Folgen Brände an Dresdner Schule einem Tiktok-Trend?

Dresden. Um 11.45 Uhr musste die Feuerwehr Dresden anrücken. Am Schulstandort Pfotenhauerstraße, den sich das Gymnasium Johannstadt und die 101. Oberschule teilen, hat es am Montagmittag gebrannt. Wieder einmal.
Laut Polizei waren auf einer Toilette drei Papierhalter angezündet worden. Die Flammen beschädigten dabei auch die Trennwände der Kabinen. Ein Mitarbeiter der Schule konnte das Feuer vor Eintreffen der Feuerwehr löschen. Der Sachschaden ist noch unklar. Im Rahmen der ersten Ermittlungen geriet ein 14-Jähriger in Verdacht, der die Papierrollen angezündet haben soll. Die Kriminalpolizei ermittelt gegen ihn wegen Brandstiftung. Gebrannt hat es an dem Schulstandort nicht zum ersten Mal.
In diesem Artikel:
- Was steckt hinter den mehrfachen Bränden in der Dresdner Schule?
- Warum kann eine TikTok-Challenge so gefährlich werden?
- Mit welchen Strafen müssen die Brandstifter rechnen?
Was steckt hinter den mehrfachen Bränden?
Laut Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) gab es in diesem Jahr am Schulstandort Pfotenhauerstraße schon drei Brände. 2021 wurden ebenfalls drei Brände gemeldet.
Ursache war laut Donhauser jeweils Brandstiftung. "Es wird vermutet, dass diese Ereignisse im Zusammenhang mit der 'Devious-Licks-Challenge' auf der Internetplattform Tiktok stehen, in der zu Diebstahl und Zerstörung von Schuleigentum und zu Brandstiftungen durch Schülerinnen und Schüler aufgerufen wird", sagt er. Darauf habe auch das Brand- und Katastrophenamt aufmerksam gemacht. Challenge steht für Wettbewerb und Herausforderung. Von anderen Dresdner Schulen kennt die Stadt das Phänomen nicht. "Es gibt es keine offensichtlichen Zusammenhänge mit der Tiktok-Challenge bei anderen Bränden. Lediglich am Schulstandort Pfotenhauerstraße ist ein Muster erkennbar."
Auf die Frage, was die Stadt bisher getan habe, um dem entgegenzuwirken, teilt Donhauser mit, dass Rauchmelder installiert worden seien, die bei den Bränden auch angeschlagen haben. "Aus dem Grund konnte das Feuer recht schnell gelöscht und somit weiterer Schaden verhindert werden", betont er. Man könne aber im Sanitärtrakt keine weiteren Maßnahmen ergreifen, sondern müssen weiter auf die Rauchmelder und die Schulgemeinschaften vertrauen, die diesen wiederholten Vorfall thematisieren und sehr achtsam seien.
Grünen-Fraktionschefin Agnes Scharnetzky fordert nun bessere medienpädagogische Konzepte der Lehrer und der Schulsozialarbeiter. "Sie sind in der Verantwortung, mit den Schülern das Gespräch zu problematischen Phänomenen in sozialen Netzwerken aktiv zu suchen. So auch zu Tiktok-Challenges, die zu Sachbeschädigung aufrufen." Linken-Stadträtin Anne Holowenko betont: "Brandstiftung ist keine hippe Challenge, sondern eine schwere Straftat und kann Menschenleben kosten. Wenn Personen- und Sachschäden in Kauf genommen werden, um sich im Internet interessant zu machen, wird ganz klar eine rote Linie überschritten." Der Ausbau der Schulsozialarbeit und der flächendeckende Einsatz von Rauchmeldern sei in Schulgebäuden dringend nötig.
Warum kann das so gefährlich werden?
Professor Veit Roessner, Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie und ‐psychotherapie an der Uniklinik, kennt solche Tiktok-Challenges. "Ich würde nicht von Aufruf sprechen, sondern von 'ansteckenden Trends', die gerade bei Jugendlichen immer wieder zu einer Welle von Nachahmern und teilweise immer heftigeren Ausführungen führen." Auch kommen betroffene Kinder und Jugendliche aufgrund der Probleme und Ratlosigkeit der Erwachsenen wie Eltern, Schule und Polizei oft als Patienten zu ihm.
Die sogenannte "Devious-Licks-Challenge" beruhe seines Wissens auf dem Video eines Nutzers in Großbritannien. Dieser hatte Anfang September vergangenen Jahres ein Video hochgeladen, in dem er stolz seine Beute, eine Packung mit Corona-Einweg-Masken, präsentierte, die er in seiner Schule geklaut haben will. Der Clip ging dann viral durch das Internet und der Diebstahl verselbstständigte sich zu einer Challenge. Nutzer posteten danach unter dem Hashtag "#Devious Lick" das Stehlen von immer aufsehenerregenderen Gegenständen, die sie tatsächlich oder angeblich geklaut haben. "Dann kamen Sachbeschädigungen und zuletzt massivere Zerstörungen und Brandstiftung dazu. Und dies leider nun auch in Deutschland", so Roessner.
Doch warum steigen die Jugendlichen darauf ein? "Gerade im Jugendalter sind Mutproben inklusive das Prahlen und Vergleiche drum herum schon immer elementarer Bestandteil der Identitätssuche", erklärt Roessner. "Um verschiedene Skills wie Durchsetzungsfähigkeit zu trainieren und seinen Marktwert und Platz in einer Rangordnung kennenzulernen", beobachtet der Experte.
Da Jugendliche generell und gerade beim sich Gegenseitig überbieten oft die Risiken völlig falsch einschätzen, könne ein solcher Trend richtig gefährlich werden. "Und beim Thema Brandstiftung ist ja definitiv die Grenze zu einer potenziell lebensgefährlichen, unkontrollierbaren Gefahr überschritten", betont Roessner.
Eltern und Lehrern rät Professor Roessner zu einem authentischen Diskurs über das Thema. Allerdings würden manche Eltern und Lehrer von den Jugendlichen nicht ernst genommen und können nicht zu ihnen durchdringen. "Daher ist es für sie schwierig, die realen Gefahren und ernsten Folgen eines solchen Verhaltens für die Geschädigten, aber auch für den einzelnen Jugendlichen zu vermitteln."
Mit welchen Strafen müssen die Brandstifter rechnen?
Sollte sich der Verdacht gegen einen mutmaßlichen Täter erhärten, wird ein Gericht über dessen Strafe entscheiden. Ende 2019 verurteilte etwa das Landgericht Aachen einen 15-Jährigen wegen siebenfacher schwerer Brandstiftung sowie versuchten Mordes in zwei Fällen zu vier Jahren Haft.
Der Schüler hatte unter anderem in einem Gymnasium Feuer gelegt, weil er einen Elternsprechtag verhindern wollte. In diesem Fall konnte der Brand nicht so schnell gelöscht werden und es entstand ein Millionenschaden.