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Jazztage Dresden: Comeback der Stars aus Übersee

Am Wochenende sind die Dresdner Jazztage gestartet. Bis Ende November folgen Live-Shows, Workshops und ein Gastspiel bei den Handballern.

Von Andy Dallmann
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Gregory Porter, der mit seiner Stimme seit Jahren das hiesige Publikum begeistert, wollte im November 2020 sein Album „All Rise“ live in Dresden vorstellen. Mit zwei Jahren Verspätung kann der Amerikaner das jetzt nachholen.
Gregory Porter, der mit seiner Stimme seit Jahren das hiesige Publikum begeistert, wollte im November 2020 sein Album „All Rise“ live in Dresden vorstellen. Mit zwei Jahren Verspätung kann der Amerikaner das jetzt nachholen. © PR

Konzerte, die wegen Corona ein-, zwei-, dreimal verschoben werden mussten, finden in der Regel jetzt tatsächlich statt. Die Erwartungshaltung ist beim Publikum mindestens stabil hoch geblieben, die Säle sind folglich voll. So dürfte jetzt auch das Konzert von Gregory Porter das allein von den Besucherzahlen her spektakulärste Konzert der diesjährigen Dresdner Jazztage werden. Am 12. November präsentiert der amerikanische Sänger mit der wunderbar warmen Stimme seinen Souljazz in der Ballsport-Arena. Die meisten der 4.000 Tickets sind bereits verkauft, die für den Abend von den HC-Elbflorenz-Handballern ausgeborgte Halle absehbar voll. Die Stimmung dürfte also sehr schnell Fahrt aufnehmen.

Doch bereits am Wochenende hissten die Festivalmacher beherzt Flagge und brachten mit den Auftritten von Nina Attal und dem Barcelona Gipsy Balkan Orchestra ordentlich Schwung in die Ostra-Studios. „Schon beim offiziellen Start am Freitag im QF an der Frauenkirche hatten wir bei freiem Eintritt rund 1.000 Besucher – so viele wie noch nie“, schwärmt Jazztage-Intendant Kilian Forster. Und ergänzt mit Blick auf das Barcelona Gipsy Balkan Orchestra: „Diese weltmusikalische Truppe steht exemplarisch für das aktuelle Festival-Motto ,Europa der Herzen’. Denn die Musikerinnen und Musiker aus der Ukraine, aus Russland, Spanien, Griechenland, Serbien, Italien und der Türkei vermischten sich im Konzert zu einer europamusikalischen Melange. Die Band bot ebenso intime wie aufpeitschende Momente und riss die Leute damit sofort von den Stühlen.“

Musiker aus mehr als 30 Ländern

Nur um Jubel, Trubel, Heiterkeit geht es Forster jedoch nicht, er verbindet das reine musikalische Vergnügen diesmal mit einer klaren Botschaft. „In einer Welt, in der so viele Grenzen und Mauern nicht nur zwischen Ländern, sondern auch in den Köpfen gebaut werden, brauchen wir wieder mehr Brücken und ein Zusammenwachsen der Menschheitsfamilie.“ Das geografische Europa inklusive Russland, der Ukraine und der Türkei habe in dieser Hinsicht so viel an kulturellen Steilvorlagen zu bieten. „Das wollen wir bei den Jazztagen herausstellen, uns verbinden und dabei wieder zurück zu unseren gemeinsamen kulturellen Wurzeln finden.“

Deshalb habe er für diesen Jahrgang tatsächlich vor allem auf europäische Musiker setzen wollen. „Aber es gibt so viele nachzuholende, wegen Corona verschobene Konzerte amerikanischer Stars, von deutschen Bands und Nachwuchsensembles, dass die europäischen Künstler nicht so herausstechen wie ursprünglich geplant.“ Dennoch seien 30 Länder vertreten und mit der neu gegründeten „European Big Band“ zum Abschlusskonzert würden noch weitere hinzukommen, etwa Liechtenstein und Bosnien.

