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Heimkinderausfahrt: Toll trotz Turbulenzen

Wegen Dauerregens stoppt die Polizei die Tour der Sachsenbiker mit rund 60 Kindern und 100 Fahrern. Wie die Feuerwehr den völlig durchnässten Tross rettet.

Von Nadja Laske
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Viele Kilometer weit waren der elfjährige Justin und Biker Andreas Schuster ein Team. Allerdings verlief die Tour ganz anders als gedacht.
Viele Kilometer weit waren der elfjährige Justin und Biker Andreas Schuster ein Team. Allerdings verlief die Tour ganz anders als gedacht. © SZ/Nadja Laske

Dresden. In der Haut des Polizisten möchte keiner stecken. Nicht nur, weil ihm die Feuchtigkeit durch Jacke und Hose dringt. Sondern weil der Knirps vor ihm so dringend bittet, dass es das Herz berührt: "Darf ich nicht weiter Motorrad fahren, ich bin doch sowieso schon nass", sagt Justin und hofft auf eine Sonderregelung.

Der Elfjährige ist als Sozius von Dresden bis nach Lichtenhain bei Sebnitz gefahren. Er gehört zu den mehr als 60 Mädchen und Jungen, die am Sonnabend zusammen mit gut 100 Bikern zur Heimkinderausfahrt aufgebrochen sind. Auf das Highlight haben sich die jungen Bewohner der Einrichtungen in Dresden, Radebeul und dem Erzgebirge mindestens genau so gefreut, wie ihre Fahrer. Zumal die Veranstaltung wegen Corona im vergangenen Jahr ausfallen und in diesem Jahr von Mai auf September verschoben werden musste. Endlich erlaubten die Hygieneregeln die ersehnte Ausfahrt, doch nun drohte statt der Pandemie Petrus, das Vorhaben zu verhageln.

Vom Motorrad aufs Feuerwehrauto

Tagelang hatte das Organisationsteam des Sachsenbike e. V. ein Dutzend Wetter-Apps und den Regenradar verfolgt. Schließlich entschieden sie, die Tour zu wagen. Die startet am Sonnabendmorgen auf dem Gelände der Feldschlößchenbrauerei in Coschütz und führt zunächst nach Bad Schandau, wo die Kinder zu einer Bootsfahrt eingeladen sind. Über 20 Grad und Sonne - Glück gehabt, freuen sich alle und machen sich von dort aus auf den Weg in Richtung Königstein, wo Unterstützer der Heimkinderausfahrt ein Mittagessen vorbereitet haben.

Doch je weiter die Route durch die Sächsische Schweiz führt, desto dunkler wird der Himmel. Vorerst genügt es, sich bei leichtem Schauer kurzzeitig unterzustellen, doch immer stärker und anhaltender regnet es. In Heeselicht bei Stolpen, wo gerade ein Motorradmuseum entsteht und Kinder und Fahrer einen weiteren Zwischenstopp bei Kaffee, Kuchen und Milchgetränken haben sollen, schüttet es ohne Unterlass wie aus Kannen.

Dort wird die inzwischen völlig durchweichte Kolonne nicht ankommen. Die nassen Fahrbahnen der zwar gemütlichen, doch auch kurvenreichen Strecke sind der Polizei, die die Biker begleitet, zu unsicher. Sie stoppt die Heimkinderausfahrt notgedrungen bei Sebnitz und leitet das Tross auf einen Parkplatz an der Bundesstraße. So etwas hat es in der 19-jährigen Geschichte der Sachsenbike-Heimkinderausfahrt noch nie gegeben.

Während das Team des Vereins sich bemüht, für die Kinder einen Bus-Shuttle zurück nach Dresden zu organisieren, kommt unerwartete Rettung: Ein Kamerad der Freiwilligen Feuerwehr Lichtenhain ganz in der Nähe bietet spontan Hilfe an und lädt die tropfnassen Fahrer in ihr Gerätehaus ein, wo sie sich aufwärmen und halbwegs trocknen können.

Rasch ist der Hauptmann der Freiwilligen Feuerwehr herbeigerufen. Er öffnet die Halle, in der ein großes Feuerwehrauto steht. Minuten später krabbeln die Knirpse auf die Fahrersitze, lassen sich von ihm alle Hebel, Knöpfe und Pedale erklären und fahren mit viel Fantasie zu mindestens 100 Einsätzen.

"Wir sind so dankbar!"

"Für die Kinder ging das Programm hier nahtlos weiter. Sie haben gar nicht gemerkt, dass der Tag anders geplant war", sagt Vereinsvorsitzender René Dahms erleichtert. "Wir sind der Freiwilligen Feuerwehr Lichtenhain so dankbar!" Auch Kaffee, Kuchen, Joghurt und Getränke kommen noch rechtzeitig auf der Feuerwache an.

Zurück geht es schließlich für einige Kinder mit ihren Heimbetreuern per Zug. Das Gros jedoch bringen die Betreuer mit Autos nach Hause. Auch Justin. Ein bisschen traurig verabschiedet er sich von seinem Fahrer Andreas Schuster. Der unterstützt die Benefizveranstaltung schon das vierte Jahr und kommt dafür extra aus dem thüringischen Gotha nach Dresden. "Es war trotz aller Schwierigkeiten ein tolles Erlebnis", sagt er und schwingt sich auf seine Yamaha Fazer 1000. Da sitzt Justin schon im warmen Auto und freut sich auf die Motorradfahrt im nächsten Jahr.