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Trinkwasser in Dresden: Bergleute sanieren Wasserstollen nach Coschütz

Am Montag fließt wieder Talsperrenwasser durch die Röhre im Tharandter Wald. Wann das Wasser aus dem größten Dresdner Werk in die Häuser kommt.

Von Peter Hilbert
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Zum Abschluss begutachten Sachsen-Energie-Projektleiter Mirco Helbig (l.) und Vorarbeiter Silvio Schönherr noch einmal den verstärkten Wasserstollen im Seerenbachtal. Durch den fließt ab Montag wieder Klingberger Talsperrenwasser nach Dresden.
Zum Abschluss begutachten Sachsen-Energie-Projektleiter Mirco Helbig (l.) und Vorarbeiter Silvio Schönherr noch einmal den verstärkten Wasserstollen im Seerenbachtal. Durch den fließt ab Montag wieder Klingberger Talsperrenwasser nach Dresden. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Dresden. Während im idyllischen Tal der Seerenbach vorbeiplätschert, stehen fast sechs Meter tiefer Mirco Helbig und Silvio Schönherr im neuen Betonschacht. Der Projektleiter von Sachsen-Energie und der Vorarbeiter der Bergsicherung Schneeberg begutachten die ellipsenförmige Röhre im Tharandter Wald ein Stück unterhalb von Dorfhain. Innen hat sie eine neue Stahlbetonschale bekommen. "Das ist sehr gut gelungen", schätzt Helbig ein.

Das Leitungssystem: Neue Schale für Wasserstollen

Dieser Stollen ist Teil des insgesamt 20 Kilometer langen Leitungssystems, durch das das sogenannte Rohwasser von der Talsperre Klingenberg zum 150 Meter tiefer liegenden Coschützer Werk fließt. Auf etwa der Hälfte dieser Strecke fließt das Talsperrenwasser durch vier, vor etwa 100 Jahren bergmännisch gebaute Stollen, von denen seit 2012 mehrere Abschnitte im Tharandter Wald saniert wurden. Der erste Stollen beginnt hinter der Talsperre Klingenberg, der letzte führt vom Wasserkraftwerk Tharandt bis zum Wasserschloss Coßmannsdorf oberhalb des Hanges zum Weißeritztal.

Auch die mittlerweile fast 100 Jahre alte Hülle der ellipsenförmigen Röhre des Stollens 3 aus dem damals üblichen Stampfbeton unter dem Seerenbachtal hat stark gelitten.

Fachleute der Sachsen-Energie inspizieren den Wasserstollen im Seerenbachtal, der eine neue Stahlbetonschale erhalten hat. Vorn im Bild ist Projekleiter Mirco Helbig.
Fachleute der Sachsen-Energie inspizieren den Wasserstollen im Seerenbachtal, der eine neue Stahlbetonschale erhalten hat. Vorn im Bild ist Projekleiter Mirco Helbig. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Deshalb handelt Sachsen-Energie. Mitte September vergangenen Jahres war Sachsens größtes Wasserwerk in Coschütz außer Betrieb genommen worden. Dresden wird seitdem von den Werken in Hosterwitz und Tolkewitz versorgt. Bei den umfassenden Wartungs-, Instandhaltungs- und Bauarbeiten werden 54 Projekte umgesetzt, davon elf größere - sowohl im Wasserwerk als auch an der sogenannte Rohwasserzuführung von der Talsperre Klingenberg. Dafür investiert Sachsen-Energie rund sechs Millionen Euro, erklärt Gruppenleiter Robert Haas, der für den Betrieb der Wasseranlagen zuständig ist.

Ein Blick auf die Baustelle im Tharandter Wald. Neugebaut wurde der Einstiegsschacht direkt neben dem Weg. Er ist für nötige Arbeiten sehr gut zugänglich. Der alte Schacht auf der anderen Bachseite wird teilweise abgebrochen.
Ein Blick auf die Baustelle im Tharandter Wald. Neugebaut wurde der Einstiegsschacht direkt neben dem Weg. Er ist für nötige Arbeiten sehr gut zugänglich. Der alte Schacht auf der anderen Bachseite wird teilweise abgebrochen. © SachsenEnergie/Oliver Killig

In den vergangenen vier Monaten hatte der alte, 30 Meter lange Teil des Stollens 3 im Seerenbachtal eine 20 Zentimeter starke Stahlbetonschale erhalten. Bergleute hatten zwei engmaschige Bewehrungsmatten eingebaut und mindestens zwei Schichten Spritzbeton aufgebracht, erklärt Projektleiter Helbig.

