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Österliche Kostbarkeiten und Kuriositäten im Dresdner Jägerhof

Ein Superlativ kommt selten allein: Im Museum für Sächsische Volkskunst wird das Osterfest mit Eierverzierungen vom Feinsten und mit der kleinsten Ausstellung der Welt eingeläutet.

Von Birgit Grimm
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Faszinierend ist das Können der künstlerisch begabten Menschen, denen man in diesen Tagen im Jägerhof begegnen darf.
Faszinierend ist das Können der künstlerisch begabten Menschen, denen man in diesen Tagen im Jägerhof begegnen darf. © Ostern im Jägerhof © Museum für Sächsische Volkskunst, Foto: Claudia Jacquemin | Michael Schmidt?

Die komplette Ausstellung passt in einen Schuhkarton. Das behauptet Kathi Loch, Direktorin des Museums für Sächsische Volkskunst. Es stimmt nur dann, wenn man die großformatigen Fotografien der winzigen Objekte auf einem Stick speichern würde. „Miniminiminiaturen. Die kleinste Ausstellung der Welt“ ist ab diesem Wochenende im Dresdner Jägerhof zu sehen. Die Museumsleute haben aus ihrer Sammlung die sechzehn schönsten Mikro- und Miniobjekte herausgesucht, auch solche, die sonst in der Dauerausstellung zu sehen sind, und die Berliner „Sammlungsfotografen“ Sebastian Köpcke und Volker Weinhold überredet, diese Schätzchen in Szene zu setzen.

Ein Zehnminutenfilm zeigt, wie sie den kleinen Dingen auf einer tiefschwarzen Bühne mit diversen Spiegeln und viel Fingerspitzengefühl zu wahrer Größe verhelfen. Ihr Makrofotografien entzaubern Objekte wie die Dampfmaschine in einer Walnuss-Schale nicht. Im Gegenteil, sie zeigen dem neugierigen Publikum auf so faszinierende wie technisch gekonnte Weise, was sonst nur Fachleute mit der Lupe erkennen können.

Moritz Schubert, Schwerin, 1937: Mit einem Gebet handbeschriebene Erbse
Moritz Schubert, Schwerin, 1937: Mit einem Gebet handbeschriebene Erbse © Foto: Sebastian Köpcke und Volk

Vaterunser auf der Erbse

Da ist zum Beispiel die Erbse, auf die der Vermessungstechniker Moritz Schubert 1937 mit der Hand zwei Vaterunser geschrieben und sogar noch Platz für seinen Namen und die Adresse gefunden hat.

Foto: Erich Ebert, Bergmann im Streichholz, Weinstadt-Endersbach, 1998
Foto: Erich Ebert, Bergmann im Streichholz, Weinstadt-Endersbach, 1998 © © Museum für sächsische Volkskunst, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Sebastian Köpcke und Volker Weinhold

Auch eine Reliquie, ein winziger Holzsplitter, ist in der Ausstellung zu bewundern. Es ist ein Splitter von der Gitarre des Mundartsängers Anton Günther, der von 1876 bis 1937 lebte und im Erzgebirge bis heute Kultstatus genießt.

Der Bergmann im Streichholz sieht im Original filigran gearbeitet aus. Auf dem Foto erkennt man, dass die Figur nur angedeutet ist. Das kann auch gar nicht anders sein, denn das Holz für Zündhölzer ist von naturgemäß minderer Qualität. Wie viele Schachteln hat Erich Ebert wohl geleert, bis ihm diese perfekte Augentäuschung gelungen ist?

In eine dieser Schächtelchen dürfte der Annaberger Bergaltar von Ralf Thomas passen. Er ist nur 3,2 mal 2,6 mal 0,7 cm klein und „ordentlich hingeholzt“, wie Kathi Loch sagt. Alle ausgestellten Miniaturen sind kleiner als zehn Zentimeter, und es sind die Lieblingsobjekte der Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus einer Sammlung von Tausenden Winzigkeiten.

Der Hersteller dieses Puppenstubenservice aus bemaltem Zinn ist unbekannt, Deutschland, 1900-1920
Der Hersteller dieses Puppenstubenservice aus bemaltem Zinn ist unbekannt, Deutschland, 1900-1920 © © Museum für sächsische Volkskunst, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Sebastian Köpcke und Volker Weinhold

Das Schönste vom Besten

Und da ein Superlativ selten allein kommt, zeigt das Museum neben der kleinsten Ausstellung der Welt auch noch das Schönste vom Besten der Ostereiergestaltung. Elke Birninger, die am Museum für das Oster- und für das Weihnachtsprogramm zuständig ist, präsentiert nun nach 37 Jahren ihre letzte Osterausstellung vor dem Ruhestand. Dafür hat sie frühlingshafte Kostbarkeiten und Kuriositäten aus dem Museumsbestand ausgewählt. Wie sie den beiden „Sammlungsfotografen“ diese eine Miniminiminiatur vorenthalten konnte, bleibt ihr Geheimnis: Es sind zwei Eier einer Gartenschnecke, auf die jeweils Frauenkirche und Jägerhof gemalt wurden.

Kerstin Dischereit, "Eier-Uhr", Leipzig, 2001
Kerstin Dischereit, "Eier-Uhr", Leipzig, 2001 © © Museum für Sächsische Volkskunst, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Karsten Jahnke

Ostereier nicht nur färben und bemalen

Ostereier, das wissen Stammgäste des Jägerhofs, kann man nicht nur färben und bemalen. Neben den traditionellen sorbischen Ostertechniken entdeckt man auch in diesem Jahr im Jägerhof wieder überraschende Materialien und innovative Fertigkeiten, die das Osterei zu einem Kunstobjekt werden lassen. Wenn der Kunstschmied Jozsef Koszpek ein Ei mit 89 winzigen Hufeisen beschlägt, zeigt er, was für ein gefühlvoller Mann er ist. Wenn der ehemalige Direktor des Volkskunstmuseums, Igor Jenzen, ein Ei als Coronavirus gestaltet, zeigt er einerseits seinen unerschütterlichen Humor, andererseits aber auch, wie ungern er seinerzeit den Jägerhof coronabedingt schließen musste.

Nicht nur kunstvolle Drahtgeflechte, Bernstein, diverse Metalle, Gestricktes und Gehäkeltes verzieren die Eier. Auch die Schale selbst wird zum filigranen Kunststoff, wenn man sie 3.000-fach durchlöchert oder gekonnt zerschneidet.

Niemand muss nun fürchten, dass es mit Elke Birningers Ruhestand vorbei wäre mit Ostern und Weihnachten im Jägerhof, diesen seit Jahrzehnten so beliebten Ausstellungen und Veranstaltungen. Dass Frau Birninger auch mit einem lachenden Auge in den Ruhestand gehen kann, liegt daran, dass ihr in ihrer Familie und mit ihren Interessen und Begabungen gewiss nicht langweilig werden wird. Vor allem aber ist sie glücklich darüber, ihre Nachfolgerin einarbeiten zu können.

"Ostern im Jägerhof" bis 7. April mit einem abwechslungsreichen Programm. Details unter www.skd.museum

„Miniminiminiaturen. Die kleinste Ausstellung der Welt“ bis 20. Oktober. Das Museum für Sächsische Volkskunst im Dresdner Jägerhof, Köpckestr.1, ist dienstags bis sonntags und am Ostermontag 10 bis 18 Uhr geöffnet.