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Wann verschwinden die blauen Rohre aus Dresdens Innenstadt?

Die blauen Rohre in der Innenstadt von Dresden sind in Sachen Ästhetik umstritten. Ohne die dominanten Rohre wären jedoch wichtige Bauvorhaben nicht abzusichern. Doch ihre Zeit ist begrenzt.

Von Kay Haufe
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Groß und blau verlaufen die Entwässerungsrohre quer durch das Dresdner Zentrum. Derzeit nehmen sie Grundwasser von der Baustelle Ferdinandplatz auf.
Groß und blau verlaufen die Entwässerungsrohre quer durch das Dresdner Zentrum. Derzeit nehmen sie Grundwasser von der Baustelle Ferdinandplatz auf. © Sven Ellger

Dresden. Seit 1997 prägen sie das Bild der Dresdner Innenstadt: Blaue Metallrohre, die meist über den Köpfen der Passanten verlaufen. Die ersten wurden mit dem Aushub der Baugrube am Wiener Platz errichtet, wo sie 17 Jahre lang standen, bis das sogenannte "Wiener Loch" bebaut wurde. Inzwischen kamen neue hinzu.

Einheimische nehmen sie teilweise schon kaum noch wahr, aber Touristen fragen sich verwundert, wofür die mitunter rostigen Teile, die auf Betonsockeln montiert sind, überhaupt da sind. Dabei übernehmen die Rohre, die von der Firma Brunnenbau Wilschdorf GmbH betrieben werden, eine wichtige Aufgabe in der Stadt, indem sie das Grundwasser aus den Baugruben für neue Gebäude aufnehmen und ableiten.

Welche Funktion haben die blauen Rohre?

Sie nehmen das Grundwasser aus den Baugruben für neue Gebäude auf, damit diese nicht überflutet und die Bodenplatten nicht nach oben gedrückt werden. Es waren viele Bauvorhaben in den vergangenen Jahren, die damit abgesichert wurden.

So wurde die heute bestehende Rohrleitung von 2,1 Kilometer Länge von den Baugruben im Bereich des Postplatzes, der Schweriner Straße, der Marienstraße, Schloßstraße, Landhausstraße, Waisenhausstraße, dem Schützenplatz und der Devrientstraße genutzt, sagt Sven Kästner von der Bauleitung der Brunnenbau Gmbh. Unter anderem wurde die Baustelle Annenhöfe am Postplatz darüber entwässert. Allein 600.000 Kubikmeter wurden nur dort abgepumpt.

Das Wasser wurde und wird vor allem in den Horizontalbrunnen am Kulturpalast eingeleitet, wo der Energieversorger Sachsen-Energie ihre Fernkältezentrale betreibt. Damit werden Hotels, die Frauenkirche und die Neubauten am Neumarkt versorgt. In einem Kreislauf strömt nach dem Prinzip eines Kühlschranks sechs Grad kaltes Wasser von der Kompressionskältemaschine in die Gebäude und kühlt die Räume. Auf zwölf Grad erwärmt kommt es später zurück. Wird das Wasser nicht in der Zentrale benötigt, läuft es in die Elbe.

Welche Baustellen werden derzeit damit entwässert?

Momentan endet die Rohrleitung an der Waisenhausstraße und damit an der Baugrube, in der das neue städtische Verwaltungszentrum am Ferdinandplatz entsteht. Von hier laufen stündlich 70 bis 80 Kubikmeter Wasser durch die Rohre über Georgplatz, Dr.-Külz-Ring, Wilsdruffer Straße und Gewandhausstraße bis zum Sachsen-Energie-Brunnen am Kulturpalast. Der Tiefbau ist dort Ende 2023 abgeschlossen.

In diesem Zeitraum soll auch der Neubau an der Ringstraße vor dem Gewandhaushotel entstehen, die auch mit einleiten wollen. "Von weiteren Bauvorhaben liegt uns noch nichts vor. Das heißt, Anfang 2024 könnten die blauen Rohre verschwunden sein. Für den Abbau benötigen wir zwei bis drei Monate", sagt Kästner.

Hatte die Trockenheit dieses Sommers Auswirkungen?

"Die in diesem Jahr stark anhaltende Trockenzeit hat sich natürlich auch auf den Grundwasserstand ausgewirkt. Diese waren etwas tiefer als die Mittelwerte der vergangenen Jahre", erklärt Kästner. Dieser Umstand können sich positiv für Bauvorhaben auswirken, da bei tieferen Grundwasserständen auch weniger abgesenkt werden muss und demzufolge weniger Wasser aus dem Boden entnommen wird.

"Weniger Wasser fördern heißt auch weniger Hebegebühren, weniger Beeinflussung auf die Grundwasserstände, weniger Energieverbrauch und somit erhebliche positive Faktoren für den Bauherrn", so Kästner. Sprich, Kosten konnten gespart werden.

Warum keine kürzere Rohr-Strecke in der Innenstadt?

Immer wieder kommt die Frage auf, ob man für die Entwässerung nicht eine kürzere Strecke vom Kulturpalast zur Elbe hätte wählen können. Das sei nicht nur optisch schöner als die lange Leitungsführung, sondern möglicherweise auch billiger.

Doch das ist ein Trugschluss, sagt das städtische Hochbauamt. "Es wäre in keinem Fall kostengünstiger gewesen, die bestehenden Rohre abzubauen und stattdessen neue Rohre zu verlegen." Die Ab- und Aufbaukosten hätten in voller Höhe zu Buche geschlagen.

Zudem würde eine kürzere Variante vom Kulturpalast zur Elbe mitten durch das historische Zentrum führen, vorbei an Schloss, Semperoper und Brühlscher Terrasse. Dies wäre mit den Belangen des Denkmalschutzes mit Sicherheit nicht vereinbar, so das Amt.

Die bestehende Leitung umgehe weitestgehend die touristischen Hauptattraktionen im historischen Zentrum. Doch das Amt gibt auch zu, dass die blauen Rohre "mit Sicherheit keine Bereicherung für die Innenstadt" darstellen. Sie seien aber unverzichtbar, solange es dort noch Bauvorhaben gibt.