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So soll die Staatsoperette Magie entfalten: frivol, feministisch, antikapitalistisch

Dresdens Staatsoperette wird 75 Jahre alt. Intendantin Kathrin Kondaurow und ihr Ensemble feiern das Jubiläum mit vertrauten Hits, vergessenen Perlen und DDR-Weisen.

Von Bernd Klempnow
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Kommt nun in ihrem vierten Jahr als Intendantin – nach den Corona-Ausfällen – dazu, das Profil der Staatsoperette zu schärfen.
Kommt nun in ihrem vierten Jahr als Intendantin – nach den Corona-Ausfällen – dazu, das Profil der Staatsoperette zu schärfen. © Esra Rotthoff

Ab sofort wird wieder an Dresdens Staatsoperette geklotzt. „Nach zweieinhalb Jahren mit beschränkter Zuschauerkapazität und kleiner besetzten oder nur online produzierten Inszenierungen werden nun alle Produktionen wieder für einen vollen Zuschauersaal und mit dem kompletten Ensemble umgesetzt“, so Intendantin Kathrin Kondaurow am Donnerstag bei der Präsentation der kommenden Spielzeit 2022/23.

Mit einem breit gefächerten Programm und Novitäten will sie das Publikum wieder ins Haus locken, um den Saal „immer mehr zu füllen“. Das Motto der Spielzeit lautet „Wir entfachen Magie“. Derzeit liege die Auslastung – es gibt keine Abos, sondern nur den sogenannten Freiverkauf – bei 60 bis 70 Prozent.

Neue „Fledermaus“ als Verbeugung

Die Vorhaben sind ambitioniert, teils seit Jahren geplant und wegen Corona immer wieder verschoben worden oder gar schon fertig, aber nur als Online-Fassung produziert. Fünf Premieren vier davon von Frauen inszeniert, elf Wiederaufnahmen, Konzerte und viele flankierende Formate aller Art sind geplant. Es ist Kondaurows vierte Saison. Keine bisherige war wegen der Pandemie normal. Sollte es die Spielzeit 2022/23 werden, dann würde ein durchaus neues und interessantes Profil erkennbar. Denn die Intendantin und ihr Ensemble feiern das 75-jährige Bestehen des heiteren Musiktheaters mit vertrauten Hits wie „Die lustigen Weiber von Windsor“, vergessenen Perlen wie „Polnische Hochzeit“ als deutsche, szenische Erstaufführung, opulenten Broadway-Stücken wie dem Pop-Musical „Pippin“ und schwerpunktmäßig mit Rückblicken in die eigene Geschichte und die des Genres.

Szene aus dem Tom-Jones-Musical "Fantasticks" - ab September wieder zu sehen.
Szene aus dem Tom-Jones-Musical "Fantasticks" - ab September wieder zu sehen. © Pawel Sosnowski/Staatsoperette

Dazu gehört natürlich eine „Fledermaus“, das Kronenstück der Goldenen-Operetten-Ära. Die Chefin selbst wird das beliebte Stück im Juni nächsten Jahres inszenieren, als „Verbeugung vor dem Haus, dem Ensemble und dem Genre“. Sie kann durchaus Regie, hat sie doch bereits recht erfolgreich das Tom-Jones-Musical „Die Fantasticks“ herausgebracht – das ist wieder ab 17. September zu sehen.

„Freund Bunbury“ kehrt zurück

Passend zum Johann-Strauß-Hit: Ein neues Diskussions- und Entdeckungsforum unter dem Titel „Früher war alles besser …?“ soll die „Fledermaus“-Neuproduktion über mehrere Wochen begleiten. Team und Künstler wollen mit dem Publikum über die Inszenierung, ästhetische und gesellschaftliche Fragen und ganz persönliche Theatererinnerungen ins Gespräch kommen. Und es wird, wie noch an keinem anderen Haus mit dieser Konsequenz, das heitere Musiktheater der DDR und des Ostblocks mit verschiedenen Veranstaltungen und einem Symposium beleuchtet. Das liegt auf der Hand, schließlich war die Staatsoperette eine wichtige künstlerische Heimat für diese Szene in der DDR.

So bietet etwa der Liederabend „Ein bisschen Horror und ein bisschen Sex“ frivole, feministische und auch antikapitalistische Hits der Realexistierenden etwa aus „Mein Freund Bunbury“, „Messeschlager Gisela“ und akustische Raritäten aus den ehemaligen Volksrepubliken Ungarn und Rumänien. In Ergänzung zur „Polnischen Hochzeit“ setzt sich die Staatsoperette in dem Symposium Operette im Osten gemeinsam kritisch mit diesem Themenkomplex auseinander und betrachtet so die Operettenkultur der DDR und der Warschauer-Pakt-Staaten.

Auch interessant: Zwei flexible Abos werden neu aufgelegt. „Glamour“ – ein Abo für 125 Euro mit Karten für drei frei wählbare Vorstellungen, Begrüßungsgetränk und Snacks. Und „Again and Again“ – eine Flatrate für 35 Euro, mit der junge Leute bis 27 Jahre so viele Vorstellungen besuchen können, wie sie wollen, plus die Operetten-Discos.

Premieren, Wiederaufnahmen, Konzerte und Service

  • Von den fünf Premieren der Spielzeit dürfte das Pop-Musical „Pippin – Die Kunst des Lebens“ der Geheimtipp sein. Das Stück mit der Musik des Grammy- und Oscar-Preisträgers Stephen Schwartz hat Ende Januar Premiere. Der Opener-Song „Wir entfachen Magie“ gibt der Spielzeit das Motto.
  • Mit dem auch im Kraftwerk beheimateten Theater Junge Generation kommt auf der Bühne des tjg das Familienmusical „Grimm! – Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ heraus. Die Story: Rotkäppchen schließt mit dem Wolf Freundschaft. Das löst unter den spießbürgerlichen Dorfbewohnern eine Krise aus. Premiere ist am 3. Juni.
  • Ab 5. November ist das Märchenmusical „Cinderella“ von Richard Rodgers als Wiederaufnahme nach der digitalen Premiere vor zwei Jahren endlich live zu erleben.
  • Bei den Konzerten dürfte etwa der Zyklus „Ein Lied geht um die Welt“ mit Stationen in Wien, den Südstaaten sowie ehemaligen Ostblockländern ab September auf Interesse stoßen.
  • Bewährte Sonderveranstaltungen wie die Talkshow „Late Night Mitte“ werden um weitere Formate ergänzt: Ganz neu wird es die Operetten-Disco unter dem Titel „Party-Time“ im Kranfoyer geben. Jeder Disco-Termin folgt dabei einem Motto der Spielzeit-Premieren.
  • Der Vorverkauf für die Spielzeit beginnt am 28. Juni. Ab 12 Uhr sind an der Theaterkasse, tel. unter 0351 32042222, per E-Mail ([email protected]) und unter www.staatsoperette.de alle Vorstellungen der Spielzeit (außer „Grimm!“ – erst ab 5. September) buchbar.