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"Liebe Kitty" in Dresden: Weil Anne wie wir war

Eine neue Inszenierung bringt die Geschichte von Anne Frank auf die Bühne des TJG Dresden – ein wichtiges Theatererlebnis für Jugendliche.

Von Johanna Lemke
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In „Liebe Kitty“ am TJG eignen sich die Spielerinnen und Spieler die Geschichte von Anne Frank so lange an, bis sie nicht mehr verloren gehen kann.
In „Liebe Kitty“ am TJG eignen sich die Spielerinnen und Spieler die Geschichte von Anne Frank so lange an, bis sie nicht mehr verloren gehen kann. © Klaus Gigga

Wie soll man Achtklässer für den Holocaust interessieren? Das ist eigentlich gar nicht so schwer. Jugendliche sind oft von oben bis unten voll von Gefühlen, gepaart mit unbändigem Enthusiasmus für Gerechtigkeit – beste Voraussetzungen also. Wichtig ist nur, dass eben auch die Gefühlsebene in die Vermittlung einfließt. Es gibt keinen Stoff, der das besser könnte als das Tagebuch von Anne Frank. Es ist seit Jahrzehnten für viele Jugendliche die erste Auseinandersetzung mit dem Holocaust, berührt und entsetzt zugleich.

Für das Theater Junge Generation hat die Regisseurin Julia Brettschneider den Stoff neu aufbereitet. Die Inszenierung "Liebe Kitty" ist keine platt szenische Umsetzung, sondern eine Forschungsreise für Jugendliche ab 12: Wer war diese Anne? Was hat sie bewegt? Und was dürfen wir aus ihrer Geschichte lernen? Das erspielen sich die fünf Darstellerinnen und Darsteller vor einer schlichten Kulisse, einem kahlen, weißen Zimmer, das durch ein paar Stufen erreichbar ist.

Wie konnte sie das aushalten?

Die weiße Wand dient als Projektionsfläche: Die Spieler filmen Originalfotos von Anne und ihrer Familie ab, erschließen sich das Hinterhaus-Versteck anhand eines Modells und filmen sich gegenseitig beim Sprechen der Tagebucheinträge, als wollten sie sich die Geschichte so lange aneignen, bis sie nicht mehr verloren gehen kann.

Anne ist wie die Jugendlichen im Publikum: ein junges Mädchen, das sein Leben liebt, sich gerade freistrampeln will. Ein Mädchen, das beschäftigt ist mit Konkurrenz zur großen Schwester, und um sie herum Bomben, Verhaftungen, Todesangst. "So leise wie Babymäuse" verhalten sich Anne, ihre Familie und die mit versteckten Bekannten. Wie konnte sie das aushalten?

Hoffnung inmitten der Verzweiflung

Es gibt nicht die eine Anne, die Spieler sprechen die Texte im Vielklang. Nur wenige Szenen werden andeutungsweise gespielt, dies dann aber intensiv und berührend: Wenn sich Anne und ihr Leidensgenosse Peter verlieben, sich annähern, wie Jugendliche das nun mal tun: schüchtern, mit Herzklopfen und Sehnsucht. Das ist so lebendig und authentisch, so nah an der Lebenswelt der Zuschauer, dass der ganze Saal still und gebannt ist – übrigens volle anderthalb Stunden lang.

Zwischen die Tagebuchausschnitte und Szenen werden Erklärungen geschnitten, historische Einordnungen – bis hin zur Verhaftung und schließlich Ermordung der Familie. Zuvor hatte sich die weiße Wand im Hintergrund mit grünen und rosafarbenen Flecken gefärbt, ein Bild für die zarte Liebesgeschichte zwischen Anne und Peter. Ein Hauch Hoffnung inmitten der Verzweiflung. Und dann: Schluss.

"Deine Anne" – so endet der letzte Tagebucheintrag, mit dem die Geschichte abrupt abbricht. Anne Frank und ihre Familie wurden verraten, verhaftet, deportiert und ermordet. Im Publikum ist Schweigen, einige Achtklässler holen ihre Taschentücher heraus.

Nächste Vorstellungen am 9., 10. und 11.4., Theater Junge Generation