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Eher eindimensional sind "Die lustigen Weiber" in Dresden

Mit manchem Witz und poppigem Outfit hält man in der Staatsoperette Sir Falstaff zum Narren.

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Im Schönheitssalon: Frau Fluth (Steffi Lehmann) lässt es sich gut gehen.
Im Schönheitssalon: Frau Fluth (Steffi Lehmann) lässt es sich gut gehen. © Pawel Sosnowski

Von Jens Daniel Schubert

Die Staatsoperette Dresden kann nicht nur „Broadway an der Elbe“, sondern ergänzt ihr Repertoire wieder um heitere Spieloper. Quietschebunt und sehenswert, mit lustigen Ideen, solider musikalischer Leistung und einigen sängerischen Highlights präsentiert sie „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai. Die gefeierte Premiere war am Sonnabend.

Andreas Mattersberger ist im Körperhaar-Kostüm der Sir Falstaff.
Andreas Mattersberger ist im Körperhaar-Kostüm der Sir Falstaff. © Pawel Sosnowski

Johannes Pell leitet die Aufführung. Zur Ouvertüre schaut man minutenlang in ein schwarzes Loch, gegen dessen Tristesse die Musik wenig ausrichten kann. Glücklicherweise wird es danach schwungvoller und farbiger.

Das Büblein an der Mutterbrust

Sir John Falstaff ist eine Erfindung von Shakespeare. Ein lustvoller Egoist, ein hemmungsloser Säufer und Schwerenöter, dem politische Korrektheit und Rücksichtnahme Fremdwörter sind. In seiner Eitelkeit erklärt er zwei Frauen mit gleichlautenden Briefen seine große, einzigartige Liebe. Ausdauernd bemüht er sich um das erhoffte erotische Stelldichein. Das ruft „Die lustigen Weiber von Windsor“ auf den Plan, die ebenso unverdrossen Rachepläne schmieden und bei der Gelegenheit den eigenen Männern die Quittung für deren Eifersucht und kleinkariertes Denken präsentieren. Otto Nicolai legte Mitte des 19. Jahrhunderts über die Geschichte eine Reihe eingängiger Melodien und eine gewisse biedermeierliche Beschaulichkeit.

In der Staatsoperette will man eine heutige Geschichte erzählen, verlegt die Story vom historischen Windsor ins heutige, sonnendurchflutete Kalifornien. Frau Fluth führt einen Klub mit Pool, Sauna und Duschraum, ihre Nachbarin Reich mit Tochter Anna einen Schönheitssalon mit Beauty-Produkten, Friseurstühlen und einer Massageliege im Oberstock. Der abgelegene Stadtwald, in dem Shakespeare unter Einbeziehung sommernächtlicher Geister und Elfen das finale Rachetheater gegen Falstaff inszeniert, ist nichts als der klubeigene Tennisplatz.

Bühnenbildner Takis hat die Ausstattung geschaffen. Seine schicken Kostüme in poppigen Farben und luftigen Schnitten versprühen den Charme der 1950er, nur die Handys sind 21. Jahrhundert.

Regisseurin Noa Naamat hat für ein gutes Spielklima gesorgt, viele lustige Einfälle umgesetzt und dabei lustvoll fabuliert. Immer wieder nimmt sie die Impulse für die Aktionen und Bewegungen direkt aus der Musik. Spiel und Choreografie gehen ineinander über. Wenn Falstaff mit rosa Flamingo-Badereifen vor den Männern in der Sauna von seiner Zeit „Als Büblein klein an der Mutterbrust“ schwärmt, später seinen haarigen Body duscht und mit Herrn Fluth in slapstickartige Verwicklungen der Badetücher gerät, sind das höchst amüsante Arrangements. Nicht alle Szenen haben diese Dichte. Manchmal werden die Einfälle dünn und Subtexte für die Darstellenden fehlen.

Die ungewöhnliche raumzeitliche Ansiedelung alleine schafft es nicht, die Spannung über den langen Abend aufrechtzuerhalten. Die Figuren sind geradlinig erzählt. Das setzen alle mit viel Eifer um. Aber natürlich könnten Steffi Lehmann als Frau Fluth und Silke Richter als Frau Reich nicht nur sängerisch brillieren. Mit etwas mehr Doppelbödigkeit und Widersprüchlichkeit gewännen ihre Figuren Tiefe. Auch Töchterlein Anna wird von Christina Maria Ferchner zunächst sehr eindimensional als kaugummikauendes Blondchen gespielt. Nicolai gibt ihr im zweiten Teil groß aufblühend die Möglichkeit, zur selbstbewussten Liebenden zu reifen. „The next generation“, die Leben und Liebe in die eigenen Hände nimmt. Die Regisseurin hat diese Figur im Wachsen begleitet und die Sängerin steigert sich im Laufe des Abends zu einem Glanzpunkt der Aufführung. Schöne Akzente setzen auch die eifersüchtigen Ehemänner, die stutzerhaft-komödiantischen Brautwerber, die vom schlicht liebenswerten Fenton, schön gesungen von Timo Schabel, ausgestochen werden.

Der Sir ist behaart wie ein Affe

Die „lustigen Weiber“ sind von Shakespeare selbstbewusst und emanzipiert angelegt, da muss die Regie wenig „modernisieren“. Einen Falstaff zu kreieren, der für sie abstoßend und anziehend zugleich ist, eingebildeter Chauvinist und beneidenswerter Freigeist in einer Person, wäre eine spannende Lesart. In der neuen Dresdner Inszenierung freilich fragt man sich, warum sich die lustigen Weiber auf diesen im wahrsten Sinne haarigen Proll einlassen. Andreas Mattersberger spielt und singt diesen mit schöner Stimme und komischen Akzenten. Und wenn er dreimal hintereinander abgestraft wird, hat man spontan Mitleid mit diesem armen Kerl im Masochisten-Outfit, den jeder mal schlagen und piesacken darf.

Fazit: Die Produktion ist ein schön musizierter, bunt-heutiger Beitrag, der das Repertoire attraktiv ergänzt. Die Vielschichtigkeit des Sujets und der Figuren, deren Aktualität weniger im Spielort als in der Doppelbödigkeit der Figuren liegt, bleibt jedoch vielfach ungenutzt.

Wieder am 25., 29. und 30. 10. sowie 23. und 24. 11.; Kartentel. 0351 32042222