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Kran-Unfall in Dresden: Mieter müssen aus ihren Wohnungen raus

Im Dresdner Zentrum ist ein Kran umgestürzt und gegen eine Fassade geprallt. Was zur Ursache bekannt ist und wie es für die Bewohner nun weitergeht.

Von Nora Domschke & Kay Haufe & Christoph Springer
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Herbert Pietzsch und seine Frau mussten im Hotel übernachten. Der Kran-Ausleger schlug direkt neben einem Fenster seiner Wohnung ein. Wie groß der Schaden wirklich ist, wird noch untersucht.
Herbert Pietzsch und seine Frau mussten im Hotel übernachten. Der Kran-Ausleger schlug direkt neben einem Fenster seiner Wohnung ein. Wie groß der Schaden wirklich ist, wird noch untersucht. © Marion Doering

Dresden. Am Dienstagmittag liegen noch mehrere Teile des umgestürzten gelben Krans in der Ferdinandstraße. "Er wird jetzt Stück für Stück auseinandergebaut und abtransportiert. Das wird bis zum Nachmittag dauern", sagt Jörg Winkler, Prokurist der Kamenzer Baufirma DIW. Sie ist der Generalunternehmer des Bauvorhabens auf der Prager Straße 8. Dort stand einst die Wöhrl Plaza, jetzt wird von der DIW ein Hotelneubau im Auftrag der Values.Real Estate Holding GmbH errichtet.

Dafür hatte die Baufirma einen 50-Meter-Kran von der Firma Beutlhauser gemietet, um Materialien in die oberen Stockwerke zu transportieren. Dieser ist am Montag umgekippt und gegen ein Wohnhaus auf der Ferdinandstraße geprallt.

Technischer Defekt als Unfallursache?

"Wir gehen zu 99,9 Prozent davon aus, dass ein technischer Defekt die Ursache dafür war", sagt Jörg Winkler. Das müssen nun aber externe Gutachter endgültig klären, die von der Verleihfirma beauftragt wurden. "Kräne müssen regelmäßig gewartet und geprüft werden. Dafür haben wir auch die Nachweis-Dokumente von der Firma Beutlhauser erhalten", sagt Winkler.

Für ihn ist es das größte Glück, wie er sagt, dass bei diesem Unfall kein Mensch verletzt wurde. Bis 1.30 Uhr in der Nacht zum Dienstag war er mit dabei, als mithilfe von zwei großen Mobilkränen erste Teile des Krans abgenommen wurden. Eine gefährliche Angelegenheit. "Es war Gefahr in Verzug und wir mussten unverzüglich handeln. Es kann immer sein, dass sich Kranteile verkeilen und so Spannungen entstehen, durch die der Kran zurückschnellen kann."

Die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte und der DIW-Mitarbeiter habe hervorragend geklappt, die Arbeiten seien schnell und reibungslos verlaufen. Der fehlende Kran werde die Arbeiten am Gebäude nicht beeinflussen. "Wir sind mit dem Rohbau fertig und finden jetzt andere Wege, das Material nach oben zu transportieren", sagt Winkler.

Der umgestürzte Kran wird teilweise zerlegt und dann mittels zwei Mobilkränen verladen und abtransportiert.
Der umgestürzte Kran wird teilweise zerlegt und dann mittels zwei Mobilkränen verladen und abtransportiert. © Marion Doering

Auch die Kriminalpolizei war vor Ort und hat zu dem Unglück ermittelt. Das Ergebnis: Es gibt keinen Straftatverdacht. Das hätte zum Beispiel der Fall sein können, wenn gegen Paragraf 310 des Strafgesetzbuches verstoßen worden wäre, erklärt Polizeisprecher Marko Laske. In dem Paragrafen steht unter anderem: "Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues [...] gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Jetzt ist das Unglück unter anderem Sache der Bauaufsicht. Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes, das zum Geschäftsbereich von Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) gehört, waren noch am Montagabend vor Ort. Dabei stellte sich heraus, dass an dem beschädigten Haus womöglich ganze Betonplatten ausgetauscht werden müssen.

Vermieter hat sich um Hotelunterkunft gekümmert

Rund um die Unfallstelle herrscht am Dienstag geschäftiges Treiben, auf der Hotelbaustelle nebenan wird weiter gewerkelt, auch Schaulustige haben sich am Rundkino versammelt und bestaunen die Reste des Krans. Am Wohnhaus, das der Koloss beim Umstürzen getroffen hatte, zieht sich ein langer Riss über die Fassade, an einigen Stellen ist der Putz abgebrochen.

Das Küchenfenster am unteren Ende des Risses gehört zur Wohnung von Herbert Pietzsch. Er wohnt seit 1989 in der vierten Etage des damals modernen Plattenbaus - Erstbezug. Der Kran-Unfall hat drastische Folgen für ihn, seine Frau und die Mieter von drei weiteren Wohnungen. Sie mussten noch am Montag in ein Hotel an der Prager Straße umziehen.

Herbert Pietzsch und seine Frau packten ihre Koffer nur widerwillig. "Ich wollte eigentlich nicht aus meiner Wohnung", sagt der 68-Jährige. Schließlich konnten ihn Polizeibeamte dann doch davon überzeugen, dass es sicherer ist, woanders zu übernachten, denn niemand konnte am Montag abschätzen, inwieweit die Statik des Plattenbaus durch den Aufprall beeinträchtigt ist.

Der Großvermieter Vonovia, dem die betroffenen Wohnungen gehören, hat sich schnell um eine neue Bleibe für die Mieter gekümmert, bestätigt Pietzsch. Auch einen Ansprechpartner habe er genannt bekommen, mit dem er in regem Austausch steht. Pietzsch und seine Frau wollen so schnell wie möglich in ihre vier Wände zurück - doch danach sieht es vorerst nicht aus. Ihr Zimmer im Bastei-Hotel sei bis zum 11. Juli gebucht. Wie lange sie dort wirklich bleiben müssen, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden, teilt Vonovia-Sprecher Matthias Wulff auf SZ-Anfrage mit.

"Passanten hatten riesengroßes Glück"

Was genau am Haus repariert werden muss und wie groß die Schäden sind, ist derzeit unklar. "Wir sind noch in der Begutachtungsphase, daher können wir das konkret noch nicht sagen", so Wulff. Fest steht: Bezahlen muss den Schaden und alles, was damit zusammenhängt, also etwa auch die Übernachtungen der Mieter, der Verursacher.

Pietzsch hofft, dass er in den nächsten Tagen noch einmal in seine Wohnung kann, um wichtige Unterlagen zu holen und den Müll zu entsorgen. "Unsere Blumen werden das wohl nicht überleben." Dennoch betont auch er, was für ein Wunder es ist, dass beim Unfall niemand verletzt wurde. "Da waren sehr viele Passanten auf der Ferdinandstraße unterwegs. Sie haben riesengroßes Glück gehabt, dass der Kran an unserem Haus 'hängengeblieben' ist."