Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Feuilleton

Coverband Völkerball rockt Dresden: Rammstein-Feuerwerk schon jetzt entfacht

Seit Jahren tut die Band Völkerball alles dafür, Rammstein so perfekt wie möglich zu kopieren. In Dresden haben die Musiker jetzt das Live-Feuer für die Mai-Konzerte von Rammstein entfacht - zeitweise heißer als das Original.

Von Tom Vörös
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Coverband Völkerball war jetzt in Dresden zu Gast.
Die Coverband Völkerball war jetzt in Dresden zu Gast. © Lothar Lüssem

Alle warten auf den Schuss – beim berühmt-berüchtigten Lied „Pussy“. Doch die riesige Peniskanone hat Ladehemmungen. Später erfährt man: Die CO₂-Flasche ist leer. Fast so leer wie das Rammstein-Universum im letzten Jahr, als die Band gefühlt vor dem Aus stand.

Flugs reibt man sich den Sternenstaub aus den Augen und genießt die Show der Band Völkerball am Freitagabend im Alten Schlachthof Dresden. Denn die Rammstein-Tribute-Band bringt ein mittleres Faszinosum auf die Bühne. Man glaubt sich auf einem Rammstein-Konzert – nur ist es kleiner, intimer und vor allem heißer.

Profi-Pyromanen heizen mit Flammenspielen die Menge auf, es wird wohlig warm. Im flammenden Zentrum steht René Anlauff alias Till Lindemann und bringt das Feuer den Leuten, die es offenbar nicht erwarten können. Vier heiß ersehnte, ausverkaufte Konzerte des Originals im Mai locken ins Stadion.

Lachen war mal verboten

„Zu uns kommen Leute, die reinschnuppern wollten, weil sie mit Rammstein bisher nichts anfangen konnten“, sagt René Anlauff. „Es aber auch einige, die sagen: Jetzt brauchen wir nicht mehr zu Rammstein zu gehen.“ Ein Wunder ist das aber nicht. Denn die Band Völkerball tut seit 2008 alles dafür, Rammstein so perfekt wie möglich zu kopieren. „Wir sind 99 Prozent Rammstein, 100 Prozent Völkerball“, sagt Anlauff. „Dieses eine Prozent, das wir vielleicht nicht erreichen, liegt daran, dass wir wir sind. Ansonsten versuchen wir, in Gestik, Mimik, in schauspielerischen Dingen und vom Outfit her so nahe wie möglich an Rammstein heranzukommen.“

© Lothar Lüssem

Natürlich könnten Völkerball ohne diese Perfektion nicht im Feuerschweif der erfolgreichsten deutschen Band ihren Lebensunterhalt verdienen. Anfangs griff man daher zu unerwarteten Mitteln: „Wir sind vielleicht die Einzigen, die früher vor dem Spiegel im Ballettsaal geprobt haben“, so Anlauff. „Wir haben alles auf Video festgehalten und beratschlagt. Mittlerweile ist das alles so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir das nicht mehr machen müssen. Außerdem verändert sich Rammstein ja auch.“

Gemeint ist der ernste Bühnen-Gestus des Originals. „Lachen auf der Bühne ist ja im Rammstein-Kontext normalerweise verboten“, erklärt Anlauff. „Mittlerweile aber nicht mehr. Inzwischen treten Rammstein ein bisschen lockerer auf, machen auch mal Witze. Früher durfte man dagegen keine Miene verziehen, das war schon schwer manchmal.“

Live in Dresden ist von dieser neuenLockerheit tatsächlich ein Funke zu spüren. Und trotz des nicht sehr prall gefülltenSaales finden sich ein paar Schlauchtboot-Träger, die den imaginären Keyboarder Flake im Lied „Haifisch“ über das Menschenmeer tragen. Dass diesmal nicht mehr Leute zu Völkerball geströmt sind, dafür hat „René Lindemann“ eine plausibel klingende Antwort: „Wir merken, dass die Leute ihr Geld zurückhalten für Rammstein. Die EM ist ja auch noch und Taylor Swift kommt nach Deutschland.“

© Lothar Lüssem

Trotzdem geben Völkerball an diesem Abend alles. Die Rammstein-Show ist bis ins letzte Detail ausgefeilt. Da setzt sich, wie beim Original, der geschminkte Sänger die Kochmütze auf und will seinen Keyboarder verprügeln und „zubereiten“. Ein Patronengürtel explodiert mit deutscher Pünktlichkeit eindrucksvoll am Körper. Und im Lied „Puppe“ brennt es im überdimensionalen Kinderwagen. Die Requisiten baut der gelernte Radio- und Fernsehtechniker und Zimmermann schon mal selbst. Auch Gitarrist Tobias Kaiser ist mit seinem schwarzen Scheitel vom etwas berühmteren Richard Kruspe zeitweilig kaum zu unterscheiden. Perfekt wird die Illusion im Lied „Ich will“ und den Zeilen: „Ich will, dass ihr uns vertraut, dass ihr uns alles glaubt.“ Hier klingt die Stimme vom Lindemann-Ersatz täuschend echt, sodass das Musik-Phänomen greifbar wird – mit all dem politischen Brimborium von 2023.

Problemzonen in Ost wie West

„Wir fühlen die Musik von Rammstein und auch den Geist, der dahintersteht“, sagt Anlauff. Kürzlich gab es einen Internet-Aufschrei, als Völkerball in Düsseldorf eine bunte Regenbogen-Flagge schwenkte. „Daraufhin gab es einen unglaublichen Shitstorm von einer sehr lauten Minderheit“, sagt Anlauff. „Man muss schon bekloppt sein, wenn man etwas dagegen hat. Bei der Regenbogenfahne geht es um Umweltschutz und darum, dass jeder so sein darf, wie er will. Es geht um Respekt, Toleranz, darum dass Schwule und Lesben nicht diskriminiert werden.“ Speziell im Osten eröffnen sich seit Jahren „Problemzonen“ für die Völkerballer. „Wir werden hier immer sehr kritisch beäugt“, so Anlauff. „Nicht, weil wir gegen rechts sind, sondern weil die Leute denken, wir würden denken: Die Leute hier wären alle rechts. Das ist aber nicht so.“

Es bleibt also kompliziert. Auch wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann. Da hatten Völkerball 2023 mit Gegenwind zu kämpfen. „Wir waren in großer Sorge“, sagt René Anlauff. „Obwohl ich nie daran geglaubt habe, dass da etwas dran ist. Natürlich hat er Sex mit Jüngeren. Aber ich habe nie geglaubt, dass da etwas im Spiel war, um sie gefügig zu machen.“ Einmal gab es fast ein Völkerball-Konzertverbot. „Weil wir angeblich gewaltverherrlichende Songs auf die Bühne bringen und Frauen sich nicht sicher fühlen können – das Argument kam aus einer Szene, der wir uns eigentlich zugehörig fühlen. Nur weil wir diese Musik covern, wurde uns ein ähnliches Frauenverständnis unterstellt.“

Inzwischen scheint die Rammstein-Welt fast wieder in Ordnung, zumindest flackert dank Völkerball das Feuer in den Augen der Fans.