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Der Erbe von AEG und Siemens in Dresden

Zur Dresdner Industriegeschichte gehört der ehemalige VEB "Otto Buchwitz" Starkstrom-Anlagenbau. Dessen Ursprünge reichten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Von Ralf Hübner
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Die Endmontage des "Filius 4"-Diaprojektors beim VEB Starkstromanlagenbau "Otto Buchwitz" in Dresden 1980.
Die Endmontage des "Filius 4"-Diaprojektors beim VEB Starkstromanlagenbau "Otto Buchwitz" in Dresden 1980. © SZ/Waltraut Kossack (Archiv)

Dresden. Er ist in der DDR einer der großen Dresdner Betriebe. Der Schriftzug des VEB "Otto Buchwitz" Starkstrom-Anlagenbau im Industriegelände an der Königsbrücker Straße war nicht zu übersehen. Der Betrieb war unter anderem ein Spezialist für Hoch- und Mittelspannungsanlagen. 1989 waren dort etwa 2.400 Mitarbeiter beschäftigt. Vor 60 Jahren wurden am 6. Januar mehrere Dresdner Betriebe unter dem Dach des Betriebes mit dem Namen des ersten Präsidenten des Sächsischen Landtages nach dem Krieg zusammengeschlossen.

Der VEB "Otto Buchwitz" Starkstrom-Anlagenbau war vor allem aus den Dresdner Niederlassungen der renommierten deutschen Unternehmen AEG und Siemens hervorgegangen, die im Zuge der Elektrifizierung am Ende des 19. Jahrhunderts groß geworden waren und in Dresden regionale Büros unterhielten. Das Technische Büro von Siemens in Dresden war 1903 gegründet worden, vor 120 Jahren. Es betreute vor allem Kunden im mittel- und ostsächsischen Raum. Das Büro wuchs rasch und musste deshalb bis 1936 mehrmals umziehen.

"Siemens-Haus" in Sidonienstraße ist wieder Bürohaus

Ein ehemaliger Siemens-Mitarbeiter erinnerte sich: "Im Jahre 1922 umfasste das Technische Büro von Siemens in Dresden etwa 60 Mitarbeiter. Es waren zwei Chefs, zehn Ingenieure und Techniker, acht Kaufleute, vier Stenotypistinnen, vier Zeichner und einige Hilfskräfte. Die eigentlichen Produktionsaufgaben wurden von rund 20 Monteuren und Helfern bewältigt, die unter der Anleitung von vier Montageinspektoren arbeiteten."

1936 wurde schließlich ein Haus in der Sidonienstraße bezogen. Der Entwurf des viereckigen Baus mit vier Stockwerken stammte vom Büro des Architekten Paul Wolf. Im Keller befanden sich Lager und Werkstätten. Bildhauerischer Schmuck zierte die sonst eher schlichte Fassade. Dieses ehemalige Siemens-Haus gegenüber dem Hauptbahnhof steht noch immer. Schon kurz nach Kriegsende begann der Wiederaufbau des bei Luftangriffen beschädigten Gebäudes. Es diente später dem VEB Starkstrom-Anlagenbau als Produktionsstätte. Nach 1989 war es zunächst dem Verfall preisgegeben und wäre fast abgerissen worden. Dann war dort ein Studentenwohnheim geplant. Jetzt sind dort Büros entstanden.

Das Siemenshaus an der Sidonienstraße ist erst vor kurzem saniert wurden.
Das Siemenshaus an der Sidonienstraße ist erst vor kurzem saniert wurden. © Sven Ellger

Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG), damals der große Konkurrent von Siemens, war schon seit 1892 in Dresden präsent. Das Büro befand sich zunächst am Wiener Platz in einem repräsentativen fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus, der "Landwirtschaftlichen Feuerversicherungs-Genossenschaft" am Eingang zur Prager Straße, das auch als Kaisers Café bekannt war. Das Gebäude war in den Jahren 1901 und 1902 nach Plänen von Kurt Diestel in Anlehnung an den Wiener Jugendstil erbaut worden. Das Gebäude wurde bei der Zerstörung der Stadt 1945 stark beschädigt und später abgerissen.

1922 zog die AEG in das neu erbaute AEG-Haus in der Wiener Straße 1, das durch eine markante "runde Ecke" auffiel. Auch dieses Gebäude wurde im Krieg stark beschädigt und dann abgetragen. Die AEG-Verwaltung richtete ihr Büro deshalb nach dem Krieg in einer Villa in der Tiergartenstraße ein.

In den 1940er-Jahren hatte das Dresdner AEG-Büro rund 250 Mitarbeiter, etwa 100 davon waren Monteure. Wie Siemens auch war die AEG am Bau von Umspannwerken und Kraftwerksanlagen sowie elektrischen Anlagen aller Art in Industrie und Gewerbe beteiligt. Ab den 1930er-Jahren war der Energieverbund Gröba der Kreise Meißen und Großenhain ein wichtiger Auftraggeber. Weitere Schwerpunkt waren die elektrischen Anlagen der Stahlwerke Riesa und Gröditz sowie die Anlagen in den Braunkohletagebauen in Böhlen und Espenhain.

Nach dem Krieg wurden die Dresdner Büros der beiden Konzerne enteignet, der Vereinigung Volkseigener Betriebe des Elektromaschinenbaus (VEM) in Leipzig unterstellt und 1949 aus ihnen der VEM Anlagenbau Dresden mit zunächst 475 Beschäftigten gebildet. Neben der AEG und Siemens wurden auch kleinere Betriebe übernommen. 1953 wurde der Betrieb dem Ministerium für Maschinenbau, Hauptabteilung Elektromaschinen unterstellt und in VEB Starkstrom-Anlagenbau umbenannt. 1960 beschloss die SED eine weitere Zusammenlegung von Elektrounternehmen in Dresden im Industriegelände, die Anfang 1963 formell vollzogen wurde.

Einblick in das Arbeitsleben 1963: die Vormontage der Schaltschrank-Fertigung beim VEB Starkstrom-Anlagenbau "Otto Buchwitz".
Einblick in das Arbeitsleben 1963: die Vormontage der Schaltschrank-Fertigung beim VEB Starkstrom-Anlagenbau "Otto Buchwitz". © Foto: SZ/Werner Mohn

Doch im "Otto Buchwitz" Starkstrom-Anlagenbau lief es offensichtlich nicht immer rund. Ungewöhnlich deutlich wurde der Betrieb im gleichen Jahr in einem groß aufgemachten Beitrag der Sächsischen Zeitung für die schlechte Planerfüllung kritisiert. Führende Funktionäre der SED-Stadtleitung waren zur Visite erschienen. Die Ursachen für den Planverzug waren rasch klar: "Die schlechte ideologische Arbeit mit den Menschen." Jetzt sollte die Parteiorganisation alle Kräfte mobilisieren, um die Rückstände aufzuholen. Nach 1989 übernahm nach Privatisierung und Teilung des Unternehmens zunächst wieder die AEG Regie. Später hatten unter anderem Alstom und Areva das Sagen.