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"Berlin Berlin" in Dresden: Bananentanz in der Semperoper

Die Sängerin und Tänzerin Paige Fenlon gastiert in der 20er-Jahre-Revue „Berlin Berlin“ als Josephine Baker. Es sei toll, diese Exzentrikerin zu sein, verrät sie im Interview.

Von Bernd Klempnow
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Die Britin Paige Fenlon überzeugt als Josephine Baker beim ekstatischen Charleston im Bananenrock ebenso wie im gold-glitzernden Kleid beim Liza-Minnelli-Song aus „Cabaret“ „Mein Herr“ mit Perfektion und großem Herzen.
Die Britin Paige Fenlon überzeugt als Josephine Baker beim ekstatischen Charleston im Bananenrock ebenso wie im gold-glitzernden Kleid beim Liza-Minnelli-Song aus „Cabaret“ „Mein Herr“ mit Perfektion und großem Herzen. © PR

Dieser Tanz ist unverändert eine Sensation. Wenn die britische Allround-Künstlerin Paige Fenlon den Charleston im Bananenkostüm von Josephine Baker interpretiert, dann jubelt der Saal. Nur zu gut versteht man Zeitgenossen, die diesen Tanz in den 1920er-Jahren als einen „Triumph der Geilheit“ feierten. Man ahnt, wie die Körperlichkeit und Ekstase der „schwarzen Venus“ die Leute schockiert und zugleich fasziniert haben muss. Die Baker ist eine der Hauptfiguren der Revue „Berlin Berlin“, die die Stars und Hits der Goldenen 20er-Jahre feiert. Im Juli ist diese in der Semperoper zu erleben.

Auch Stilikone Marlene Dietrich ist in der Revue "Berlin Berlin" zu erleben.
Auch Stilikone Marlene Dietrich ist in der Revue "Berlin Berlin" zu erleben. © PR

Gut zweieinhalb Stunden geht es vor allem um das Nachtleben in der deutschen Hauptstadt. Ein charismatischer Conférencier erzählt pikante und verbriefte Anekdoten aus der Metropole des Lasters und präsentiert so provokante wie schillernde Showpersönlichkeiten jener Zeit. Da verdreht die Stilikone Marlene Dietrich als „fesche Lola“ den Männern den Kopf. Da landen Bertolt Brecht und Kurt Weill mit ihrer „Dreigroschenoper“ einen unerwarteten Hit. Und die Comedian Harmonists erinnern sich an ihren zunächst mühsamen Karriereweg bis zu ihren Ohrwürmern „Veronika, der Lenz ist da“ und „Mein kleiner grüner Kaktus“.

„Veronika, der Lenz ist da“ singen die Comedian Harmonists.
„Veronika, der Lenz ist da“ singen die Comedian Harmonists. © PR

Originell abgerundet wird dieser Tanz auf dem Vulkan mit den Auftritten der Josephine Baker. Ein Gespräch mit Paige Fenlon über ihre ganz besondere Rolle und deren Herausforderungen.

Frau Fenlon, wie ist es, eine Legende wie Josephine Baker darzustellen und den legendären Charleston zu tanzen?

Ich denke, es ist ein Privileg, sagen zu können, dass ich einen der erfolgreichsten afroamerikanischen Künstler in der europäischen Geschichte spielen darf. Die Art, wie sie sich bewegt, ihre Gesichter, wie sie sich unterhält, das ist einfach ikonisch. Ich genieße jede einzelne Minute davon.

Was wussten Sie vor der „Berlin Berlin“-Produktion über die Künstlerin?

Ich meine, es versteht sich von selbst, den Bananenrock kennen wir doch alle, oder? Josephine Baker war eine unvergleichliche Entertainerin und zugleich Projektionsfläche für damalige koloniale Sehnsüchte nach Sinnlichkeit und Sex, nach Urwald und Exotik. Damit wurde sie zum Star und nutzte ihre Popularität, gegen Rassenungerechtigkeit zu kämpfen. Josephines Privatleben war ebenso einflussreich und spektakulär, wie sie sich inszenierte, etwa, wenn sie mit einem Vogel-Strauß-Wagen durch Berlin fuhr. Ihre Karriere und ihr Einsatz für den Kampf gegen Rassismus veränderten die Geschichte der farbigen Frau.

