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Wie kommt wieder Leben in Dresdens leere Innenstadtläden?

Die Einzelhandelsvermieter von BNP Paribas führen auch in Dresden Eigentümer und Mietinteressenten zusammen. Warum Systemrelevanz dabei inzwischen so wichtig ist und wie viele Läden bald neue Mieter brauchen.

Von Kay Haufe
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Für den Pavillon Prager Straße 4a suchen die Vermietungsspezialisten neue Interessenten und gehen dabei auch neue Wege.
Für den Pavillon Prager Straße 4a suchen die Vermietungsspezialisten neue Interessenten und gehen dabei auch neue Wege. © Christian Juppe

Dresden. Eine volle Prager Straße am vergangenen Samstag: Menschen hasten zu den Eingängen ihrer favorisierten Läden, andere suchen sich einen regengeschützten Platz unter den Bäumen und Arkaden. Dresdens beliebteste Einkaufsstraße hat ihre Besucher zurück. "Die Passantenfrequenz ist dort wieder so hoch wie in Vergleichsmonaten vor der Pandemie 2019", sagt Thomas Feldmann. Er leitet das Einzelhandelsvermietungsteam vom Immobiliendienstleister BNP Paribas für Leipzig und Dresden.

"Die Leute wollen nach langen Monaten, in denen größtenteils online gekauft werden konnte, wieder raus in die Innenstadt, wollen die Produkte wieder in die Hand nehmen, auch mal aus dem Bauch heraus etwas kaufen und nicht nur notwendigerweise", sagt er.

Erst seit 2017 gibt es die eigene Dresdner Niederlassung. Doch die Vermietungsspezialisten kennen sich schon viel länger aus auf dem Dresdner Einzelhandelsmarkt. "Der hat sich in den vergangenen Jahren schon verändert, nicht erst seit Corona", weiß Feldmann.

Systemrelevante Mieter werden immer wichtiger

Klar ist, dass die Pandemie den Handel ganz besonders geprägt hat. Das Zauberwort für Vermieter heißt inzwischen "systemrelevant". "Sie suchen verstärkt nach Lebensmittelanbietern, Drogerien oder Optikern, die auch während Lockdowns öffnen dürfen und so keine schließbedingten Mietausfälle verursachen", sagt Feldmann.

Seine Kollegin Davia Schulze ergänzt, dass sich natürlich auch die Vermittler neu orientieren und überlegen mussten, welche neuen Konzepte jetzt funktionieren könnten. Dabei haben sie Lieferdienste wie Gorillas oder Flink für sich entdeckt. Diese haben sich neu in Dresden angesiedelt und konnten für leerstehende Flächen wie eine in der Mälzerei gewonnen werden.

Kürzere Laufzeiten der Mietverträge

Die Laufzeiten der Laden-Mietverträge werden kürzer, weiß Feldmann. "Während ein Lebensmittel-Anbieter schon noch bereit ist, für zehn Jahre zu unterschreiben, sind es viele andere nicht mehr." Inzwischen seien Fünf-Jahres-Verträge mit einem Sonderkündigungsrecht nach drei Jahren sehr häufig, sagt Schulze. Das gelte sogar für Filialisten, die ihren Internethandel immer weiter ausbauen und die Entwicklungen dort abwarten wollen, ohne sich zu lange stationär zu binden.

"Aber man muss auch bedenken, dass Händler allein für den Ladenbau zwischen 1.500 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter ausgeben. Das ist erst nach sieben, acht Jahren abgeschrieben. Manche Eigentümer kommen den Mietern deshalb entgegen und beteiligen sich an den Kosten der Einrichtung." Insgesamt könne man sagen, dass es heute mehr ein Mietermarkt ist und dessen Interessen mehr wiegen, als noch vor zehn Jahren, so Feldmann.

Davia Schulze und Thomas Feldmann (auf dem Bildschirm bei der Videokonferenz) von BNP Paribas kennen die Einzelhandelslandschaft der Innenstadt ganz genau. Auch die Flächen, von denen die Mietverträge erst in zwei, drei Jahren auslaufen.
Davia Schulze und Thomas Feldmann (auf dem Bildschirm bei der Videokonferenz) von BNP Paribas kennen die Einzelhandelslandschaft der Innenstadt ganz genau. Auch die Flächen, von denen die Mietverträge erst in zwei, drei Jahren auslaufen. © Christian Juppe

Kleinere Handelsflächen, neue Nutzungsarten

Während vor zehn Jahren große Anbieter problemlos schon mal 3.000 Quadratmeter Fläche gemietet haben, ist der Bedarf mit dem zunehmenden Onlinehandel kleiner geworden. "Der Mieter hängt sich heute nicht mehr alles voll, sondern die Kunden bestellen den Artikel eben online, wenn er nicht in der Größe oder Farbe vorrätig ist", sagt Feldmann.