Jazztage-Intendant Kilian Forster
Jazztage-Intendant Kilian Forster © www.imago-images.de

Vom europäischen Grundgedanken bei der Festivalplanung abgesehen, machen die gelockerten Corona-Bedingungen ein beim Publikum ersehntes Comeback der Musiker aus Übersee möglich. Außer Gregory Porter reisen so die US-Stars Curtis Stigers und Lee Mack Ritenour an. Aus Australien kommen der Gitarrist Tommy Emanuel sowie der Trompeter und Multiinstrumentalist James Morrison. Letzterer gibt nicht einfach nur ein Konzert mit seinem Quartett, sondern ein weiteres als Gastsolist. Zudem unterrichtet er als Artist in Residence am 16. und 17. November im Rahmen eines zweitägigen Meisterklasse-Kurses interessierte Nachwuchskollegen. Forster: „Wer dabei einfach nur zuschauen will, kann das natürlich tun.“ Die Gebühr dafür fällt deutlich günstiger aus.

Wie die überwiegende Zahl aller Jazztage-Veranstaltungen finden auch die Kurse im Ostra-Areal, konkret in den Ostra-Studios statt. Die räumliche Konzentrierung, die das früher übliche Prinzip der vielen Bühnen aushebelt, erklärt Kilian Forster ganz pragmatisch: „Es ist logistisch so viel einfacher.“ Aufgrund der enorm gestiegenen Kosten für Technik und Techniker wäre es rein kräftemäßig gar nicht mehr möglich, jeden Tag woanders aufzubauen. „Wir haben außerdem, um Heizkosten zu sparen, im großen Zelt, dem Ostra-Dome, noch eine dritte Bühne, die Ostra-Lounge, dazugebaut.“ Das biete die Chance, bei möglicherweise nicht ausverkauften Konzerten flexibel sein und in den jeweils kleineren Saal wechseln zu können.

Zwischen Ostra-Dome und Stromwerk

Ein positiver Nebeneffekt sei das so noch viel stärker aufkommende Festivalgefühl. „Am kommenden Sonnabend werden alle drei Ostra-Spielstätten parallel bespielt“, erklärt Forster. „So viel wie an diesem Abend war dort noch nie los.“

Für das große Abschlusskonzert zieht er dennoch um. Das Finale wird am 20. November im Stromwerk, der Party- und Eventlocation am Rande des Kraftwerks Mitte, über die Bühne gehen. „Während der letzten Woche unseres Festivals laufen im Ostra-Dome schon die Proben für die Dinnershow ,Mafia Mia’ an“, erklärt Kilian Forster. „Die Konzerte in den Studios gehen mit Bill Laurence, Merqury oder der Dresden Big Band zwar noch weiter. Doch für das Abschlusskonzert mit James Morrison, den Klazz Brothers und der European Big Band benötigen wir einfach einen größeren Saal.“ Das Stromwerk habe dafür die perfekte Größe und eine wunderbare technische Ausstattung, die man nicht extra aufbauen müsse.

Diskussionsrunden gehen weiter

Neu im Programm der Jazztage seien die Akademien, also Veranstaltungen, bei denen verschiedene Gastmusiker, aber auch Forster selbst mit seiner Band Klazz Brothers, spezielle Aspekte des Musizierens – etwa die „Kunst des Klassik-Crossovers“ – beleuchten. „Ich persönlich freue mich auf den zweiten Teil ,Paprika- statt Zigeunerbaron’-Diskussion mit Roby Lakatos“, so Forster. „Wir haben diesmal einen ungarischen Übersetzer dabei, weil Roby im Vorjahr noch so viel mehr hatte sagen wollen, aber an seinen Deutschkenntnissen scheiterte.“

Lakatos spiele außerdem mit Joscho Stephan und den Dresden Allstars am Tag zuvor „Zigenerswing & More“. Forster: „Das ist die Musik Django Reinhards, die ich in meiner Zeit als Dresdner Philharmoniker im Kulturpalast bei einem Abend mit Roby Lakatos kennenlernen durfte und durch die ich zum Jazz kam.“

Programm, Informationen und Tickets gibt es hier.