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So lernen die Schüler auf Dresdens erster Gemeinschaftsschule

200 Kinder besuchen seit August die Gemeinschaftsschule Albertstadt. Wie der Schulalltag aussieht und warum das Konzept nicht für jeden Schüler geeignet ist.

Von Nora Domschke
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Die beiden Fünftklässler Gabriel und Antonia gehören zur ersten Generation Dresdner Schüler, die bei Miriam Bankert an der Gemeinschaftsschule in der Albertstadt lernen.
Die beiden Fünftklässler Gabriel und Antonia gehören zur ersten Generation Dresdner Schüler, die bei Miriam Bankert an der Gemeinschaftsschule in der Albertstadt lernen. © Archiv: Sven Ellger

Dresden. Noch ist das neue Schulhaus in der Dresdner Albertstadt gar nicht richtig fertig. Baufahrzeuge parken vor dem Gebäude, im Inneren werden Klassenzimmer hergerichtet und der Hof bepflanzt - nach einem normalen Schulbetrieb sieht das nicht aus. Dennoch werden auf dem neuen Campus an der Stauffenbergallee seit August rund 200 Kinder in einer Gemeinschaftsschule unterrichtet. Es ist die erste Gemeinschaftsschule, die in der sächsischen Landeshauptstadt nach der politischen Wende gegründet wurde.

Noch stehen den Kindern und den 18 Lehrern nur die Klassenzimmer im Ostflügel an der Königsbrücker Straße zur Verfügung. "Vor Weihnachten soll dann auch der zweite Flügel fertig sein", sagt Schulleiterin Miriam Bankert. Im August 2020 hatte die Pädagogin die 151. Oberschule übernommen, die damals neu gegründet wurde. Dass Dresden zwei Jahre später eine Gemeinschaftsschule bekommen sollte, sei da noch nicht absehbar gewesen, erzählt Miriam Bankert.

Seit August lernen die Schüler der neuen Gemeinschaftsschule im Schulneubau an der Kreuzung Königsbrücker Straße/Stauffenbergallee.
Seit August lernen die Schüler der neuen Gemeinschaftsschule im Schulneubau an der Kreuzung Königsbrücker Straße/Stauffenbergallee. © Sven Ellger

Dennoch habe sich das Konzept der 151. Oberschule schon von anderen Schulen unterschieden - und kam wohl auch deshalb sofort in die engere Wahl für Dresdens erste Gemeinschaftsschule. Was macht sie besonders?

Wie viele Schüler lernen an der Gemeinschaftsschule?

Im ersten Schuljahr ist die Gemeinschaftsschule Albertstadt mit rund 200 Schülern gestartet, die in der fünften bis zur siebten Klasse lernen. Die jetzigen sechsten und siebten Klassen wurden bis Ende Juli dieses Jahres an der 151. Oberschule in der Hechtstraße unterrichtet und sind nun auf den neuen Schulcampus an der Stauffenbergallee gezogen. Sie werden an der Gemeinschaftsschule ihren Realabschluss machen und müssen für ein Abitur noch an eine andere Schule wechseln.

Pro Schuljahr kommen künftig aber jeweils vier neue fünfte Klassen dazu. In acht Jahren werden die ersten Schüler dann ihre Abiturprüfungen an der Gemeinschaftsschule ablegen können. Welche Schüler das sein werden, ist derzeit aber noch nicht absehbar - denn noch stehen den Kindern und Jugendlichen alle Bildungswege an ihrer Schule offen. Ob Abitur, Real- oder auch Hauptschulabschluss - das wird sich erst in den nächsten Jahren entscheiden.

Welche Abschlüsse bekommen die Schüler?

Wer an der Gemeinschaftsschule lernt, muss sich in der fünften Klasse noch nicht auf einen bestimmten Abschluss festlegen. Länger gemeinsam lernen - das ist Teil des Konzeptes und soll den Schülern die Möglichkeit bieten, auch etwas später ihre Stärken zu entdecken, zu vertiefen und dann zu entscheiden, welcher Weg für sie der richtige ist.

Je nachdem, wie sich das Kind ab der fünften Klasse entwickelt und auf welchem Leistungsniveau es dann lernt, kann es an der Gemeinschaftsschule einen Real- oder Hauptschulabschluss machen, aber auch die Allgemeine Hochschulreife erlangen, indem es erfolgreich das Abitur ablegt.

