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Gunther-Emmerlich-Hommage: Harald Schmidt liebte "Emmas" trockenen Humor

Drei Prominente gestalten in Dresden eine Ehrung für den im Dezember verstorbenen Showmaster. Der hätte sich sicher gut unterhalten – doch nicht alles hatte mit ihm zu tun.

Von Bernd Klempnow
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„Ich hatte mit Gunther Emmerlich einiges vor. Doch das Schicksal hat andere Pläne“, so Harald Schmidt nun in Dresden bei einer Hommage an den verstorbenen 79-Jährigen.
„Ich hatte mit Gunther Emmerlich einiges vor. Doch das Schicksal hat andere Pläne“, so Harald Schmidt nun in Dresden bei einer Hommage an den verstorbenen 79-Jährigen. © steffen füssel, steffen fuessel

Geplant war es anders: Eigentlich sollte das Publikum des Dresdner Theaterkahns einer fiktiven, sehr emotionalen Begegnung der Komponisten Bach und Händel, alias Schauspieler Thomas Thieme und Entertainer Gunther Emmerlich, beiwohnen, so der Dresdner Ex-Intendant Holk Freytag am Sonnabend. „Der unfassbare Tod Mitte Dezember machte diese Produktion unmöglich, aber einfach zur Tagesordnung überzugehen war für uns keine Option.“ Gunther sei ein Barockgigant, der „uns doch zur Pflege hinterlassen ist“.

Mitte Dezember 2023 war Gunther Emmerlich, hier auf einem Archivbild, in seinem Wohnzimmer, 79-jährig verstorben.
Mitte Dezember 2023 war Gunther Emmerlich, hier auf einem Archivbild, in seinem Wohnzimmer, 79-jährig verstorben. © dpa

Also plante der Theaterkahn mit den lebenden Beteiligten der Produktion eine Hommage an den prominenten Opernsänger, Autor und Moderator. Die Idee dazu hatte Entertainer Harald Schmidt, der Gast in Emmerlichs letzter MDR-Weihnachtssendung „Wenn Engel lachen – die schönsten Weihnachtslieder“ gewesen war. Laut Ankündigung wollten Thomas Thieme, Holk Freytag als Regisseur und Kabarettist Harald Schmidt, der das Faktotum und Händels Sekretär Schmidt gegeben hätte, „aus ganz eigener Perspektive seiner gedenken, heiter und traurig, mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Binnen kürzester Zeit war der nur einmal angesetzte Abend ausverkauft. Viele Freunde des Verstorbenen saßen im Publikum. Taschentücher wurden gebraucht.

Nun hat sicher jeder seine eigene Ansicht, was eine Hommage ist. Sollte ein Porträtbild des so Geehrten auf der Bühne zu sehen sein? Erzählt jemand dessen Leben nach, flicht Kränze über Kränze oder unterhält mit Anekdoten? Wie kann der, dem der Abend gewidmet ist, selbst zu Wort kommen? Im Falle Emmerlichs, der auch leidenschaftlicher Jazzer war, am besten mit Gesang?

Ein Bild gab es nicht. Sicher hatte jeder eines vor Augen. Und die drei Herren entschieden sich, Privates zu erzählen. Zudem lasen sie einige, für Emmerlichs Sprachkraft und Beobachtungsgabe typische Kapitel etwa über Verschwörungstheoretiker und sogenannte Starkollegen aus den Büchern des gebürtigen Thüringers.

Schmidt bestand den Test als Hilfspianist

Das Problem: Thieme kannte den zu Ehrenden vor allem aus der Zeit vor 50 Jahren, als er selbst noch Kulissenschieber war und der jazzende Musikstudent „Emma“ offenbar halb Weimar um den Verstand brachte. Erst spät hätten sie sich kennen- und schätzen gelernt. „Gunther war ein unheimlich lieber Kerl, stets gelassen, immer bedeutend“, so der 75-jährige Thieme. Und dann erzählte er unterhaltsam, wie es den Schauspielern zuweilen mit anarchischen Regisseuren wie dem Theaterguru Frank Castorf ergeht.

Emmerlich hätte sich sicher über den launigen Vortrag amüsiert, mit ihm jedoch hatte der nur bedingt zu tun. Denn er konnte, was viele Künstler postulieren, aber dann doch nicht pflegen: Er haute sich und anderen nicht die Taschen voll. Er hinterfragte sich und akzeptierte ehrliche, treffende, wenn auch schmerzende Kritik.

Holk Freytag wiederum, mittlerweile 80, näherte sich dem Geehrten auch über einen ganz eigenen Weg. Er erzählte von seinen Inszenierungen mit dem vor allem im Alter auch schauspielenden Künstler. Wie dieser „zarte Seiten“ offenbart und „unter Werktreue das Weiterdenken der Texte“ verstanden hätte.

Zu Emmerlichs Paraderollen gehörten der Milchmann aus dem Musical "Anatevka" und die Hauptrolle in "Sallah Shabati oder Tausche Frau gegen Wohnung".
Zu Emmerlichs Paraderollen gehörten der Milchmann aus dem Musical "Anatevka" und die Hauptrolle in "Sallah Shabati oder Tausche Frau gegen Wohnung". © dpa

Der prominenteste der drei Prominenten, der wegen seines oft respektlosen und zynischen Humors bekannte Kabarettist und legendäre TV-Moderator Harald Schmidt, bedauerte, dass er erst „dabei gewesen war, Gunther kennenzulernen“.

Dabei hatte Emmerlich selbst das ganz anders gesehen. Im letzten Interview vor seinem Tod sagte er der Sächsischen Zeitung: „Ich kenne Harald Schmidt schon lange: Ich war schon in seiner Sendung, wir haben Freunde, auf deren Feiern man sich trifft. Und wir haben gemeinsame Interessen, weil auch er viel und gut Theater spielt. Da hielt ich es für eine gute Idee, mit ihm mal das harmoniedurchtränkte Fest der Weihnacht zu besprechen. Er hat natürlich im Gespräch überspitzt, das erwartet man ja auch. Und dann haben wir ,White Christmas' zusammen musiziert – er am Klavier. Ja, Schmidt hat einen sogenannten Orgel-C-Schein und ist deshalb offiziell Hilfsorganist. Ich teste ihn als Hilfspianisten. Hat er gut gemacht.“

Abschied mit "Gute Nacht, Freunde"

Auch auf dem Theaterkahn musizierte der 66-Jährige am Flügel ein wenig und gut. Und er bekannte sich als Freund von „Gunthers trockenem, charmantem und scharfsinnigem Humor. Wenn man die Pointen kapierte, war es gut, wenn nicht, musste man daran arbeiten“. Schmidt war es auch, der sich – wie es auch der Tote gut konnte – immer wieder einfing, wenn er abschweifte. „Mir hat immer gefallen, wie Gunther nie zwischen E- und U-Musik unterschieden hat.“ Ebenso erstaunlich sei gewesen, wie er die Ost-West-Misstöne und -Befindlichkeiten analysiert und darauf gepfiffen hätte, sich damit in allen Himmelsrichtungen keine Freunde zu machen.

Nur zweimal gab es Musik vom Band, leider, aber tolle Aufnahmen: Den wunderbaren Song „Wenn ich einmal reich bin“ der Paraderolle des Milchmanns aus dem Musical „Anatevka“. Und als Rausschmeißer Reinhard Meys Hit „Gute Nacht, Freunde, es wird Zeit für mich zu geh’n“ in A-Dur: Das ist sentimental, aber auf eine einnehmende Weise strahlend – ideal, um Abschied von einem Großen zu nehmen.