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Ist das Sachsen-Energie-Gebäude in Dresden eine Todesfalle für Vögel?

74 Millionen Euro hat sich der Energieversorger für Dresden und Umgebung das Hochhaus als Anbau hinter dem Hauptbahnhof kosten lassen. Wie sich jetzt herausstellt, ist die Glasfassade ein Problem für Vögel.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Die Glasfassade am Sachsen-Energie-Bau hat bereits einigen Vögeln das Leben gekostet.
Die Glasfassade am Sachsen-Energie-Bau hat bereits einigen Vögeln das Leben gekostet. © Christian Juppe

Dresden. 2022 erst wurde es eröffnet, das Hochhaus der Sachsen-Energie. Doch die Glasfassade hat bereits etliche Vögel das Leben gekostet. Wurde bei der Planung und beim Bau an der falschen Stelle gespart? Wie jetzt bekannt wurde, soll das Gebäude zumindest entsprechend umgerüstet werden.

Was ist das Problem?

Jedes Jahr verunglücken Vögel deutschlandweit an Glasflächen durch sogenannten "Vogelschlag". Das bedeutet, sie fliegen gegen Scheiben, weil diese entweder für sie durchsichtig sind oder die Umgebung widerspiegeln. Um das zu vermeiden, gibt es Richtlinien, wie Fassaden zu gestalten sind.

Für den Neubau der Sachsen-Energie vermutet Grünen-Stadtrat Torsten Schulze, dass diese nicht ausreichend beachtet wurden, denn dort verendeten immer wieder Vögel, würden vom Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefunden und müssten aufgelesen werden. Zudem gingen Naturschützer von einer hohen Dunkelziffer aus, weil die toten Tiere nicht gefunden würden, wenn Füchse, Katzen, Marder oder Krähen diese holten und fräßen.

Gibt es wirklich tote Vögel bei der Sachsen-Energie?

Bei der Sachsen-Energie kennt man das Thema. Sprecherin Nora Weinhold räumt auf Anfrage ein: "Korrekt ist, dass vereinzelt tote Vögel gefunden wurden, die im Zusammenhang mit einer Kollision am Gebäude stehen könnten." Es treffe aber nicht zu, das Mitarbeitende regelmäßig tote Vögel im direkten Umfeld des Neubaus "auflesen" müssen.

Wurde der Vogel-Schutz beim Bau beachtet?

"Im Zuge der Planung wurden alle vorgeschriebenen und üblichen Anforderungen an ein Gebäude dieser Art berücksichtigt", so die Sprecherin. Es sei allen Anforderungen entsprochen worden. "Von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) wurde der Status Gold für den Neubau zertifiziert."

Gab es Maßnahmen darüber hinaus?

Zudem habe Sachsen-Energie bereits im Sommer 2023 wegen des Problems mit den Vögeln Spezialisten herangezogen, so die Sprecherin. "Ein Planungsbüro sowie die Technische Universität Dresden mit dem Fachbereich Gebäudemanagement wurden konsultiert, um den Schutz der Vögel zu verbessern."

Das beauftragte Büro arbeite nach dem "AAD" – "Animal-Aided Design". Das ist eine Methode, die den Schutz und die Förderung von wild lebenden Tieren und Stadtplanung miteinander in Einklang bringt.

"Im Ergebnis haben wir die Jalousiensteuerung angepasst, sodass die Jalousien in Dämmerung geschlossen wurden", erläutert Weinhold den ersten Schritt. Danach habe man weniger tote Vögel am Gebäude der Sachsen-Energie gefunden. "Das werden wir weiter optimieren. Darüber hinaus planen wir weitere Maßnahmen wie das Bekleben mit Vogelschutzfolie an bestimmten Stellen des Gebäudes, um somit den Vogelflug am Gebäude zu verringern."

Was für Befürchtungen gibt es nun?

Stadtrat Schulze vermutet, dass durchaus mehr Vögel an der Fassade des Energieversorgers gescheitert sein könnten. Die Nachrüstungen sieht er als Indiz dafür. "Gäbe es keinen erhöhten Vogelschlag, wäre diese Maßnahme nicht notwendig", glaubt der Grüne.

Erhöhte Vogelschlagzahlen seien insbesondere im März und September zu verzeichnen. "Das sind die Zeiten, wenn Zugvögel unterwegs sind und durch Brut und Nahrungssuche unterwegs sind. Das aktuell weniger tote Vögel aufgelesen werden, sieht Schulze durch die Winterzeit und weniger Vogelflug begründet. "Allerdings dürfte es im nächsten Monat schon wieder anders aussehen."

Was wird gefordert?

"Um diesen Missstand an der Firmenzentrale abzustellen und das noch vor dem Frühjahr, ist jetzt schnelles Handeln notwendig", fordert Schulze. "Dass die Jalousien geschlossen werden, spielt sicherlich in den Fassadenecken eine Rolle. Dort fliegen die meisten Vögel bei fehlendem Vogelschutz an, da sie den Blick durch beide Scheiben haben." Aber auch Vögel, die sich in die Innenhöfe verirren, finden nicht einfach wieder ins Freie. "Da sich der Himmel in den Scheiben spiegelt und die Vögel irritiert, fliegen sie gegen die Scheiben anstatt in die Höhe."

Das Problem mit dem "Vogelschlag" sei "offenbar übersehen" worden, so Schulze.

Grünen-Stadtrat Torsten Schulze sagt, an der Firmenzentrale der Sachsen-Energie wurde der Vogelschutz "vergessen".
Grünen-Stadtrat Torsten Schulze sagt, an der Firmenzentrale der Sachsen-Energie wurde der Vogelschutz "vergessen". © René Meinig

Aber er sagt auch, dass es in Dresden an vielen Gebäuden diese Probleme mit großen Glasfassaden gebe.

Was plant die Sachsen-Energie?

Sachsen-Energie-Sprecherin Weinhold verweist darauf, dass bereits erste Maßnahmen wie die mit den Jalousien umgesetzt wurden. "Diese haben wir im Sinne des Tierwohls ergriffen und mit der Erarbeitung von weiteren Lösungsansätzen begonnen, um eine angemessene Lösung zu finden." Die Kosten dafür können aber aktuell noch nicht beziffert werden. Und sie stellt klar: "Es wurde nicht auf den Schutz gegen Vogelschlag am Gebäude verzichtet."