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"Die Buchhändlerin" in Dresden: Bitte diskutieren Sie jetzt!

„Die Buchhändlerin“ in Dresden ist ein Theaterstück über eine bekannte Dresdnerin – aber vor allem über das Aushalten anderer Meinungen. Warum es nun aktualisiert wurde.

Von Johanna Lemke
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Die Figuren in „Die Buchhändlerin“ erheben sich von der realen Vorlage und werden Stellvertreter für eine Debatte, die die gesamte Gesellschaft erfasst hat.
Die Figuren in „Die Buchhändlerin“ erheben sich von der realen Vorlage und werden Stellvertreter für eine Debatte, die die gesamte Gesellschaft erfasst hat. ©  André Wirsig

Die Fronten sind verhärtet. Wer lässt sich noch auf eine andere Meinung ein? Während vor Jahren durchaus erbittert, aber noch einigermaßen offen diskutiert wurde, scheint jetzt kaum noch eine Annäherung möglich zu sein zwischen Links und Rechts. In Internetforen wird gepöbelt. Bei öffentlichen Veranstaltungen verdrehen sich Augen derer, die schon wissen, dass sie dem oder der anderen keinesfalls zustimmen werden. In Familien herrscht längst Schweigen, denn nur so ist diese Unversöhnlichkeit auszuhalten.

Eine, die nicht aufhört, zu sprechen, ist die Schauspielerin Kathleen Gaube. "Es macht mich aus, dass ich immer frage: Warum denkt mein Gegenüber so, und warum denke ich anders?", sagt sie. Diese Haltung ist ihr Antrieb, als sie das Theaterstück "Die Buchhändlerin" entwickelte. Vor zwei Jahren hatte es Premiere am Dresdner Societaetstheater und wurde damals von der Kritik gefeiert. Nicht nur, weil damit der stadtbekannten Loschwitzer Buchhändlerin Susanne Dagen, die es mit ihren rechten Positionen immer wieder in die Öffentlichkeit schafft, ein Theaterstück gewidmet wurde, denn um Dagen konkret geht es tatsächlich nur am Rande. Sondern vor allem, weil die Inszenierung, in der Kathleen Gaube die Hauptrolle spielt, der gesellschaftlichen Unversöhnlichkeit etwas entgegensetzt.

Mit den Mitteln einer ins Groteske überzeichneten Komödie bringt Regisseur Mario Holetzeck die Debatte zwischen Links und Rechts auf die Bühne. Die besagte Buchhändlerin trifft einen Kollegen, der auf der anderen politischen Seite steht. Fortan wird erbittert diskutiert, mit Argumentationssalven und Nazikeulen. Die verfremdeten Figuren auf der Bühne erheben sich von der realen Vorlage und werden so Stellvertreter für eine Debatte, die der Gesellschaft einfach nicht gelingen will.

Kathleen Gaube sagt: "Es kommen Zuschauer nach der Vorstellung zu mir, die sich selbst als rechts bezeichnen und sonst eher nach Loschwitz in den Buchladen gehen." Wenn solche Menschen kommen, findet Gaube, hat sie etwas erreicht. Denn oft wird Theater vorgeworfen, dass es zu stark in die eine politische – sprich: linke – Richtung Meinung mache. "Die Buchhändlerin" umgeht das, indem sich jede Haltung auf der Bühne wiederfindet und in ihrer Absolutheit karikiert wird. Während man im Publikum über die überdrehten Figuren auf der Bühne lacht, fühlt man sich ertappt in seiner eigenen Meinungs-Eindimensionalität.

Kathleen Gaube will sich und die Zuschauer fordern. Sie hat ihr Theaterleben begonnen bei Peter Sodann am Theater in Halle. "Wir haben Theater mit einer Aussage gemacht", sagt sie, das präge sie bis heute. Sie wolle immer und immer wieder in den Diskurs gehen, anstatt in der eigenen moralischen Blase zu verharren.

Kommentare auf der Facebook-Seite des Societaetstheaters zeigen indes, dass nicht alle bereit sind für diesen Weg. "Man muss es wirklich nicht gesehen haben, um zu wissen, dass es linksdrehende Hetze ist", kommentiert einer unter der Ankündigung für "Die Buchhändlerin" und betont: "Dafür gehe ich bestimmt nicht ins Theater."

Ihm wird ein Abend entgehen, der immer wieder aus der Komfortzone schubst und geradezu auffordert: Bitte diskutieren Sie jetzt, auch wenn es ausweglos erscheint. Zwei Jahre nach der Premiere hat Kathleen Gaube das Stück mit den Autoren A. Wransky und Robert Wagner nun um neue Themen aktualisiert. "Die Fronten haben sich in den letzten Jahren noch mehr verhärtet", sagt Gaube. Der Angriff Russlands auf die Ukraine, die guten Ergebnisse für die AfD, Diskussionen über die GEZ – all das und mehr ist nun eingeflossen in die neue Fassung. Außerdem, so Gaube, sei "Susanne Dagen weiterhin aktiv in der Stadt". Die Buchhändlerin habe übrigens mehrfach angekündigt, sich den Abend selbst anzusehen. Bisher war sie nicht da.

"Die Buchhändlerin" läuft am 5. und 6. Dezember um 20 Uhr im Societaetstheater in Dresden, dann wieder im Mai. Karten: 0351 8036810 und hier.