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Misstöne auf Beerdigung von langjährigem Frauenkirchen-Organisten Samuel Kummer

Familie und Hunderte Weggefährten haben mit einem Gottesdienst und einem Konzert Abschied von dem genialen, etwas weltfremden Dresdner Musiker Samuel Kummer genommen.

Von Bernd Klempnow
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Samuel Kummer (1968 - 2024) war 17 Jahre ein brillanter Organist der Frauenkirche Dresden. Allerdings wurde ihm 2022 wegen Unpünktlichkeit in mehreren Fällen von der Frauenkirche-Stiftung gekündigt.
Samuel Kummer (1968 - 2024) war 17 Jahre ein brillanter Organist der Frauenkirche Dresden. Allerdings wurde ihm 2022 wegen Unpünktlichkeit in mehreren Fällen von der Frauenkirche-Stiftung gekündigt. © Johannes G. Schmidt

Dresden. Mit einem Trauergottesdienst und einem Orgelkonzert haben am Mittwoch die Familie Kummer und Hunderte Freunde, Weggefährten und Kollegen Abschied von dem langjährigen Organisten der Dresdner Frauenkirche, Samuel Kummer, genommen. Der 56-Jährige war am 23. April plötzlich auf dem Dresdner Hauptbahnhof zusammengebrochen und verstorben. Laut Angaben der Familie war er auf dem Weg zur Musikhochschule in Würzburg, wo er eine Orgelprofessur innehatte. Unter den Trauergästen war auch die Geschäftsführung der Frauenkirchen-Stiftung.

Ungewöhnlich beim Trauergottesdienst in der Christuskirche Strehlen, der mit von Kummer arrangierter Musik begann: Die Familie selbst hielt zunächst Nachrufe auf den Verstorbenen. Seine Frau Irena Budryte-Kummer erinnerte an ihn als einen Ehemann und Vater, der ein "liebenswerter, fleißiger, begeisterungsfähiger Mensch voller Hingabe und dem Streben nach Perfektion" gewesen sei. Vor allem aber schätzte sie ihn auch als Kirchenmusiker, wie er "präsent war, wenn er an der Orgel" saß und Kompositionen interpretierte.

Schon bei seinem ersten Orgelkonzert als neu berufener Organist der wiederaufgebauten Frauenkirche 2005 gab er eine Hörprobe seines besonderen Talentes, das ihn deutschlandweit berühmt machen sollte. Er war genial als Improvisateur an der Orgel, der tief beeindruckend "Werke nur für den Augenblick zur Ehre Gottes" schuf.

Samuel Kummer 2005, als er sein Amt als erster Organist der Dresdner Frauenkirche antrat.
Samuel Kummer 2005, als er sein Amt als erster Organist der Dresdner Frauenkirche antrat. © Archivbild: SZ/Thomas Lehmann

Dass es nach 17 Jahren zum Zerwürfnis mit der Frauenkirchen-Stiftung kam, lag laut Budryte-Kummer an der Arbeitsüberlastung ihres Mannes und zu wenig Unterstützung durch die Mitarbeiter des Musikbüros. Die Kündigung der Stiftung wegen Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit, die in erster Instanz vom Arbeitsgericht bestätigt worden war und jetzt im Mai in zweiter Instanz verhandelt werden sollte, habe ihren Mann "bis ins Mark getroffen, weil er seiner Berufung beraubt" worden sei. Sie bat darum, den sensiblen und großen Musiker und Menschen Samuel Kummer nicht auf "einen Konflikt zu reduzieren, der viele Gesichter" hat. Freunde glauben, dass die gerichtliche Auseinandersetzung Kummer das "Herz gebrochen" hat.

Kummers Bruder Joachim warf der Frauenkirchen-Stiftung indirekt Verleumdung, Rufmord und Mord vor, als er aus dem Nibelungenlied zitierte. In dem kommt ein Held an einen Hof, der sich zunächst an dessen Qualitäten erfreue, bis eine neue Königin antritt und sich diese mit dem Hofstaat auf Nibelungentreue einigt und daranmacht, den "Held niederzustrecken". Nicht einmal postum würde er gelobt.

Gedenkkonzert in der Kreuzkirche

Auch Frank Richter, ehemals Geschäftsführer der Frauenkirchenkirchen-Stiftung, verteidigte in seinem Nachruf den Musiker als "auf bedrückende Weise wehrlos". Dessen Wirken freilich hatte etwas Göttliches. Schon in seiner Zeit als Geschäftsführer habe Richter gefragt, wie man Kummer, der einem mit seinem Orgelspiel "Raum und Zeit" vergessen ließ, angreife, "nur weil er nicht rechtzeitig auf die Uhrzeit geachtet" hat.

Offenbar aber war genau das der Punkt in dem Zerwürfnis, dass die Frauenkirche als multifunktionales Gottes- und Konzerthaus ein eng getaktetes Programm hat. Da bringen Unpünktlichkeit oder gar unerwartete Abwesenheiten viele Abläufe durcheinander. Vom Imageschaden wegen beispielsweise der fehlenden Musikbegleitung von Feierlichkeiten ganz zu schweigen.

Nach Glockengeläut, Biblischem Votum, weiterer Musik und dem Gloria Patri von Bach, den Samuel Kummer so gern und großartig interpretiert hatte, wurde der Verstorbene am Mittag auf dem Johannisfriedhof bestattet. Am Abend gestalteten Lehrer und die Dresdner Innenstadtorganisten ihm zu Ehren in der Kreuzkirche ein Gedenkkonzert. Er habe als Organist der Frauenkirche das musikalische Leben in Dresden mitbestimmt und durch sein virtuoses Spiel, seine Improvisationskunst, Kreativität und Herzlichkeit Spuren hinterlassen. Neben Orgelwerken von Johann Sebastian Bach, Franz Liszt und Louis Vierne gehörte auch ein Satz des Deutschen Requiems von Johannes Brahms in einer Orgeltranskription von Samuel Kummer zum Programm.