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"Denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge"

Markus Manzer ist Krankenhaus-Seelsorger in Dresden. Die Menschen sollten sich (wieder) mit offenen Herzen begegnen und hinter ihre Masken schauen, sagt er.

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"Und das können wir gegenseitig tun: Uns mit offenem Herzen begegnen", sagt der Dresdner Krankenhausseelsorger Markus Manzer in seiner Weihnachtsbotschaft.
"Und das können wir gegenseitig tun: Uns mit offenem Herzen begegnen", sagt der Dresdner Krankenhausseelsorger Markus Manzer in seiner Weihnachtsbotschaft. © dpa/Peter Gercke

Ein Gastbeitrag von Markus Manzer, Seelsorger am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

Die Geschichte ist bekannt. Oder? Sie waren 145 Kilometer über staubige Straßen unterwegs. Mit einem Esel. Höhenunterschiede 2.024 Meter runter, 2.461 Meter hoch. Sie ist schwanger.

Als Maria und Joseph in Bethlehem ankommen, sind alle Betten in den Quartieren belegt. Sie sind erschöpft, die Geburt steht bevor. Doch sie werden nach draußen verwiesen. Dorthin, wo die Tiere sind. Jesus, das neugeborene Kind, wird in eine Futterkrippe gelegt. Dann kommen die Engel.

"Durcheinander ist gerade vieles"

Sonst wird diese Geschichte in den vollen Kirchen unseres Landes zum Heiligabend aufgeführt. Traditionell, mit Hirten, Engeln und Krippe. Oder in die heutige Zeit übertragen. In unseren Alltag. Oder dorthin, wo heute die Ausgegrenzten der Gesellschaft leben, zu den Obdachlosen, ins Flüchtlingsheim oder in ein Krisengebiet. In meiner Lieblingsversion der Neuzeit überlässt der Wirt Maria und Joseph sein eigenes Bett und bringt damit die ganze gewohnte Abfolge durcheinander. Und unsere vertrauten Bilder…

Krankenhausseelsorger Markus Manzer
Krankenhausseelsorger Markus Manzer © Sven Ellger

Durcheinander ist gerade vieles. Auch bei mir im Krankenhaus. Ich bin Pfarrer und einer der Seelsorger im Klinikum Dresden-Friedrichstadt. Viele OP-Säle sind geschlossen. Stationen wurden zusammengelegt, Personal auf die Coronastationen verteilt. Die Angst geht um, dass irgendwann die Betten nicht mehr reichen werden, dass nicht mehr ausgeflogen werden kann, dass noch mehr Menschen sterben.

Denn sie hatten sonst keinen Raum im Krankenhaus. Keine Mitarbeitenden mehr, die sich kümmern können. Und die, die da sind, sind erschöpft.

Dankbarkeit ist das Trinkgeld

Lars ist Wirt. Keiner, der Betten zu vergeben hat, sondern gute Getränke. Als es im letzten Jahr in Kurzarbeit ging, erinnerte er sich an seine Zeit als Zivildienstleitender und kam zurück ins Krankenhaus. Auf die Coronastation. Wurde Hilfskraft, unterstützte, reichte zu, hörte zu. Er sagt, es war für ihn eine unglaublich wertvolle Zeit.

In diesem Jahr ist er wieder da. Weil es brennt. Er sagt, dass er gerne kommt. Dass die Dankbarkeit des Teams und der Patienten jetzt sein Trinkgeld ist. Lars wird Weihnachten vielleicht auf Station sein. Und auch Silvester.

Wo Sie auch immer sind und was Sie heute und in diesen Tagen tun oder lassen: Weihnachten fällt in diesem Jahr nicht aus. Die Botschaft ist auch in diesem Jahr gültig: Gott kommt als Mensch zu uns, um uns nahe zu sein, weil Gott uns liebt, so wie wir sind. Gesund oder krank. Überzeugt oder zweifelnd. Traurig oder fröhlich. Wütend oder gelassen. Einsam oder eingebunden. Gott hört uns zu.

Und das können wir gegenseitig tun: Uns mit offenem Herzen begegnen, um uns unsere Geschichten zu erzählen, hinter unsere Masken zu sehen, das geht auch mit Abstand.

So kann Weihnachten überall sein. In der Kirche, im Wohnzimmer, in der Gaststube, auf Station.

Danke, Lars. Danke allen Mitarbeitenden auf allen Stationen landauf und landab.

Bitte passen Sie auf sich auf und seien Sie vorsichtig. Um unser aller willen. Damit niemand nach draußen verwiesen werden muss.

Ich wünsche Ihnen - trotz allem - ein extrem schönes Weihnachtsfest.

Seit Oktober ist Pfarrer Markus Manzer evangelischer Klinikseelsorger am Städtischen Klinikum Dresden. Bereits acht Jahre arbeitet er seelsorgerisch in Krankenhäusern, zuletzt am Klinikum Chemnitz.