihrer Gebäude investieren, glaubt der Reppe & Partner-Geschäftsführer zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Da keine 400.000 Wohnungen wie geplant im Jahr gebaut werden und viele Bauvorhaben wegen der hohen Kosten wieder in der Schublade verschwunden sind, verschärfe sich die Mangelsituation und folglich auch die Preisspirale, beschreibt er den gegenläufigen Trend.

Momentan gehen die Preise in Dresden allerdings zurück, zehn Prozent im Durchschnitt seien realistisch, so Münsters Schätzung. Trotz der gestiegenen Zinsen beobachtet Münster keine Kaufzurückhaltung. Die Nachfrage sei da, aber weniger Interessenten könnten ihren Wunsch am Ende auch umsetzen. „Die Frage ist, ob man für eine vierköpfige Familie 200 Quadratmeter Wohnfläche braucht?“, so Münster.

Der Wirtschaftsboom in Dresden wird sich auf den Wohnungsmarkt auswirken. Insbesondere Wohnraum für Familien wird sehr stark gefragt sein. „Wir müssen uns offen darüber Gedanken machen, ob ein Rentnerpaar mit 70 Jahren noch eine Vierraumwohnung braucht?“, so Münster. Er wolle Leute nicht aus ihren Wohnungen werfen, aber für Familien mit zwei Kindern werde es vermutlich noch schwieriger werden, eine bezahlbare Drei- oder Vierzimmerwohnung zu finden. Das sei eine Diskussion, die viel Sprengstoff berge. „Aber wir müssen uns ihr stellen, weil wir nicht genügend neue Wohnungen bauen werden können, um drei neue Chipfabriken mit Mitarbeitern bedienen zu können“, glaubt der Immobilienexperte.