Was läuft an der Gemeinschaftsschule anders?

Das Konzept der Gemeinschaftsschule weicht von dem einer klassischen Oberschule oder eines Gymnasiums ab, denn es lernen schwächere und stärkere Schüler gemeinsam - und zwar bis zur zehnten Klasse. Kein Kind muss die Gemeinschaftsschule verlassen, wenn es in der neunten Klasse merkt, dass die Aufgaben auf Gymnasialniveau zu schwer werden. Dann entscheidet es sich einfach für den Realschulabschluss.

Wer allerdings den gymnasialen Weg anstrebt, der muss ab der sechsten Klasse eine zweite Fremdsprache erlernen. An der Gemeinschaftsschule Albertstadt ist das Spanisch. Später kommt eine dritte Fremdsprache hinzu. "Wir wollen gern Latein anbieten, das ist aber noch nicht entschieden", sagt Miriam Bankert.

Während es bei den Fremdsprachen also keinen Unterschied zu einem "normalen" Gymnasium gibt - das schreibt der sächsische Lehrplan so vor -, gibt es deutliche Unterschiede in der Gestaltung des Schulalltags. "Rhythmisierter Ganztag" - so nennen Bildungsexperten das Konzept. Der Unterricht beginnt täglich erst 8 Uhr, am Vormittag gibt es zwei kürzere Bewegungspausen, die Mittagspause dauert 60 Minuten und bietet Zeit für ein ausgiebiges Essen, zum Quatschen oder für ein Fußballspiel auf dem Hof. "Wir verstehen die Schule als Lebensraum."

Was für viele Schüler sicherlich sehr interessant sein dürfte: In der Gemeinschaftsschule gibt es keine Hausaufgaben. "Dafür haben die Kinder in der Schule mehr Zeit, ihre Aufgaben zu erledigen." Überhaupt ist das individuelle Erarbeiten von Aufgaben ein zentraler Punkt des Konzeptes. Das ermöglicht jedem Schüler sein eigenes Tempo, der Lernplan gibt aber eine Orientierung, was alles geschafft werden sollte.

Selten sind die Klassenzimmertüren geschlossen, die Schüler sitzen im ganzen Schulhaus verteilt in Sitzecken oder auf Fensterbrettern und brüten über Büchern oder Arbeitsheften. Gemeinsam und im Austausch. "So profitieren die schwächeren Schüler am besten von den stärkeren", erklärt die Schulleiterin. Die Lehrer sind als Ansprechpartner immer vor Ort.

Welche Erfahrung bringt die neue Schulleiterin mit?

Miriam Bankert ist seit 20 Jahren im Schuldienst, sie unterrichtet Biologie, Chemie und Englisch. In ihrer Heimat Baden-Württemberg spielt das Thema Gemeinschaftsschule bereits seit 2012 eine wichtige Rolle. In der Gemeinde Karlsbad bei Pforzheim hat sie damals die erste Gemeinschaftsschule bei der Antragstellung begleitet und im Leitungsteam mit aufgebaut. 2019 zog sie mit ihrer Familie nach Dresden in die Heimatstadt ihres Mannes.

Mit ihrer Expertise war sie bei der Gründung der ersten Dresdner Gemeinschaftsschule eine wichtige Stütze. "Das ist ein tolles Schulkonzept - allerdings nur für Kinder, denen diese offene Lernform liegt." Miriam Bankert warnt Eltern deshalb vor zu hohen Erwartungen. "Für sehr schwache Schüler ist das Konzept mitunter zu schwierig. Eine Eliteschule sind wir aber auch nicht."

In den Jahren als Lehrerin an ihrer früheren Gemeinschaftsschule hat die Pädagogin beides kennengelernt: Kinder, die nicht mit dem offenen System zurechtkommen, weil sie unstrukturiert sind und im Frontalunterricht besser Orientierung finden. Und Kinder im schulischen Mittelfeld, die davon "wunderbar profitiert" haben. "Ich habe Schüler beobachtet, die erst ihren Realschulabschluss und dann ihr Abitur gemacht haben, was vorher für diese Kinder undenkbar war."