Die Baker war so exzentrisch wie selbstbewusst. Wie interpretieren Sie das?

Ich denke, der größte Teil ihres enormen Selbstvertrauens beruht auf einer tiefen Liebe und Leidenschaft für die Unterhaltung. Das ist, was ihre Darbietungen ausstrahlt und es uns als Publikum ermöglicht, uns zurückzulehnen und zu entspannen, um zugleich Ehrfurcht vor ihr zu empfinden. Sie selbst schrieb in ihren Memoiren, man sollte den Charleston mit Muschelketten tanzen, die auf der Haut hüpfen und rasseln. Sie habe statt Muscheln Bananen und Federn genommen, um zu verstärken, wenn sie mit den Hüften wackelte, mit den Händen wedelte und den Popo spielen ließ. Ihre Botschaft ist klar: Das Leben, ein Spaß, auch wenn sie selbst schon früh durch Pogrome gegen Afroamerikaner in den USA erfahren hat, dass das Leben keineswegs immer nur ein Spaß ist.

Wie gehen Sie mit dem Klischee des Bananenrocks um?

Zuerst musste ich mich an das Kostüm ein wenig gewöhnen. Je mehr ich mich aber mit der Rolle identifizierte, verstand ich, was das knappe, sexy Kostüm zu dem machte, was es ist. Es ist Provokation, Statement und Teil der Geschichte. Es ist, als würde man den Vorurteilen der Menschen einen Spiegel vorhalten – damals, 1926, als Josephine erstmals den Bananenrock aus Pappmaché trug, war es gigantischer Spiegel für die europäischen Vorurteile. Und das gilt, finde ich, vielfach bis heute. Ich jedenfalls liebe den Bananentanz und den dazugehörigen Rock. Den Bananenrock möchte ich nie mehr ausziehen!

Die Revue "Berlin Berlin" feiert die Hits und Stars der Goldenen 20er-Jahre.
Die Revue "Berlin Berlin" feiert die Hits und Stars der Goldenen 20er-Jahre. © PR

Wie lange macht so eine Rolle Spaß oder wird sie nach der x-ten Wiederholung zur Routine?

Eine lustige Rolle, die Rolle einer solchen Persönlichkeit, stirbt nie an der Wiederholung. Man findet jeden Abend etwas Neues. Sie ist verspielt, kreativ, frei – alles, was ich mir von einer Rolle wünsche.

Wie schaffen Sie den Brückenschlag zum ebenso starken „Cabaret“-Song von Liza Minnelli „Mein Herr“?

Durch die Nutzung der Wut, des Schmerzes und der Frustration aus der vorherigen Szene, als Josephine sich die rassistischen Beleidigungen eines Mannes in der Menge anhören muss. Mit dieser Wut ist einfach, „Mein Herr“ aufzubauen und so stark zu interpretieren. Spannend ist, dass diese unangenehmen schrecklichen Worte, die ihr gegenüber verwendet werden, die Wut im Laufe des Liedes eindämmen, um uns am Ende dorthin zu bringen, wo wir sein müssen: groß, kraftvoll und heldenhaft.

Service & Karten

  • Die Revue „Berlin Berlin – Die große Show der Goldenen 20er-Jahre“ ist seit ihrer Premiere im Berliner Admiralspalast Ende 2022 auf Tour. Die Songs erklingen in den Originalsprachen, die Dialoge sind auf Deutsch.
  • Vom 18. bis 30. 7.2023 gastiert „Berlin Berlin“ in der Dresdner Semperoper. Karten gibt es bereits im Vorverkauf ab 40,50 Euro, zzgl. Gebühren der Vorverkaufsstellen.
  • Tickets gibt’s auch in allen DDV-Lokalen, tel. unter 0351 4864 2002 und online unter www.sz-ticketservice.de