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Engagement in Dresden: "Jeder sollte einen Freiwilligendienst leisten!"

Miriam Walther arbeitet seit fast einem Jahr als Bundesfreiwillige an der Montessori-Schule in Dresden. Die Arbeit verleiht ihr Flügel - wenn das knappe Einkommen nicht so drücken würde.

Von Nadja Laske
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Miriam Walther sammelt Erfahrungen als Bundesfreiwillige. Nach ihrer Zeit an der Dresdner Montessori Schule will sie Lehramt studieren.
Miriam Walther sammelt Erfahrungen als Bundesfreiwillige. Nach ihrer Zeit an der Dresdner Montessori Schule will sie Lehramt studieren. © René Meinig

Dresden. Still ist es rund um das versteckt zwischen Plattenbauten und Baumgrün stehende Montessori-Schulgebäude in Striesen. In den Ferien haben auch die Mauern frei, zwischen denen sonst gelernt, gelacht, getobt, gebastelt, gemalt, gesungen oder Theater gespielt wird. Nur ein Teil der insgesamt rund 500 Schüler besucht die Ferienbetreuung. Für sie ist Miriam da, während gefühlt die halbe Stadt Urlaub macht.

Die 22-Jährige arbeitet als Bundesfreiwillige an der Montessori-Schule Dresden. Im September vergangenen Jahres hat sie ihren Dienst begonnen. Inzwischen findet sie sich bestens an dieser großen Schule zurecht. "Aber ich kenne immer noch nicht alle Lehrer und Schüler", sagt sie. Dafür ist sie firm in ihren Aufgaben als sogenannter Bufdi.

"Ich betreue die drei Gruppen unserer siebenten und achten Klassen", sagt sie. Mit Schülern der Oberstufe zu arbeiten, das ist ihr Wunsch, seit sie sich immer stärker mit dem Gedanken befasst, einmal Lehrerin zu werden. "Ich habe zwei kleine Geschwister und meine Mutter arbeitet als Tagesbetreuungsperson", erzählt sie. Die jüngsten Steppkes gehören also ohnehin zu ihrem Alltag. Deshalb zog es Miriam eher zu den Teenagern.

400 Euro für 40 Stunden?

Als sie selbst noch einer war, besuchte sie die Waldorfschule und ist darüber mit alternativen Schulmodellen vertraut. Sicher macht ihr das heute leichter, sich in den Tagesablauf auch an der Montessori-Schule hineinzufinden, der vielleicht etwas spontaner, individueller und überraschender ist, als man das von anderen Schulen kennt.

Freiwilligen wie Miriam Walther gibt das den Raum, sich mit eigenen Ideen einzubringen und selbstständig Projekte umzusetzen. Einerseits hilft sie im Fachunterricht mit und begleitet selbstständige Lernzeiten an der Schule. "Außerdem habe ich meine Aufgaben im Erdkinderplan", erklärt Miriam. So heißt nach der Pädagogin Maria Montessori ein spezielles Konzept, das sich an Teenager richtet und sie in ihrer pubertären, kritischen Entwicklungsphase ganz besonders auf das spätere Leben vorbereitet.

Dazu gehören soziale, emotionale, intellektuelle und ganz lebenspraktische Kompetenzen. "Wir bieten deshalb die Arbeit mit Bienen, in der Siebdruckwerkstatt, in der Näherei und Theatergruppe oder auf einem Bauernhof in Struppen an." Als Freiwillige ist sie angehalten, dieses Angebot mit eigenen Ideen zu ergänzen. Das tut Miriam, wenn sie nicht gerade beispielsweise in der Cafeteria Essen vorbereitet.

Oder ihre Bildungstage in Anspruch nimmt, die zum Programm des Bundesfreiwilligendienstes gehören. Anders als im Freiwilligen Sozialen Jahr sind diese Seminare und Workshops frei wählbar. "Dabei geht es um ganz unterschiedliche Themen: Handwerk, Pädagogik, Kunst, Psychologie, Soziales und Historisches."

Als sich Miriam nach dem Abitur bei den Paritätischen um einen Platz im Bundesfreiwilligendienst beworben hatte und die Montessori Schule vorgeschlagen bekam, traf sie damit auf einen Arbeitgeber mit guter Erfahrung. Jedes Jahr arbeiten an der freien Schule und im Montessori-Kinderhaus ein Dutzend Freiwillige. Ihre Arbeit ist dort sehr geschätzt und die Schulleitung versucht, den jungen Leuten in vielerlei Hinsicht entgegenzukommen.

Bisher arbeiten Freiwillige ab dem 18. Lebensjahr 40 Stunden die Woche bei 30 Tagen Urlaub im Jahr. Dafür erhalten sie ein staatlich festgelegtes Taschengeld. Für Miriam sind das aktuell 390 Euro im Monat. Ab September erhöht sich die Zahlung auf 400 Euro. Auch das ist zu wenig, findet sie. Mit ihren 22 Jahren hat sie den Wunsch, ein eigenständiges Leben zu führen. Deshalb ist sie mit einer Freundin in eine Wohngemeinschaft gezogen. Plus Kindergeld hat sie momentan 640 Euro zur Verfügung.

Jeder vierte Platz bedroht

"Ich habe Bürgergeld beantragt, aber die Bearbeitung dauert Monate." Immerhin profitiert Miriam vom neuen Bildungsticket, mit dem sie im Abo für nur 15 Euro Bus und Bahn fährt. Dafür ist sie dankbar. "Wir Freiwilligen sind zwar keine ausgebildeten Kräfte, aber für unsere Arbeit sollten wir trotzdem Mindestlohn bekommen", sagt sie. Das würde Freiwilligendienst deutlich attraktiver machen.

Nötig wäre das schon deshalb, weil sich auch in diesem Bereich Mangel einstellt. An vielen Stellen fehlt es an freiwilligen Helfern wie Miriam. Dennoch plant der Bund laut aktuellem Haushaltsentwurf, ab 2024 die Ausgaben für die Förderung für Freiwilligendienste um insgesamt 78 Millionen Euro zu kürzen. Jeder vierte Platz im Freiwilligendienst würde damit wegfallen.

Die Montessori-Schule begegnet der Situation mit Vergünstigungen. Künftig arbeiten ihre Freiwilligen nur noch 35 Stunden die Woche ohne Kürzung des Taschengeldes. Zum Schuljahresbeginn hat die Schulleitung dringend noch eine Stelle zu besetzen.

Für die kann Miriam nur werben. Trotz knapper Kasse fühlt sie sich sehr wohl an ihrer Schule, die neben besonderen Aufgaben auch einen besonderen Umgang miteinander bietet: kollegial, freundschaftlich, individuell und gemacht für freie Entfaltung. "Jeder sollte einen Freiwilligendienst leisten", empfiehlt Miriam. Ihn zur Pflicht zu erheben, fände sie falsch. Doch wer sich dafür entscheide, werde danach um viele gute Erfahrungen reicher sein. "Er ist ein Bildungsfaktor für jeden und ganz wichtig für die Gesellschaft", sagt sie. Er erdet - und er verleiht Flügel.

www.freiwillig-jetzt.de