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Iranerin in Dresden über ihre Heimat: "Keine Frau ist sicher, wenn sie das Haus verlassen will"

Mahsa Momayezi hat die Repressalien der iranischen Staatsgewalt am eigenen Leib gespürt. Heute lebt sie in Dresden, mit Freunden will sie von hier aus auf die Unterdrückung von Frauen unter dem Mullah-Regime aufmerksam machen. Eine Begegnung.

Von Fionn Klose
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„Auch in Dresden eine Menschenkette für die Opfer der Gewalt im Iran“: Mahsa Momayezi und Freund Ali M. auf den Treppen der Hofkirche.
„Auch in Dresden eine Menschenkette für die Opfer der Gewalt im Iran“: Mahsa Momayezi und Freund Ali M. auf den Treppen der Hofkirche. © Sven Ellger

Dresden. Mahsa Momayezi sitzt vor der Hofkirche, die Straßenbahn rollt mit einem Quietschen vorbei. Mahsa schaut nachdenklich über die Elbe. Seit vier Jahren lebt sie in Dresden, ihre Heimat ist der Iran. Von dort musste sie fliehen, sie liebt die Freiheit, die sie hier hat. Nur zu gut kennt Mahsa Momayezi die Praktiken der iranischen Religions- und Sittenpolizei. Jeden Tag musste sich die 48-Jährige Gedanken machen, ob ihr Kopftuch richtig sitzt, sie nicht zu viel Haar zeigt und ihre Kleidung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Sittenpolizei überwacht die Einhaltung der islamischen Kleidervorschriften in der Öffentlichkeit.

Mahsa konnte aber nie sicher sein, wenn sie auf die Straße ging. "Keine Frau ist sicher, wenn sie das Haus verlassen will", sagt sie. "Es gibt keine Frau, die wirklich weiß, ob ihre Kleidung heute in Ordnung ist oder nicht." Mahsa Momayezi wurde oft von der Sittenpolizei verhaftet, saß mehrere Tage in einer Zelle. Dazu kamen Bedrohungen und Beschimpfungen. Sie überlebte.

Demonstranten in Berlin protestieren gegen den iranischen Mullah-Staat. Auf dem Bild ist die getötete Mahsa Amini zu sehen.
Demonstranten in Berlin protestieren gegen den iranischen Mullah-Staat. Auf dem Bild ist die getötete Mahsa Amini zu sehen. © www.snapshot-photography.de

Anders als Mahsa Amini. Die junge Kurdin, heute Leitfigur der Protestbewegung im Iran, überlebte die Repressionen der Sittenpolizei nicht. Am 13. September 2022 wurde sie in Teheran festgenommen. Man warf ihr vor, ihr Kopftuch nicht richtig getragen zu haben. Während ihres Aufenthaltes auf einem Polizeirevier fiel sie ins Koma und verstarb am 16. September. Ihr Tod löste eine landesweite Welle an Protesten gegen das iranische Regime und die islamischen Vorschriften aus, die teilweise brutal niedergeschlagen wurden.

Der Weg zum politischen Aktivisten

Das Schicksal Aminis hat auch Ali M. dazu gebracht, politisch aktiv zu werden. Er will seinen Nachnamen nicht nennen, aus Angst vor Repressionen des iranischen Staates. Ali ist als Student nach Deutschland gekommen, promoviert zurzeit an der Technischen Universität Dresden. "Ich hatte keine politischen Probleme im Iran", sagt er. Während seines Studiums in Dresden habe er sich nicht mit der politischen Lage dort beschäftigt. "Aber als Mahsa Amini gestorben ist, nur weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen hat, bin ich darauf aufmerksam geworden, wie brutal das iranische Regime eigentlich ist."

Ali und Mahsa Momayezi haben sich zusammengetan, um auf die Lage im Iran aufmerksam zu machen. Denn der Tod von Mahsa Amini hat auch hier die iranische Community erschüttert. Sie organisieren Demos und Veranstaltungen in Dresden, sprechen mit Bundestagsabgeordneten, um hier Unterstützung aus der Politik zu gewinnen. "Unsere wichtigste Forderung ist, dass die Revolutionsgarde auf die Terrorliste der Europäischen Union gestellt wird", sagt Ali.

Die Revolutionsgarde gilt als eine der mächtigsten und wichtigsten Stützen des autoritären Regimes im Iran. Sie soll die islamische Staatsideologie und Sitten der Mullahs schützen. Die Garde besitzt eine große militärische Macht, sie verfügt über eigenständige Truppenteile für Heer, Luftwaffe und Marine sowie Spezialeinheiten für Auslandseinsätze.

Kunst als Protest

Die Forderung, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen, teilen viele Menschenrechtsaktivisten und Politiker. In den USA steht die Garde auf der Terrorliste, die Europäische Union überprüft momentan eine Einstufung.

Für Mahsa Momayezi ist vor allem die Kunst ein geeignetes Mittel, um die Verhältnisse im Iran zu zeigen. Am vergangenen Donnerstag eröffnete sie eine Ausstellung in der Dresdner Altstadt. "Protestkunst aus dem Iran - Frau - Leben - Freiheit", zu sehen im Ladencafé an der Kreuzkirche ist eine Fotoserie, die Mahsa während einer Protestwelle im Iran vor sechs Jahren gemacht hat.

"Das war an einem sogenannten 'Weißen Mittwoch'", sagt sie. "An dem Tag versuchen Frauen, nur weiße Kopftücher zu tragen." Es ist ein Protest, der Frauen gegen die Kopftuchpflicht. Die Sittenpolizei ging dazwischen. Die weißen Tücher wurden in der Öffentlichkeit abgenommen. "So viele Frauen wurden festgenommen", sagt Mahsa Momayezi. "Manche sitzen immer noch im Gefängnis." Sie versucht, in den Bildern die Wut und Verzweiflung der iranischen Frauen abzubilden.

"Wir waren mit etwa 100 Leuten aus Dresden da"

Auch Ali hat seine Protestform gefunden. Er engagiert sich auf der Straße und auch an der Uni. "Wir haben hier in Dresden auch mal eine Menschenkette für die Opfer der Gewalt im Iran gemacht", sagt er. Zudem organisierten sie verschiedene Aktionen. "Zum Beispiel Podiumsgespräche und Diskussionsrunden, zu denen wir uns Politiker eingeladen haben, um über die Proteste und die aktuelle Lage im Iran zu sprechen."

Seine erste große Aktion war die Organisation einer Fahrt zu einer Demonstration in Berlin am 22. Oktober 2022. Rund 80.000 Menschen solidarisierten sich damals mit den Protesten im Iran. "Wir waren mit etwa 100 Leuten aus Dresden da", sagt Ali. In studentischen Initiativen vernetzte er sich mit anderen Aktivisten. Über seine Kontaktdaten entstand auch die Möglichkeit, die Fotos von Mahsa Momayezi im Ladencafé auszustellen. "Die junge Generation im Iran hat Hoffnung und Mut", sagt Mahsa. "Wenn ich Fotos bei den vergangenen Protesten gemacht hätte, hätte ich versucht, diesen Mut und diese Hoffnung einzufangen."