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Dresdner Dating-Plattform Lovoo: "Wir sind erwachsener geworden"

Die Flirt-App Lovoo geriet 2016 wegen eines Fake-Skandals in die Schlagzeilen. Wie sich die Firma seitdem verändert hat, zeigt sich bei einem verregneten Date mit Hammer und Säge.

Von Christoph Pengel
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Anne Irmisch-Stirn (34) sorgt bei Lovoo für gute Stimmung und kümmert sich um Kollegen, die Probleme haben. Sie und ihr Team haben bei einem Arbeitseinsatz an der Augsburger Straße geholfen. Dort soll ein Kulturzentrum entstehen.
Anne Irmisch-Stirn (34) sorgt bei Lovoo für gute Stimmung und kümmert sich um Kollegen, die Probleme haben. Sie und ihr Team haben bei einem Arbeitseinsatz an der Augsburger Straße geholfen. Dort soll ein Kulturzentrum entstehen. © Sven Ellger

Dresden. Ein Garten im Dresdner Osten. Hinter den Latten des Holzzauns ragen Sonnenblumen aus einem Beet hervor. Es regnet. Manche Menschen finden so was romantisch. Andere müssen bei diesem Wetter draußen arbeiten. So wie das Team von Lovoo, der Dresdner Dating-Plattform.

2016 war das Unternehmen in die Schlagzeilen geraten, nachdem Ermittler die Geschäftsräume an der Prager Straße durchsucht hatten. Zwei der drei Chefs mussten in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft warf Lovoo vor, Profile von Frauen erfunden zu haben. Verurteilt wurde die Firma nicht. Nach einer Zahlung von 1,2 Millionen Euro stellten die Staatsanwälte die Ermittlungen ein.

Sechs Jahre danach, an einem Mittwochvormittag im September, stehen die Lovoo-Leute Schulter an Schulter unter einem Pavillon. An den Seiten tropft das Wasser herab, Hände umschließen Kaffeebecher, in der Mitte liegen Äpfel und Kekse. Dass das hier kein verregnetes Picknick wird, darauf deuten der Mörtel-Sack und die Spachtel im Eimer hin.

Lovoo hat sich zu einem ehrenamtlichen Arbeitseinsatz bereit erklärt. Organisiert wurde die Aktion von der Dresdner Bürgerstiftung. Mehrere Unternehmen verlassen in dieser Woche ihre gewohnte Umgebung und helfen Vereinen, die Unterstützung brauchen.

Lovoo hat dazu ein Team in die Augsburger Straße geschickt. Dort saniert der Verein Win Win Dresden seit zwei Jahren ein Gebäude. In den Räumen soll ein Kulturzentrum entstehen, in dem sich Kinder und Senioren kennenlernen. Ganz altmodisch, ohne App und Smartphone. Ausgerechnet dort engagiert sich die Online-Dating-Firma.

Wie kommt das? Warum leistet das Unternehmen, dem einst Betrug vorgeworfen wurde, heute freiwillige Arbeit? Wie geht die Firma heute mit den Folgen des Skandals um? Und wie stellen sich die Büromenschen auf einer Baustelle an?

Wie Lovoo gegen Fake und Spam kämpft

Nach der Besprechung unter dem Pavillon fackeln die Lovoo-Leute nicht lange. Sie reißen Unkraut aus dem Boden, schleppen Steine durch den Garten, klopfen mit Hämmern den Putz von den Wänden. Eine von ihnen, Anne Irmisch-Stirn, nimmt sich Zeit für ein paar Fragen. Über den Skandal dürfe und wolle sie allerdings nicht reden. Das sei immerhin sechs Jahre her. "Wir wollen nach vorne schauen."

Wer wissen will, wie es bei Lovoo zugeht, kann aber kaum eine bessere Quelle als Anne finden. An Bord war sie schon in den Anfangszeiten der Firma, die 2011 in Dresden gegründet wurde. Als gelernte Mediengestalterin hat Anne unter anderem Grafiken für die App entworfen und Anfragen im Support bearbeitet.

Heute ist Anne Productivity- und Feelgood-Managerin. Sie überrascht Kollegen zu Ihren Jubiläen mit Brause, kümmert sich um Geschenke, erstellt Mitarbeiterausweise, bereitet das gemeinsame Frühstück vor. Wer bei Lovoo arbeitet, findet Ausgleich im hauseigenen Fitness-Studio, erhält ein Job-Ticket für den Nahverkehr und kann sich in Fortbildungen weiterentwickeln.

Für Anne ist wichtig, dass im Büro viel gelacht wird. Dass Probleme sofort angesprochen werden. "Nichts ist schlimmer, als Dinge in sich hineinzufressen." Das Lovoo-Team sei noch immer sehr jung, aber: "Wir sind erwachsener geworden", sagt Anne und nennt auch gleich ein Beispiel: Während das Logo, ein Herz, früher aus sieben Neonfarben bestand, sind es heute nur noch fünf. Nicht mehr ganz so schrill also.

Aber nicht nur optisch hat sich das Unternehmen gewandelt. Auch die Probleme mit Fake und Spam würden seit einigen Jahren mit großem Ernst angegangen, wie ein Pressesprecher auf Anfrage berichtet. "Lovoo hat ein Team, das sich ausschließlich damit beschäftigt." Demnach setzt die Firma unter anderem auf Standort- und Profilbildprüfungen.

Auf die Frage, ob Arbeitseinsätze wie die an der Augsburger Straße auch der Image-Pflege dienen, geht der Sprecher nicht ein. "Als einer der bekanntesten und wichtigsten Digital-Arbeitgeber der Stadt haben wir eine besondere Verantwortung und wollen dieser auch gerecht werden", sagt er. Nicht zuletzt gehe es um Teambuilding.

Vertrauen, Geborgenheit, Liebe

Trotz des Regens wirken die Lovoo-Leute am Mittwoch guter Dinge. Auch Simon Meier, seit 2018 in der Finanzabteilung tätig, hat sichtlich Spaß. Normalerweise sitzt er am Laptop und pflegt Excel-Tabellen. Heute zersägt er Styropor-Platten für die Dämmung einer Wand. "Man kann sich überall reinfuchsen", sagt er.

Simon Meier (vorne) setzt eine Styropor-Platte in die Wand ein. In dem Raum dahinter soll später mal eine Bibliothek einziehen.
Simon Meier (vorne) setzt eine Styropor-Platte in die Wand ein. In dem Raum dahinter soll später mal eine Bibliothek einziehen. © Sven Ellger

Meier hat früher bei Dax-Konzernen mit steilen Hierarchien gearbeitet. Wollte er Vorgesetzte per E-Mail anschreiben, habe er Hemmungen verspürt. Ganz anders bei Lovoo. Der Zusammenhalt im Team sei großartig, sagt er.

So ähnlich sieht das auch Anne Irmisch-Stirn, die Feelgood-Managerin. Ihre Ziele im Büro: "Zufriedenheit, Vertrauen, Geborgenheit, Spaß, Verständnis, Freude, Liebe." Die große, romantische Liebe hat sie übrigens auch schon gefunden. Anne ist verheiratet. Ihren Mann hat sie allerdings nicht über die Lovoo-App kenngelernt. Na, wie denn sonst? "In der Bahn. Auf dem Weg zu einer Party."