Die jungen Bergleute Domenik Schüch (l.) und Veit Brückner vor den Sandsäcken, die im Stollen unter dem Seerenbachtal für das Anstauen des eingedrungenen Wassers vorm Betonierungsabschnitt eingesetzt waren.
Die jungen Bergleute Domenik Schüch (l.) und Veit Brückner vor den Sandsäcken, die im Stollen unter dem Seerenbachtal für das Anstauen des eingedrungenen Wassers vorm Betonierungsabschnitt eingesetzt waren. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Außerdem ist ein großes, knapp sechs Meter tiefes neues Einstiegsbauwerk errichtet worden. Der neue Schacht mit einer bis zu fünf Meter großen Öffnung hat einen enormen Vorteil gegenüber dem alten, erläutert Helbig. Er liegt nicht mehr jenseits des Seerenbaches, sondern direkt am Weg. So ist er für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sehr gut zugänglich.

Die Akteure: Sächsische Bergfirmen mit viel Erfahrung

Nach Auflagen des Oberbergamtes Freiberg dürfen für solche Arbeiten nur erfahrene Spezialfirmen beauftragt werden. Deshalb hatte Sachsen-Energie den Auftrag an eine Arbeitsgemeinschaft von Bergsicherung Schneeberg und Bergsicherung Freital vergeben. Bei Vorarbeiter Silvio Schönherr liegt das Bergmännische in der Familie. Bereits sein Vater und sein Großvater haben im westerzgebirgischen Hartenstein bei der Wismut gearbeitet.

Vier Monate lang haben Bergleute in diesem Wasserstollen im Seerenbachtal gearbeitet. Innen ist er jetzt mit einer 20 Zentimeter starken Stahlbetonschale verstärkt worden. Hier ist Vorarbeiter Silvio Schönherr bei einem letzten Kontrollgang vor der Inbetr
Vier Monate lang haben Bergleute in diesem Wasserstollen im Seerenbachtal gearbeitet. Innen ist er jetzt mit einer 20 Zentimeter starken Stahlbetonschale verstärkt worden. Hier ist Vorarbeiter Silvio Schönherr bei einem letzten Kontrollgang vor der Inbetr © SachsenEnergie/Oliver Killig

Der heute 54-Jährige trat in die Fußstapfen. "Ich hatte zuerst Kraftfahrer gelernt und mich dann bei der Bergsicherung Schneeberg zum Bergmann qualifiziert", berichtet er. Schönherr ist froh, dass die Arbeit im Seerental so gut abgeschlossen werden kann. Sonst arbeitet sein Unternehmen vor allem bei der Sicherung von Schächten aus dem Altbergbau, besonders in der Gegend um Schneeberg. "Dort war ab dem 15. Jahrhundert Silber und Kobalt abgebaut worden", erzählt der Bergmann.

Das Hochwasser: Knapp an Notinbetriebnahme vorbei

Ende Dezember war nicht nur der Seerenbach, sondern auch die Elbe stark angestiegen. Kurz vor Weihnachten war der neue Einstiegsschacht fertig, die Spritzbetonarbeiten im Stollen jedoch noch nicht. Hätte der Elbpegel 6,50 Meter erreicht, hätte in Coschütz eine sogenannte Notinbetriebnahme binnen weniger Stunden umgesetzt werden müssen. Denn die beiden anderen Wasserwerke direkt an der Elbe hätten nicht mehr die benötigte Leistung bringen können.

Friedlich plätschert der Seerenbach dahin. Um die Jahreswende war auch er stark angeschwollen.
Friedlich plätschert der Seerenbach dahin. Um die Jahreswende war auch er stark angeschwollen. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Denn Wasser wird in Dresden immer gefragter. Lag der durchschnittliche Tagesverbrauch 2011 bei rund 102.000 Kubikmetern täglich, so ist er bis zum vergangenen Jahr auf etwa 127.00 Kubikmeter gestiegen. Der Trend liegt hauptsächlich an der Mikrochipindustrie im Dresdner Norden.

Einen idyllischen Anblick bietet die Coschützer Filterhalle, in die 20 Filter schrittweise saniert werden. Denn Wasser wird immer gefragter. Lag der tägliche Wasserverbrauch 2022 bei rund 124.000 Kubikmeter, so waren es im vergangenen Jahr bereits knapp 1
Einen idyllischen Anblick bietet die Coschützer Filterhalle, in die 20 Filter schrittweise saniert werden. Denn Wasser wird immer gefragter. Lag der tägliche Wasserverbrauch 2022 bei rund 124.000 Kubikmeter, so waren es im vergangenen Jahr bereits knapp 1 © Peter Hilbert

"Doch wir hatten beim Hochwasser Glück", sagt der Projektleiter. Der Elbpegel erreichte am 29. Dezember nur 5,95 Meter. So mussten die Wasserstollen von Klingenberg nicht geöffnet werden, konnte der restliche Beton noch aufgespritzt werden. "An diesem Montag wird der Stollen wieder mit Wasser befüllt und in Betrieb genommen", kündigt Helbig an.

