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"Ich kann es mir nicht leisten, mich auszuruhen": Natalija Bock wird mit Dresdner Kästner-Preis geehrt

Mit Beginn des russischen Einmarschs in der Ukraine wurde Natalija Bock zum Gesicht ihres Landes in Dresden. Jetzt wird sie mit dem Erich-Kästner-Preis geehrt.

Von Dirk Hein
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Natalija Bock am Kästner-Denkmal in der Neustadt. Dieses Jahr wird das Dresdner "Ukraine-Gesicht" mit dem Erich-Kästner-Preis geehrt.
Natalija Bock am Kästner-Denkmal in der Neustadt. Dieses Jahr wird das Dresdner "Ukraine-Gesicht" mit dem Erich-Kästner-Preis geehrt. © Christian Juppe

Dresden. "Meine Hände, meine Füße - mein ganzer Körper hat gezittert. Aber ich hatte das ukrainische Volk vor Augen, ich habe versucht den Menschen hier zu erklären, was mein Land, was meine Freunde, was meine Familie gerade fühlen": Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine spricht Natalija Bock Ende Februar 2022 zum ersten Mal in ihrem Leben vor vielen tausenden Menschen. Die hatten sich im Angesicht des eigentlich für unmöglich gehaltenen Krieges auf dem Neumarkt versammelt.

Gesicht und Herz der Ukrainer in Dresden

Schon bei diesem Auftritt war klar: Die so warmherzig und offen auftretende Dolmetscherin Natalija Bock ist das Gesicht und Herz der Ukrainer in Dresden. Und die 49-Jährige Dresdnerin hat diesen Eindruck in den Folgejahren bestätigt.

Ihr Engagement hat das Ukraine-Haus auf dem Neumarkt möglich gemacht, sie vermittelt im Auftrag der Stadt zwischen der Verwaltung und Geflüchteten, hilft bei der Integration und: Sie zeigt Gesicht. Zum Jahrestag des Kriegsbeginns lädt sie erneut zur Demonstration auf den Neumarkt.

Natalija Bock im Februar 2022 auf dem Dresdner Neumarkt. Sie wurde zum Gesicht der Ukraine in Dresden.
Natalija Bock im Februar 2022 auf dem Dresdner Neumarkt. Sie wurde zum Gesicht der Ukraine in Dresden. © René Meinig

Nach Dresden gekommen ist die studierte Germanistin der Liebe wegen. Ihren Mann lernte sie als Dolmetscherin kennen, als der selber Hilfstransporte in die Ukraine organisiert hatte. "Mein ganzes Leben in Dresden ist mit der Ukraine-Hilfe verbunden", sagt Frau Bock. Als der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz 2014 den Transport von schwer verletzen Demonstranten vom Kiewer Maidan-Platz in Dresdner Krankenhäuser organisiert, ist Natalija Bock an deren Seite. Später begleitet sie die Männer bei deren offiziellem Besuch im Bundestag.

Natalija Bock dolmetschte für die Staatskanzlei und übernahm dann vor zwei Jahren wie selbstverständlich die Rolle als Ukraine-Botschafterin in und für Dresden. Spurlos geht das an der so positiv auftretenden Frau dennoch nicht vorbei. "Die vergangenen zwei Jahren waren schwer, eigentlich zu schwer für einen Menschen", sagt sie. "Doch ich kann es mir nicht leisten, mich auszuruhen. In meiner Heimat sterben noch immer Menschen und deren Familien haben es so viel schwerer als ich."

"...dann stehe ich wieder auf und mache weiter"

Maximal einen halben Tag Ruhe gönne sie sich immer mal wieder. "Dann stehe ich wieder auf und mache weiter. Ich weiß, dass meine Arbeit hilft. Sie rettet teilweise Menschenleben."

Dieses Jahr wird Natalija Bock für dieses Engagement mit dem Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden ausgezeichnet. Die Preisträgerin sei zum Dreh- und Angelpunkt für Geflüchtete aus der Ukraine geworden. "Natalija Bock erfüllt das, was der Presseclub mit dem Erich-Kästner-Preis auszeichnet: Sie hat mit ihrem Engagement für Humanität Maßstäbe gesetzt", sagt Tobias Wolf als Vorsitzender des Dresdner Presseclubs.

Frau Bock sei für viele Menschen zum Vorbild geworden, weil "sie in einer Zeit klare Werte vertritt, deutliche Worte findet und sich für eine freie Welt einsetzt, in der so mancher lieber unklar bleibt, wie die öffentliche Debatte in Sachsen immer wieder zeigt."

Die Verleihung des Kästner-Preises habe sie überrascht, sagt Natalija Bock. "Ich bin sehr dankbar. Es ist etwas besonderes, hier in Dresden diese Auszeichnung zu bekommen - in meiner Wahlheimat seit 26 Jahren." Sie widme den Preis allen Menschen, "die mir helfen, Gutes zu tun."

Am 23. Februar jährt sich der Geburtstag von Erich Kästner zum 125. Mal. Der Dresdner Autor, vor allem dessen Kinderbücher, seien in der Ukraine immer noch sehr bekannt. Ein beliebter ukrainischer Schriftsteller habe in seinem Podcast erzählt, dass er Kästner in den ersten Tagen der russischen Invasion im Schutzbunker gelesen habe. "Und jetzt erhalte ich den Kästner-Preis. Mich hat das sehr bewegt", sagt Natalija Bock.

10.000 Euro Preisgeld werden zur Spende

Der Presseclub Dresden vergibt den Erich-Kästner-Preis seit 1994 an Persönlichkeiten, die sich um Humanität, Toleranz und Völkerverständigung verdient gemacht haben. Die Wahl erfolgt alle zwei Jahre in der Mitgliederversammlung. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden. Die Preisträger spenden das Geld für künstlerische, kulturelle und karitative Projekte.

Der erste Kästner-Preis wurde 1994 an Ignatz Bubis verliehen. Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und zuletzt Teresa Enke als Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung wurden bereits geehrt.