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Dresden: Handgefertigte Bildteppiche vervollständigen Paraderäume im Schloss

Ein historisches Juwel erstrahlt vollständig: Die Paraderäume im Dresdner Schloss sind jetzt komplett mit Bildteppichen ausgestattet.

Von Birgit Grimm
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Textilrestauratorinnen arbeiten am Dienstag an der Hängung der letzten Wandteppiche in den Königlichen Paraderäumen im Residenzschloss.
Textilrestauratorinnen arbeiten am Dienstag an der Hängung der letzten Wandteppiche in den Königlichen Paraderäumen im Residenzschloss. © Robert Michael/dpa

Als im September 2019 die Paraderäume im Dresdner Schloss eröffnet wurden, waren die Wandverkleidungen noch nicht komplett. Gefeiert wurde trotzdem, schließlich war es ein historisches Jubeljahr: 1719 hatte August der Starke seinen Sohn Friedrich August II. mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha vermählt und dafür gigantische Feste inszenieren und das Raumensemble im zweiten Obergeschoss des Schlosses nach französischem Vorbild einrichten lassen.

Vom Schönsten das Beste, drunter hat man es am sächsischen Hof nicht gemacht. Diese barocke Ausstattung wieder aufleben zu lassen, war das Ziel, das bis 2019 jedoch nicht komplett erreicht werden konnte. Zu anspruchsvoll, zu langwierig und teuer war die Herstellung der Wandbehänge aus Seidensamt und der Bildteppiche und Schmuckbahnen, die mit Gold und Silber und Seide gewirkt waren. Die Latte lag hoch: Die Wandverkleidungen sollten den Anspruch einer „fadengenauen Rekonstruktion“ in Technologie, Material und Farben erfüllen.

Eine der kunstvollsten Webtechniken

Es gibt nur noch eine Manufaktur in Europa, in der diese kunstvolle und älteste Bildwirktechnik beherrscht und ausgeführt wird: die Real Fabrica de Tapices, die Königliche Tapisseriemanufaktur in Madrid. Dort wurden auch die beiden letzten Wandteppiche gefertigt, die am Dienstag im 1. Vorzimmer der Paradegemächer an die Wände gehängt wurden.

Insgesamt 34 Wandteppiche mit salomonischen Säulen, Blumgengirlanden und Balustraden haben die fünfzehn Spezialisten und Spezialistinnen in Madrid für Dresden in 111.000 Arbeitsstunden hergestellt und dabei 60 kg Seide, 32 kg Wolle, ein Kilo vergoldeten Silberfaden und 500 Gramm Silberfaden verwebt. Auch das Färben war ein aufwendiger Prozess: 160 Farbtöne allein für die Wolle und sogar 300 Farbtöne für die Seide. August der Starke wollte die Bespannung sogar regelmäßig wechseln und eine für den Sommer, eine andere für den Winter herstellen lassen. Aus Kostengründen blieb es bei der Winterversion.

An einer der zwölf „salomonischen“ Säulen im 1. Vorzimmer, die als Sinnbild für die Weisheit des Herrschers galten, arbeiteten vier bis fünf Weberinnen und Weber gleichzeitig. Nach frühestens einem halben Jahr war so ein Bildteppich fertig, die eine Krone und die Initialien AR, Augustus Rex, im Kapitel tragen. Und da die Zahlen dieses europäischen Wiederaufbauprojekts so beeindruckend sind, sei an dieser Stelle erwähnt, dass 300 Firmen daran mitarbeiteten. 34,4 Millionen Euro hat die Wiederherstellung der Paradesäle gekostet, an der sich mit zwölf Millionen Euro auch der Bund beteiligte. „Wir haben den Kostenrahmen eingehalten“, sagt Holger Krause vom Sächsischen Immobilien- und Baumanagement, für den die Fertigstellung der Paraderäume ein historischer Moment ist.

Das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bereitet gewissermaßen den nächsten historischen Moment vor. Im Herbst soll in den Paraderäumen die erste und vermutlich wohl auch einzige Sonderausstellung gezeigt werden. Originale Möbel des Pariser Kunsttischlers Jean-Pierre Latz werden zu sehen sein. Latz war einer bedeutendsten Kunsttischler der 1730er- bis 1750er-Jahre. Seine Arbeiten sind Spitzenerzeugnisse im Stil der Regierungszeit von Ludwig XV.

Dresden besitzt mit 20 Objekten den weltweit größten Bestand an barocken Möbeln des Franzosen Jean-Pierre Latz. Die kostbaren Uhren und Einrichtungsgegenstände werden restauriert und im Herbst im Dresdner Schloss ausgestellt.
Dresden besitzt mit 20 Objekten den weltweit größten Bestand an barocken Möbeln des Franzosen Jean-Pierre Latz. Die kostbaren Uhren und Einrichtungsgegenstände werden restauriert und im Herbst im Dresdner Schloss ausgestellt. © KLEMENS RENNER

Ein Spitzentischler des Barock

Der Dresdner Bestand ist mit 20 Objekten die größte Sammlung weltweit. Spektakulär sind die bis zu 2,50 Meter hohen Uhren, deren Gehäuse hochwertig mit Schildpatt, Perlmutt, Messing und vergoldeten Bronzebeschlägen veredelt sind. Einige kamen 1768 ins Dresdner Residenzschloss, andere wurden aber auch im Jagdschloss Moritzburg und im Taschenbergpalais bewundert und schlugen dem sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl die Stunde.

Seit dem Zweiten Weltkrieg lagerten die Möbel im Depot. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wurden und werden die Möbel des Jean-Pierre Latz restauriert und sollen ab Herbst zusammen mit Leihgaben aus anderen Museen und französischen Luxusgütern präsentiert werden in den Räumen, für die die Möbel einst gemacht bzw. erworben wurden.

Das Dresdner Residenzschloss ist mittwochs bis montags von 10 bis 18 Uhr gelöffnet.