Das hat zur Folge, dass insbesondere Flächen über zwei Etagen oder im Untergeschoss kaum noch nachgefragt sind, auch, weil man dafür mehr Personal bräuchte. Das stellt die Eigentümer der Ladenflächen vor große Herausforderungen, sie müssen flexibler werden. "An der Stelle unterbreiten wir natürlich Vorschläge, was man an der Immobilie verändern könnte, um neue Interessenten zu finden. Aber nicht jeder kann oder will darauf eingehen", sagt Davia Schulze. Denn damit sind oft auch hohe Umbaukosten verbunden.

Im konkreten Fall des Pavillons auf der Prager Straße 4a, in dem unter anderem eine McDonalds-Filiale ansässig ist, haben die Vermietungsspezialisten eine Büronutzung für das Obergeschoss vorgeschlagen. Denn bei einer extrem niedrigen Leerstandsquote bei Büroflächen von 2,4 Prozent seien die in Dresdens Innenstadt sehr gefragt. Ob der Vorschlag am Ende umgesetzt wird, ist abzuwarten.

Denn es gibt wirtschaftliche Aspekte zu beachten. Ein Eigentümer kann in der Lage Prager Straße Mitte für eine Einzelhandelsfläche im Erdgeschoss bis zu 50 Euro Miete pro Quadratmeter und Monat erzielen. Verläuft die Fläche über zwei Ebenen, nimmt der Mietpreis oben ab. Für einen Quadratmeter Bürofläche in der City kann er bis zu 19 Euro Miete pro Monat bekommen. Der Unterschied ist hier: Büroflächen sind stark nachgefragt.

"Wichtig ist, dass der Eigentümer bereit ist, etwas an der Immobilie zu tun", sagt Davia Schulze. Die Bereitschaft sei während Corona aber gestiegen. Einfach ist eine Umnutzung indes nicht, wenn zum Beispiel ein Gastro-Unternehmen in eine ehemalige Ladenfläche einziehen will, wo es oft keine sanitären Einrichtungen oder technisch notwendige Ausrüstungen wie einen Fettabscheider gibt.

Zudem muss die Nutzungsänderung bei der Stadt beantragt werden. "Was heute auch länger dauert, als noch vor der Pandemie", sagt Thomas Feldmann. Aber eine veränderte Nutzung bringt oft noch einmal neuen Schwung in scheinbar festgefahrene Verhandlungen.

Filialisten können hohe Mieten bezahlen

Viele Dresdner bedauern, dass es in der Innenstadt viele Filialgeschäfte gibt, aber zu wenige individuelle, von Inhabern geführte Läden. Das sei in erster Linie dem freien Markt geschuldet, erklärt Feldmann. "Fakt ist, dass die Filialisten aufgrund ihrer Größe die besten Mieten bezahlen können."

Die Vermieter von BNP können diesbezüglich auf ein bundesweites Netzwerk zurückgreifen. "Manche Anbieter haben sogar Listen, in welche Städte sie expandieren wollen. Wir suchen dann gemeinsam nach passenden Angeboten." Oft unternehmen die Vermietungsspezialisten deshalb sogar Touren mit den Interessenten durch Leipzig und Dresden. "Die wollen die Lagen genau sehen."

Für Konzepte ausländischer Anbieter, die neu auf den deutschen Markt wollen, sei Dresden aber meist erst in der zweiten Ansiedlungswelle dabei. Vielmehr konzentrierten sich die Unternehmen dabei auf die Millionenstädte wie Berlin, Hamburg oder München. "Erst, wenn das dort funktioniert, kommen wir ins Spiel", sagt Feldmann.

Leerstand schon beim Bau vermeiden

Nicht nur die Flächen, die bereits leer stehen, sind für Feldmann, Schulze und ihre Kollegen interessant, sondern auch die, deren Mietverträge in zwei, drei Jahre auslaufen. Für sie müssen möglichst schon zeitig genug vorher Mieter gefunden werden, damit kein langer Leerstand entsteht. "Insgesamt sind das in Dresden derzeit rund ein Drittel aller Flächen", sagt Davia Schulze. Natürlich sind das sensible Informationen, mit denen die Vermietungsfachleute sehr diskret umgehen müssen. Auch, um ihre Kunden nicht an andere Wettbewerber zu verlieren. "Die Top-Einzelhandelsflächen laufen ohnehin völlig unter dem Radar, die erscheinen nie im Immoscout oder ähnlichen Portalen", sagt Thomas Feldmann.

Um Leerstand bei neuen Immobilien wie auf der Wallstraße oder am Postplatz zu vermeiden, appelliert Schulze an Eigentümer, schon vor oder während des Baus auf die Vermietungsfachleute zuzukommen. "Wir wissen, welche Branchen in welchen Größen dort genau nachgefragt werden. So könnten die Projektentwickler gezielt Flächen bereitstellen, die auf die künftigen Nutzer abgestimmt sind." Das passiere zum Teil schon, aber noch zu selten.