Bis auf knapp sechs Meter war der Dresdner Elbpegel Ende Dezember vergangenen Jahres angeschwollen. Wäre er nur 55 Zentimeter mehr gestiegen, hätte das erhebliche Konsequenzen gehabt. Denn dann hätte das Wasserwerk Coschütz wieder in Betrieb genommen werd
Bis auf knapp sechs Meter war der Dresdner Elbpegel Ende Dezember vergangenen Jahres angeschwollen. Wäre er nur 55 Zentimeter mehr gestiegen, hätte das erhebliche Konsequenzen gehabt. Denn dann hätte das Wasserwerk Coschütz wieder in Betrieb genommen werd © Peter Hilbert

Ein Stück weiter in Richtung Tharandt ist zudem ein weiteres Großprojekt im Tiefen Grund umgesetzt worden. Dort haben die Bergleute einen Stollen auf einer Länge von 50 Metern komplett erneuert, der direkt unter der Oberfläche liegt.

Die Baustelle: Größere Wasserleitung eingebaut

Leistungsfähiger soll die Wasserleitung werden, die zwischen dem Wasserschloss Freital-Coßmannsdorf und Coschütz liegen. So hat sich die Sachsen-Energie in eine komplexe Sanierung der Gitterseer Straße an der Freitaler Stadtgrenze zu Dresden eingeklinkt.

Neu verlegt ist eine größere Trinkwasserleitung an der Gitterseer Straße in Freital, durch die mehr Talsperrenwasser nach Coschütz fließen kann.
Neu verlegt ist eine größere Trinkwasserleitung an der Gitterseer Straße in Freital, durch die mehr Talsperrenwasser nach Coschütz fließen kann. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Dort ersetzen Bauleute in einem 120 Meter langen Abschnitt die ein Meter hohe Wasserleitung durch eine 20 Zentimeter größere. "Jetzt fehlen nur noch wenige Meter", sagt Gruppenleiter Haas. Diese Leitung soll am 22. Januar wieder in Betrieb genommen werden.

Ein Blick in ein 1,2 Meter hohes Wasserrohr, das an der Gitterseer Straße noch verlegt werden muss.
Ein Blick in ein 1,2 Meter hohes Wasserrohr, das an der Gitterseer Straße noch verlegt werden muss. © Peter Hilbert

Das Wasserwerk: Filter und Sammelkanal saniert

Umfangreiche Arbeiten sind auch im Wasserwerk Coschütz ausgeführt worden. So ist jetzt in der Filterhalle der dritte der 20 Sandfilter seit 2017 saniert worden, erklärt Haas eine Großaktion. Dort wurden auch die insgesamt 6.200 Filterdüsen durch neue ersetzt. In den kommenden Jahren sollen schrittweise weitere Filter saniert werden.

Einen idyllischen Anblick bietet die Coschützer Filterhalle, in die 20 Filter schrittweise saniert werden.
Einen idyllischen Anblick bietet die Coschützer Filterhalle, in die 20 Filter schrittweise saniert werden. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Eine Etage tiefer ist ein weiteres Stück des abgelassenen Reinwasser-Sammelkanals saniert worden, der eine Million Liter Wasser fasst. "Einen ersten, 30 Meter langen Abschnitt haben wir bereits 2020 saniert", erläutert Haas. Jetzt ist das nächste, knapp 40 Meter lange Stück des sechs Meter hohen hallenartige Baus fertig.

Gruppenleiter Robert Haas begutachtet den unterirdischen Reinwasser-Sammelkanal im Wasserwerk Coschütz. In dem hallenartigen Bau wurde ein weiterer Abschnitt der Wandoberflächen mit Spezialmörtel saniert.
Gruppenleiter Robert Haas begutachtet den unterirdischen Reinwasser-Sammelkanal im Wasserwerk Coschütz. In dem hallenartigen Bau wurde ein weiterer Abschnitt der Wandoberflächen mit Spezialmörtel saniert. © SachsenEnergie/Oliver Killig

Bauleute haben die fast 80 Jahre alten Betonschichten der Wände mit dem Presslufthammer abgepickert und eine 2,5 Zentimeter starke Schicht Spezialmörtel aufgespritzt, in den keine Mikroorganismen eindringen können. "Wir liegen sehr gut in der Zeit", resümiert Haas. "Bis zum 31. Januar soll unser Wasserwerk Coschütz wieder komplett in Betrieb sein." Dann bekommen die Dresdner wieder den gewohnten Geschmack mit dem Coschützer Trinkwasser.