Freischalten Freischalten Feuilleton
Merken

Alice Schwarzer liest in Dresden

Der März wird weiblich mit dem Festival „frau.macht.theater“. Auch zwei umstrittene Autorinnen sind dabei.

Von Fionn Klose
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Alice Schwarzer zusammen mit Nina Gummich, die im ARD-Zweiteiler „Alice“ die Titelrolle spielte.
Alice Schwarzer zusammen mit Nina Gummich, die im ARD-Zweiteiler „Alice“ die Titelrolle spielte. © RBB_Alexander Fischerkoesen

Der März steht am Societaetstheater im Zeichen der Weiblichkeit. Mit einem Festival-Programm, das es in sich hat. Namhafte, aber auch umstrittene Persönlichkeiten wie die Feministin Alice Schwarzer und die Israelkritikerin Emilia Roig sind eingeladen, um aus ihren Büchern zu lesen.

Die Kuratorinnen Kathleen Gaube und Sabine Köhler waren viel unterwegs, um auf das Thema, die Inhalte und den Festival-Titel „frau.macht.theater“ zu kommen. „Vor einem Jahr haben wir angefangen“, sagt Gaube. Sie habe viele Bücher gelesen, um sich den Themen rund um Weiblichkeit und den Fragen der vierten Welle des Feminismus zu nähern. Von Alice Schwarzer über Margarete Stokowski bis zu Sophie Passmann las sie alles.

Mit ihrer Kollegin Sabine Köhler schuf sie ein vielseitiges, internationales und buntes Programm. Ein aktueller Anlass ist der 8. März, der Internationale Frauentag. Den Auftakt machen die Barbaren Barbies, ein internationales Zirkus-Kollektiv aus Berlin, mit dem „Wild Women Circus“. Der verbindet Tanz, Theater und modernen Zirkus mit viel Humor. „Es ist eine Ode an starke Frauen, bei der mit großer Heiterkeit die Probleme der Frau erzählt werden“, sagt Kathleen Gaube.

Fritzi Ernst tritt mit Soloprogramm auf

Sarah Lindermayer und Sarah Bleasdale sind Teil des Kollektivs. „Wir halten auf humorvolle Weise dem Publikum den Spiegel vor“, sagt Bleasdale. Ihr Spiel reflektiere mit Witz und Spaß gesellschaftliche Verhältnisse. „Mit Comedy sind wir frei, alles zu sagen.“ Dabei spielen sie stereotypische Charaktere. So bringen sie Themen wie Gleichberechtigung auf die Bühne, die auch andere Geschlechter betreffen. Und wollen alle, unabhängig vom Geschlecht, dazu ermutigen und inspirieren, für sich selbst einzustehen.

Einigen Indie-Pop-Fans dürfte der Name Fritzi Ernst etwas sagen. Viele Jahre spielte sie in der Band Schnipo Schranke. Mit ihrem Song „Pisse“, in dem es um eine unglückliche Liebesbeziehung geht, wurde die Band auch über die Grenzen Deutschlands bekannt. Nach sieben Jahren und zwei Alben löste sich Schnipo Schranke auf. Fritzi Ernst begann eine Solokarriere. An diesem Freitag spielt sie im Foyer des Societaetstheaters.

Die Performance „The Last Word“ macht die Stimmen von Frauen sichtbar, die sich gegen die Verhältnisse unter dem russischen Regime auflehnten und wegen politischer Verbrechen verurteilt wurden. Die Aufführung basiert auf den Schlussplädoyers von Frauen wie Maria Alyokhina, Nadezhda Tolokonnikova, Alla Gutnikova, Sasha Skochilenko und Zarifa Sautieva. Es ist ein Einblick in eine Welt, in der es keine Meinungsfreiheit gibt.

Schwarzer: "Transideologie bedroht biologische Frauen"

Eine Frau, deren Namen jedem etwas sagen dürfte, ist Alice Schwarzer. Sie ist für eine Lesung ihrer Autobiografie „Mein Leben“ nach Dresden eingeladen. Die Journalistin und Feministin gilt bis heute als die Stimme für die Rechte der Frauen. Sie engagierte sich in der französischen Frauenbewegung, gilt als Initiatorin der Stern-Aktion „Wir haben abgetrieben!“ von 1971, in der insgesamt 374 Frauen zugeben, einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen zu haben. Ein Verstoß gegen geltendes Recht. Die Aktion war ein Meilenstein für die moderne Frauenbewegung in Deutschland.

Schwarzer, die auch Herausgeberin der von ihr gegründeten Zeitschrift Emma ist, polarisiert. „Viele Äußerungen, die sie zu der Möglichkeit des Friedens in der Ukraine gemacht hat, sind problematisch“, sagt Heiki Ikkola, Chef des Societaetstheaters. „Die sehen wir auch eher kritisch.“ Zuletzt fiel sie mit Aussagen zu Transsexualität auf. Schwarzer ist eine große Kritikerin des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes. Es soll trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Auf die Frage, warum der Schutzmantel des Feminismus nicht mehr über Transfrauen ausgebreitet werden sollte, antwortet Schwarzer in einem Interview mit dem Spiegel: „Weil die offensive Transideologie inzwischen die biologischen Frauen bedroht.“ Trans zu sein, sei schick unter jungen Leuten. „Diese Transideologen sind reaktionär, sie propagieren ein tief rückschrittliches Denken“, sagt sie.

Emilia Roig wirft Israel "genozidale Absichten" vor

„Es war uns ganz wichtig, genau diesen Monat breit aufzustellen“, sagt Kuratorin Kathleen Gaube zur Einladung Schwarzers. „Sie gehört für mich definitiv dazu, wenn wir über Frauen reden.“ Man lade sie explizit ein, damit sie über ihr Leben erzählt. Das Festival solle streitbar sein. Diskursräume sollen offengelassen werden.

Es steht noch eine weitere Buchautorin auf dem Programm, die zuletzt mit umstrittenen Aussagen auffiel: Emilia Roig. Die aus Frankreich stammende Politologin und Sachbuchautorin kritisierte in der Vergangenheit heftig das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen. Bei der Diskussionsreihe „Streitraum“ sagte sie, Israel habe eine „genozidale Absicht“ in dem Konflikt. Die Region Hannover hat einen Frauenneujahrsempfang, zu der auch Roig eingeladen war, wegen ihrer Haltung gegenüber Israel abgesagt.

„Wir haben sie eingeladen, bevor sie diese Aussagen gemacht hat“, sagt Kathleen Gaube. „Natürlich ist sie auch eine umstrittene Frau, auch in ihren Aussagen zum Feminismus.“ Man habe sie aufgrund ihres Buches „Das Ende der Ehe“ und ihrer Rolle als streitbare Feministin eingeladen. Aber nicht für politische Statements. Gemeinsam mit einer Soziologin der TU Dresden soll Roig im Anschluss an eine Lesung über das Buch sprechen. Auch das Publikum soll Fragen stellen dürfen. Solche, die ihre Aussagen bezüglich Israel betreffen, sollen natürlich nicht eingegrenzt werden. „Das Theater soll ein offener Gesprächsort sein“, sagt Kuratorin Kathleen Gaube. „Und diverse Meinungen sollen auch da möglich sein.“

Das Festival „frau.macht.theater“ findet vom 1. bis 30. März im Dresdner Societaetstheater, An der Dreikönigskirche 1a statt. Einige Veranstaltungen sind kostenlos. Infos und Tickets gibt es unter www.societaetstheater.de.